Zähl Pixel
Retter in Not

Tierschützer müssen in die eigene Tasche greifen

Ivonne Sommer hält auf dem Gelände der Arche Oyten den Kater Theißen auf dem Arm.

Ivonne Sommer hält auf dem Gelände der Arche Oyten den Kater Theißen auf dem Arm. Foto: Andrea Zachrau/dpa

Alte, kranke und verletzte Tiere werden häufig im Stich gelassen. Bei privat geführten Tierschutzvereinen finden sie Zuflucht und werden aufgepäppelt - doch zu welchem Preis?

Von Andrea Zachrau, dpa Dienstag, 31.12.2024, 09:50 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

Oyten. Als Ivonne Sommer den kleinen Igel in den Händen hielt, wusste sie sofort, welchen Namen er bekommen sollte: Hope – auf Deutsch: Hoffnung. „Er wurde von einer Radfahrerin gefunden und direkt zu uns gebracht“, erinnert sich die 37-Jährige. Er habe sich kaum noch bewegt und schien mit dem Leben abgeschlossen zu haben. „Ein Hinterbein war stark verletzt, die Pfote fehlte. Gemeinsam mit unserer Tierärztin entschieden wir, das Bein zu amputieren und dem Kleinen eine Chance zu geben.“

Dauerbewohner und Pflegetiere

Rund 90 Igel betreut Ivonne Sommer nach eigenen Angaben jedes Jahr in der Tierschutzstation „Arche Oyten“ im Landkreis Verden. Auch Eichhörnchen und Feldhasen päppelt die Tierschützerin gesund, um sie dann wieder in die Freiheit zu entlassen. Hinzu kommen Hunde, Katzen, Ponys, Ziegen, Schafe, Hühner, Gänse, Laufenten, Nagetiere wie Meerschweinchen und Degus sowie ein Papagei. Viele davon sind Dauerbewohner. Manche betreut Sommer aber auch als Pflegestelle.

Seit 2017 bietet Sommer herrenlosen und verletzten Tieren ein Zuhause. Nach und nach entstanden immer mehr Ställe und Gehege auf dem Grundstück der Familie. 2020 wurde schließlich der Verein „Arche Oyten“ gegründet – vor allem, um Spenden offiziell annehmen und auch quittieren zu können. Denn ohne die ginge nichts: „Alleine die Versorgung eines Igels bis zu seiner Auswilderung kostet rund 500 Euro“, rechnet die gelernte Pferdewirtin vor.

Tierschützer müssen in die eigene Tasche greifen

Neben Geld- und Futterspenden sowie einer Vereinsmitgliedschaft gibt es auch die Möglichkeit, eine Tierpatenschaft abzuschließen. Die kostet je nach Tiergröße zwischen fünf und 20 Euro pro Monat. Trotzdem muss Sommer immer mal wieder in die eigene Tasche greifen, wenn die Spendengelder knapp werden.

Wie die Arche Oyten seien alle Tierschutzvereine in Niedersachsen ehrenamtlich organisiert und auf Spendengelder angewiesen, sagt Dieter Ruhnke, Vorsitzender des Landestierschutzbundes in Niedersachsen. Er kritisiert: „Eigentlich sind die Behörden gesetzlich dazu verpflichtet, die Kosten für jedes abgegebene Tier zu übernehmen.“ Stattdessen verließen sie sich darauf, dass ehrenamtliche Tierschützer sich der Tiere annähmen und mit Hilfe von Spenden versorgten.

Kaum Freizeit, keinen Urlaub

Insgesamt beheimatet die Arche 65 Tiere, die alle gefüttert und versorgt werden müssen. Eigentlich ein Vollzeitjob, den Sommer neben ihrem eigentlichen Beruf ausübt. „Ich stehe morgens um vier Uhr auf und füttere alle Tiere, bevor ich zur Arbeit fahre“, berichtet die Oytenerin. Und auch die Mittagspause sowie die Abendstunden werden der Tierversorgung gewidmet.

Hilfe bekommt sie sowohl von ihren Eltern als auch von ehrenamtlichen Helfern, die vornehmlich unter der Woche nachmittags mit anpacken. „Für morgens ist es schwer, Freiwillige zu finden“, sagt die Vereinsvorsitzende. Am Wochenende liegt die Versorgung der Tiere komplett in ihren Händen.

„Urlaub hatten wir schon lange keinen mehr“, gesteht Sommer. Und doch würde sie sich immer wieder dafür entscheiden, vernachlässigten oder verletzten Tieren zu helfen. „Sie geben einem so viel zurück“, sagt sie mit einem Schmunzeln und streicht der ehemaligen Tierheimhündin Laika über ihr weißes Fell.

Vereine wünschen sich Unterstützung

Aus einer ähnlichen Motivation heraus engagiert sich Julia Linz für den Tierschutz. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Heiko gründete sie die Wildtierpflegestelle Verden/Aller. Das Paar kann jährlich bis zu 400 Wildtiere aufnehmen, um sie aufzupäppeln und wieder in die Freiheit zu entlassen. „Wir haben uns vor allem auf Raubsäuger wie Fuchs, Dachs, Marder, Iltis oder Europäische Wildkatze spezialisiert“, berichtet die gelernte Tierarzthelferin.

Die verletzten Tiere gesundzupflegen, funktioniere nur mit einer gehörigen Portion Idealismus: „Wir sind auf Spenden angewiesen, bezahlen aber auch viel aus eigener Tasche“, erzählt sie. Die Verdenerin würde sich wünschen, dass nicht nur Privatpersonen, sondern auch Kommunen und das Land ihre Arbeit unterstützen. „Wir könnten noch viel mehr Tieren helfen, wenn es dafür entsprechende Fördergelder gäbe“, sagt sie.

Wildtierauffangstationen können über das niedersächsische Umweltministerium Fördergelder beantragen, wenn sie staatlich anerkannt sind. Die Anforderungen für eine solche Anerkennung seien für kleine Tierschutzvereine jedoch nicht umsetzbar, machte Tierschutzbund-Vorsitzender Ruhnke deutlich. „Die Personalkosten würden einen Zuschuss bei weitem übersteigen.“

Igel Hope von der Oytener „Arche“ hat dank privater Spenden überlebt. „Nach der Beinamputation kam er sechs Wochen in eines unserer Außengehege. So konnte er seine Muskulatur trainieren“, berichtet Sommer. Danach ging es in einen mit Kameras ausgestatteten Garten. Dort konnte der Kleine weiter im Blick behalten werden. „Er holt sich bis heute Futter ab und ist topfit“, freut sich die Tierschützerin. „Für genau solche Momente lohnt sich unsere Arbeit.“

Weitere Artikel

Weltmeister im Steineditschen gesucht

Außergewöhnliche Weltmeister gesucht: Am Strand in Schönhagen messen sich zum achten Mal Männer, Frauen und Kinder im Steineditschen. Einige unterbrechen für die Teilnahme sogar ihren Urlaub.