Bewegende Trauerfeier: Weggefährten nehmen Abschied von Doris Fitschen

Silvia Neid bei der Trauerfeier zu Ehren der verstorbenen Doris Fitschen. Foto: Arne Dedert/dpa
Vom Zevener Bauernhof zur Fußball-Pionierin: Nach dem Krebstod mit nur 56 Jahren würdigten drei langjährige Wegbegleiterinnen die langjährige Nationalspielerin.
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Zeven/Frankfurt. Bei einer bewegenden Trauerfeier des Deutschen Fußball-Bundes haben Familienangehörige, Freunde und Wegbegleiter einen tränenreichen Abschied von Doris Fitschen genommen. „Lieben, Leben, Lachen - das war Doris. Sie hatte eine unglaubliche Aura und Strahlkraft und hat unser aller Leben bereichert“, sagte Ex-Bundestrainerin Silvia Neid mit brüchiger Stimme in ihrer Trauerrede über die am 15. März nach schwerer Krankheit im Alter von nur 56 Jahren gestorbene Fitschen.
In Anwesenheit der DFB-Führungsriege um Präsident Bernd Neuendorf, Geschäftsführer Andreas Rettig sowie der Sportdirektoren Rudi Völler und Nia Künzer verfolgten einige Hundert Menschen die gut einstündige Gedenkzeremonie für die ehemalige Nationalspielerin und Funktionärin im Frankfurter Stadion am Brentanobad.
Fitschen gehörte zu den besten Spielerinnen und größten Persönlichkeiten des Fußballs in Deutschland. Zuletzt war sie beim DFB als Gesamtkoordinatorin für die Entwicklung und Umsetzung der Strategie „Frauen im Fußball FF27“ verantwortlich.
Fitschen hinterlässt große Lücke
„Es tut noch immer unendlich weh, dass Doris nicht mehr bei uns ist“, sagte DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich und ergänzte: „Wir alle verneigen uns in Demut und Hochachtung vor einem großartigen Menschen.“ Die langjährige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth beklagte: „Zu früh hat das Leben Doris Fitschen aus dem Spiel genommen.“
Neid würdigte Fitschen als große Persönlichkeit, die es stets verstanden habe, anderen Mut und Kraft zu geben. „Sie war mir eine unersetzliche Freundin, fast vier Jahrzehnte lang. Wir sind durch dick und dünn gegangen, sowohl sportlich als auch privat“, sagte sie.
Titelsammlerin und Erfolgsmanagerin
Fitschen hatte während und nach ihrer aktiven Laufbahn große Erfolge gefeiert. Als Spielerin wurde sie viermal Europameisterin und holte bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney mit der DFB-Auswahl Bronze. In ihrer späteren Funktion als Nationalmannschaftsmanagerin war sie bei zwei EM-Triumphen und dem Olympiasieg 2016 in Rio dabei. Mit ihren Vereinen TSV Siegen und 1.FFC Frankfurt wurde sie zudem jeweils dreimal Meisterin und Pokalsiegerin.

Doris Fitschen galt als eine der besten Spielerinnen ihrer Generation. Foto: Stringer/dpa
Laut Ullrich war sie jedoch nicht nur als Fußballerin und Funktionärin eine ganz Große, sondern vor allem auch als Mensch - und das bis zu ihrem Tod. „In ihrem Sterbebett im Krankenhaus hat sie uns getröstet und einen Toast auf das Leben ausgebracht“, berichtete die DFB-Generalsekretärin und appellierte an alle Anwesenden: „Lasst uns die Herzensprojekte von Doris weiter gestalten.“
Weggefährten trauern um Doris Fitschen
Fitschens Elternhaus stand im Landkreis Rotenburg. Dort war die Anteilnahme schon nach Bekanntwerden des Todes groß. „Das ist so brutal traurig, das hat uns sehr hart getroffen“, sagte Iris Schmökel, die einst beim TuS Westerholz zusammen mit dem früheren Weltstar des deutschen Frauenfußballs zusammen spielte. „Sie war immer bodenständig, ist nie abgehoben“, betonte Inge Rathjen, die mit ihrem Mann Fritz Rathjen Ende der 70er Jahre Fitschen im Alter von neun Jahren entdeckte und lange förderte.
Doris Fitschen stammte aus Osenhorst. Ihre Eltern hatten einen Bauernhof. Dort stand ein Tor und Doris Fitschen entdeckte früh ihre Liebe für den Fußball, „obwohl es in der Familie bei den Fitschens keinen gab, der Fußball gespielt hat. Sie war die Erste“, erzählt Fritz Rathjen. Einer der Lehrlinge auf dem Hof gab ihm den Tipp. „Da sind wir dann hin und haben sie ,eingefangen´. So etwas kann man sich nicht entgehen lassen“, erinnert sich Fritz Rathjen, der mit seiner Frau 1978 den Mädchenfußball beim FC Hesedorf zum Leben erweckte.
„Sie war die Kleinste und Zierlichste, aber das Talent hat man ihr gleich angesehen. Und Angst vor den Großen hatte sie keineswegs“, schreibt Rathjen in seinen Aufzeichnungen. „Am 6. Mai 1978 trug sie ihr erstes Spiel bei einer Altersgruppe mit Mädchen bis zu 15 Jahren aus“, hat er ebenfalls notiert. Fitschen war damals neun Jahre alt. Ihr erstes Spiel endete allerdings mit einer Niederlage der Mannschaft. 1981 wechselte sie mit den Rathjens dann zum TuS Westerholz, wo der Frauenfußball seinen großen Aufschwung erlebte.
Nach dem Abitur folgte 1988 der Sprung nach Wolfsburg. Fitschen war bereits Nationalspielerin. „Sie hat noch acht Länderspiele für Westerholz gemacht“, berichtet Inge Rathjen. Der Kontakt riss nie ab. Die vierfache Europameisterin beendete 2001 in den USA ihre Karriere.
Von 1980 bis 1988 spielte Fitschen zusammen mit Iris Schmökel in einer Mannschaft. Schmökel meint: „Unsere liebe Doris, wie wir immer sagten, war ein ganz besonderer Mensch.“ So manche Anekdote hat sich angesammelt. Etwa diese: „1986 wurden wir DANA-Cup-Sieger vor großer Kulisse, Doris als Ausnahmespielerin, die in den Finalspielen einen Strafstoß verursachte, sich selbst die Torwarthandschuhe anzog und den Strafstoß hielt.“
Jährliches Treffen mit alten Weggefährten
Etabliert hatte sich ein jährliches Treffen der alten Weggefährten in der Woche vor Weihnachten in Osenhorst. „Es waren immer wunderschöne Stunden in größerer Runde. Wir lauschten gespannt den neuesten Entwicklungen von Doris und auch vom DFB und amüsierten uns auch jedes Jahr wieder über die gemeinsamen Erlebnisse“, erzählt Schmökel. Doch das letzte Treffen bei Mutter Lisa musste sie absagen. Der bereits 2019 an Knochenkrebs erkrankten Doris Fitschen, die in Neu-Isenburg lebte und Partnerin sowie Kind hinterlässt, stand eine Schulter-OP bevor. (rk)