Wenn er nicht im „Haerlin“ kocht, entspannt Sternekoch Christoph Rüffer beim Bügeln

Sternekoch Christoph Rüffer will immer das Maximale aus seinem Beruf herausholen.
Entspannt plaudert Christoph Rüffer im Salon des Hotels „Vier Jahreszeiten“ im Interview mit TAGEBLATT-Mitarbeiter Guido Behsen über moderne Küche ohne Chi-Chi. Der Hamburger Sternekoch über die Konkurrenz unter Sterne-Restaurants und warum er Koch geworden ist.
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Es ist noch ruhig in seinem Gourmet-Restaurant, als der Küchenchef Zeit für das Gespräch findet. Eine Woche Frühjahrsferien, während der das „Haerlin“ geschlossen war, haben Christoph Rüffer und seinem Team Zeit zum Durchatmen und Krafttanken gegeben.
TAGEBLATT: Kennen Sie als hochdekorierter Küchenchef eigentlich Angst, dass in der Küche mal so richtig was daneben geht?
Christoph Rüffer: Null Komma null. Weil ich eigentlich jeden Tag im Restaurant bin, alle Sachen gegenprobiere und neue Gerichte mit meinem Sous-Chef entwerfe, der jetzt auch schon 18 Jahre bei mir ist. Da verpassen wir eigentlich nichts, was den Gast erreicht, was wir nicht gesehen haben oder nicht abgeschmeckt ist.
Immer mit der hundertprozentigen Sicherheit, dass auch wirklich zwei Sterne auf dem Teller liegen?
Wenn man einen zweiten Stern bekommt, ist erst mal freudige Überraschung da. Dann ist man vielleicht zwei, drei Jahre etwas nervös, muss sich erst mal dran gewöhnen, ob das, was man gerade kocht, auch die Zwei-Sterne-Kriterien erfüllt. Aber nach so vielen Jahren weiß ich, was gute zwei Sterne sind, wenn ich es auf den Teller bringe und dass ich mich für ein Gericht nicht entschuldigen oder ich Bedenken haben muss.
Das klingt nach großer Gelassenheit, sind Sie ganz frei von Leistungs- und Erfolgsdruck?
Von Erfolgsdruck ja, von Leistungsdruck nein. Für mich ist es ein Erfolg, wenn das Restaurant voll ist, weil die Gäste zufrieden sind. Und wir sind sehr gut gebucht. Im Gegenteil, wir haben an manchen Abenden, obwohl mit 15 Tischen im Restaurant, noch einen Tisch zu wenig. Deswegen bin ich sehr happy. Leistungsdruck gibt es natürlich, weil um 18.30 Uhr der Service anfängt, und ich sehr dafür bin, dass alles zügig abläuft. Zweieinhalb bis drei Stunden, dann sollte das Menü auch gegessen sein. Von bis zu vier Stunden halte ich nichts. Deshalb muss die Vorbereitung tipptopp und der Service zügig sein, das ist für mich dann der Leistungsdruck, den man sich selbst setzt. An den gewöhnt man sich aber auch.
Welches Lob ist Ihnen eigentlich wichtiger: von Michelin, dem Gault&Millau oder dem „Feinschmecker“?
Das Lob von meinen Gästen und auch von Mitarbeitern. Das meine ich absolut ehrlich. Denn es hat sich etwas komplett verschoben in der Branche. Es gibt heute weniger Probleme, Gäste zu haben oder neue Gäste zu gewinnen. Stattdessen haben Gastronomen größte Probleme, Mitarbeiter zu gewinnen. Vor ein paar Jahren hat jedes Restaurant um Gäste und Bewertungen gebuhlt, jetzt müssen wir schauen, dass wir unser Restaurant auch fünf Tage die Woche aufmachen können. Ich kenne haufenweise Kollegen, die nur noch eine vier-Tage-Woche machen, um für die Akquise von neuen Mitarbeitern überhaupt interessant zu sein. Deshalb ist es für mich ein sehr großes Lob, wenn Mitarbeiter über Jahre dabei sind.
Wie kommt man in einer Lebensphase, in der andere Jungs Fußball spielen oder nur die ersten Verliebtheiten im Kopf haben, auf die Idee Koch zu werden?
Ich hatte eine Tante Berta, bei der habe ich schon als Sechsjähriger während der Kinderbetreuung rumgeschnippelt und im Topf gerührt. Das konnte aber natürlich niemand essen, ich habe nur irgendwie mitgeholfen. Mein kleines Messer von damals habe ich übrigens immer noch. Nachdem Tante Berta gestorben war, kam erst mal lange nichts und dann tatsächlich in den Achtzigern „Essen wie Gott in Deutschland“, eine der ersten Kochsendungen im Fernsehen. Die habe ich sehr gern geguckt und dann manches nachgekocht für meine Eltern. Das hat nicht immer, aber immer öfter ganz gut geklappt. Und ich hatte Spaß daran. In der Familie gab es auch noch eine Konditorei, wenn nicht Koch wäre ich wohl Konditor geworden.
Was gab letztlich den Ausschlag?
Sicher das Schulpraktikum in einer Hotelküche. Mein Vater hatte seine eigene Goldschmiede und hätte gern gesehen, dass ich die übernehme. Aber das stille Arbeiten allein war nichts für mich. Ich brauchte Leben um mich herum, wollte mit Menschen zusammenarbeiten, wo es auch mal ein bisschen turbulent zugeht und Action ist. Das habe ich in der Hotelküche gefunden. Da wurde laut annonciert, mit Töpfen gescheppert, da war Leben, das hat mich begeistert.
Wie wichtig war und ist es für Sie, Sterne-Koch zu sein?
Für mich ist es vor allem sehr wichtig, das Maximale aus dem Beruf herauszuholen. Wenn das in Gourmet- und Sterne-Gastronomie mündet, ist das sehr schön. Aber ich bin in die Sterne-Küche praktisch durch Zufall reingerutscht. Beim ersten Vorstellungsgespräch wurde mir viel von Sternen und Punkten erzählt, aber das hat mir damals nichts gesagt. Ich wollte vor allem lernen. Nach meiner Lehre fing ich in einem Hotel in München an und merkte schon nach zwei Wochen, dass ich nichts lerne. Ich musste was anderes machen. Bei Otto Koch im „Le Gourmet“ habe ich dann zum ersten Mal Artischocken geputzt. Das kann man zwar erklären, aber man muss es sehen, selbst machen, korrigiert werden. Ich habe sofort gemerkt, hier werden Sachen gemacht, von denen ich noch nichts gesehen hatte. Der Stern war mir dabei gar nicht so sehr bewusst.
Ihre Kochkunst sei „fantasievoll, aber pur“, heißt es. Klingt das nicht eigentlich eher gegensätzlich?
Nein, pur ist es, wenn man auf dem Teller erkennt, was man isst. Das war früher durchaus nicht immer so. Da wurde zum Beispiel die gute Lachsterrine mit Salatbouquet irgendwann abgelöst durch eine sehr moderne Küche mit Stickstoff und Verkapselungen, bei denen der Gast überlegen musste, was er da eigentlich isst. Inzwischen gibt es eine Art Rückbesinnung auf traditionelle und regionale Küche, die auf ein besonderes Niveau gehoben wird. Das heißt, dass auch mal wieder was im Blätterteig gemacht oder ein Soufflé angeboten wird. Pur ist dabei, wenn ich ein Produkt besonders herausstelle: Zum Beispiel einen Rehrücken im Blätterteig als eine Art „Wellington“, nur eben nicht vom Rind, der durch eine besondere Soße oder Beilage kreativ begleitet wird. Statt klassischem Sellerie-Püree vielleicht mit einer Rotkohlcreme. Dann kriegt das einen eigenen Twist.
Wie groß ist die Konkurrenz unter Sterne-Restaurants und Kollegen?
Eigentlich gibt es in Hamburg sogar zu wenig Konkurrenz, wenn ich mir zum Beispiel München oder Berlin ansehe, wie viel besternte Restaurants es da gibt. In Hamburg ist die Entwicklung in den letzten Jahren tendenziell eher zurückgegangen.
Weil viele Ihrer Kollegen über zu viel Stress geklagt haben und den Kochlöffel deshalb aus der Hand gegeben haben?
Den Stress mache ich mir ja selbst, wenn mir ein Betrieb nicht reicht, sondern ich noch einen zweiten aufmache und irgendwann dann noch ein drittes Restaurant. Dann muss ich mir natürlich überlegen, ob ich das schaffe. Ich denke, wenn ich mich auf einen Betrieb konzentriere, ist das mit dem Stress eine beherrschbare Sache. Schwierig sind und bleiben natürlich immer unsere Arbeitszeiten. Meine Partnerin wünscht sich auch, dass ich häufiger mal vor 23 Uhr oder Mitternacht zuhause bin und dass ich vielleicht nicht unbedingt bis zum 67. Lebensjahr arbeite.
Wann ärgern Sie sich über sich selbst oder das Team mal so richtig?
Wenn die Ware falsch kommt, weil die Karte ja geschrieben ist und der Lieferant haargenau weiß, was wir haben wollen. In der Küche können sie eigentlich alles reparieren und wir fragen schon bei der Reservierung ab, ob es etwas Besonderes zu beachten gibt: kein Fisch, kein Fleisch, kein Gluten oder keine Nüsse zum Beispiel. Wir backen mittlerweile sogar glutenfreies Brot selbst. Auf so was stellen wir uns alles ein.
Wer kocht bei Ihnen Zuhause und was?
Tatsächlich an meinen freien Tagen eigentlich ich. Meine Partnerin hat eine IT-Firma und ist hervorragend in allen technischen Angelegenheiten. Für alles, was mit bohren, dübeln, reparieren zu tun hat, ist sie zuständig. Wir haben eine komplette Umverteilung der klassischen Rollen. Ich bügele unheimlich gern, dabei kann ich super entspannen, ich wasche oder koche. Am Wochenende gern mal ein schönes Gemüsecurry mit einem Stück Fisch und Basmatireis oder ein kleines Wiener Schnitzelchen.
Zur Person
Seine Karriere in dem aufreibenden Job ist bemerkenswert. Seit über 20 Jahren leitet Christoph Rüffer (50) bereits den Gourmettempel im Hamburger Nobel-Hotel „Vier Jahreszeiten“ an der Binnenalster. Er startete 2002 gleich mit einem Michelin-Stern. Seit inzwischen zehn Jahren sind daraus zwei der begehrten Sterne geworden. Dazu bekommt er Spitzenwerte vom Gault&Millau mit fünf Kochmützen und in anderen Feinschmecker-Rankings. Inzwischen zählt er zu den höchstdekorierten Küchenmeistern der Republik.
Rüffer war gerade mal 16 Jahre alt, als er sich 1989 für eine Kochausbildung in Essen entschied. Er lernte bei den besten der besten Sterne-Köche, wie zum Beispiel Otto Koch in München oder Harald Wohlfahrt in Baiersbronn. Seinen ersten Michelin-Stern erkochte er 1999 als Küchenchef im „Fährhaus Munkmarsch“ auf Sylt. Er ist „Koch des Jahres 2014“ und häufig als Juror in der TV-Sendung „Küchenschlacht“ zu sehen.