Neuer Hafen-Chef beklagt Verschlickung in Borstel

Bernd Sänger ist der neue Vorsitzende des Vereins Borsteler Hafen. Sein Ziel: Maritime Geschichte und Naturerlebnis verbinden. Fotos: Vasel
Führungswechsel beim Verein Borsteler Hafen: Bernd Sänger aus Jork-Borstel ist der neue Vorsitzende. Der ehemalige Automobil-Manager will das Naturerlebnis mit der Vermittlung der maritimen Geschichte verbinden. Doch die Verschlickung bedroht Fische und Vögel. Die Artenvielfalt schwindet.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Seit dem Jahr 2003 setzt sich der Verein Borsteler Hafen für die Bewahrung des maritimen Erbes ein. Eberhard Becker, Vorgänger von Bernd Sänger, kümmert sich als Vorsitzender der Maritimen Bürgerstiftung Niederelbe weiter um den Erhalt der im Jahr 1893 in Holland gebauten und von 1925 bis 1938 von dem Obstbauern Johann Barfels aus Höhen zum Transport von Obst von der Lühe zum Markt am Hamburger Messberg genutzte Tjalk „Annemarie“. Sven Heinsohn, CDU-Ratsherr und Geschäftsführer der Global Fruit Point GmbH, bringt sich als 2. Vorsitzender des Hafenvereins ein.
Artenvielfalt und Annemarie in Gefahr
Die Verschlickung des Hafens und der Borsteler Binnenelbe bereitet den Altländern weiterhin große Sorgen. Die stiftungseigene „Annemarie“ liegt im Schlick. Der Unterboden könnte bei Frost beschädigt werden, wenn das schwimmende Denkmal festfriert. Das Unterwassergebirge wächst stetig, seit der Elbvertiefung von 1999 um rund 70 Zentimeter. Der Schiffsanleger wurde durch die wachsenden Schlickberge – die Halterungen wurden herausgerissen – wiederholt beschädigt. Ohne Bagger müsste sich die Stiftung irgendwann einen neuen Hafen für das Schiff suchen, wird der Stiftungsvorsitzende Becker nicht müde zu betonen. „Der Borsteler Hafen und die Binnenelbe müssen endlich ausgebaggert werden“, betont Sänger.
Der naturbegeisterte ehemalige CDU-Ratsherr sorgt sich auch um Flora und Fauna – der Bereich liegt im Naturschutzgebiet „Elbe und Inseln“. Der Fischlaich habe keine Chance mehr, er sinke im sauerstoffarmen Schlick ein und ersticke. Das bleibt nicht ohne Folgen. Sänger: „Ich habe festgestellt, dass es immer weniger Vögel gibt.“ Sie haben sich aus dem Staub gemacht, weil sie sich nicht mehr den Magen mit Fisch vollschlagen können. Auch der Fischotter, der regelmäßig die schöne „Annemarie“ besucht, sei verschwunden.
Vögel wie Gänsesäger, Grau- und Silberreiher, Haubentaucher, Kormorane, Lachmöwen, Nilgänse, Reiher- und Stockenten, Bläss- und Teichhühner, Rallen, Bachstelzen und Brandenten sowie Eisvögel habe er früher in deutlich größerer Zahl beobachten und fotografieren können. „Das ist vorbei“, sagt der Hobby-Ornithologe. Wer die Artenvielfalt erhalten oder wiederherstellen wolle, der müsse baggern.
Neuer Vorsitzender mahnt Ausbaggern an
Die Darstellung und die Vermittlung der Geschichte der Altländer Schifffahrt bleibe der Schwerpunkt der Arbeit – weiter in enger Zusammenarbeit mit Eberhard Becker, der mit seinem profunden Wissen und seiner Tatkraft das maritime Erbe für die Zukunft gesichert habe. Sänger will einen weiteren Schwerpunkt auf das Naturerlebnis legen. Zusätzlich zu Tafeln mit den Infos zur Geschichte, will Sänger auch über die Flora und Fauna informieren. Die Dampferbrücke, bislang in einem Urwald verborgen, könnte restauriert werden und als Plattform zur Beobachtung der Vogelwelt dienen. Des Weiteren würde er es begrüßen, wenn eine Wegeverbindung bis zur Binnenelbe geschaffen werden könnte.
Sänger setzt auf den im Frühjahr geplanten Runden Tisch mit Gemeinde, Kreis, Bürgerstiftung und Unterhaltungsverband. Auch ins Wasser gestürzte Bäume sollten entfernt werden, um Dalben, Tjalk und Be- und Entwässerung nicht zu gefährden. Denkmal- und Naturschutz sowie Obstbau, die Binnenelbe ist ein Reservoir für die Beregnung der Apfelbäume zum Schutz gegen Frost und Sonnenbrand auf 2000 Hektar, hätten letztlich die gleichen Interessen.
Der Hafen, urkundlich erstmals 1651 erwähnt, entstand nach dem Untergang von Zesterfleth bei der Sturmflut 1412. Im 19./20. Jahrhundert ankerten hier bis zu 70 Schiffe, um Obst oder Ziegel zu laden. 1970 wurde der Hafen durch den Bau des neuen Hauptdeiches von der Elbe abgetrennt – eine Folge der Sturmflut von 1962. Der Hafen ist ein wichtiger Stopp für Touristen, bis zu 2200 Besucher gingen vor dem Einbruch durch Corona bei Vorträgen und Konzerten an Bord der Tjalk. Für die weitere Aufwertung des Hafens hofft Sänger auf Fördermittel der Leader-Region „Altes Land und Geestrand“, die 2023 bis 2027 fließen könnten.

Die alte Dampferbrücke des Borsteler Hafens liegt versteckt hinter wilden Brombeeren. Idee: eine Aussichtsplattform für Naturerlebnis schaffen.

Brandenten lieben den Stopp an der Binnenelbe. Foto: Sänger


