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Airbus: Keine Kündigungen bis 2030 – Freude in Betrieben groß

Ein Airbus-Techniker arbeitet in einem Rumpfsegment der Airbus A320-Familie in Finkenwerder (Archivbild). Foto: Charisius/dpa

Ein Airbus-Techniker arbeitet in einem Rumpfsegment der Airbus A320-Familie in Finkenwerder (Archivbild). Foto: Charisius/dpa

Der Konflikt um den Konzernumbau ist gelöst. Bis spät in die Nacht tagten die Verhandlungsdelegationen im Maritim-Hotel am Hamburger Airport – mit Erfolg: Die Beschäftigen sind bis 2030 vor Kündigungen sicher. Ein Investor für die Teilefertigung könnte gefunden sein.

Von Wolfgang Stephan Dienstag, 01.02.2022, 16:45 Uhr

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Um 4.55 Uhr am frühen Dienstagmorgen war die Einigung perfekt und der seit neun Monate schwelende Streit bei Airbus gelöst. Die Tarifpartner gaben sich im Radisson Blu-Hotel am Hamburger Airport die Hand. Auf Sekt am frühen Morgen wurde verzichtet, an lobenden Worten fehlte es nicht: „Das ist ein Aufbruch in die Zukunft, wir haben einen neuen Geist gespürt“, kommentierte der Airbus-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jan-Marcus Hintz das Ergebnis.

Knapp fünf Stunden nach der Einigung gab es auch dieses Novum: Die Geschäftsführung und die Arbeitnehmervertreter erläuterten in einer gemeinsamen Pressekonferenz die getroffene Einigung. Schon der erste Satz von Lars Immisch, Personalchef von Airbus und Verhandlungsführer des Konzerns ließ einen neuen Geist erahnen: „Ich möchte mich für die konstruktive Atmosphäre in der Verhandlung bedanken.“

IG Metall ringt Airbus Beschäftigungssicherung für das Jahrzehnt ab

Dass am Morgen die Tarifkommission der IG Metall den ausgehandelten Kompromiss einstimmig abgesegnet hat, belegt ein gutes Verhandlungsergebnis aus der Sicht der Arbeitnehmervertreter, wobei der Konzernbetriebsratsvorsitzende Holger Junge nicht von „Gewinnern oder Verlierern“ reden wollte. „Wir hatten eine schwere und harte Auseinandersetzung und sind auf beiden Seiten froh, dass wir eine Lösung gefunden haben.“

Die Vereinbarungen sind in einem neuen Zukunftstarifvertrag festgeschrieben, mit dem die Bedingungen zur Neustrukturierung bei Airbus geregelt werden. Danach kann Airbus-Deutschland jetzt eine neue Tochtergesellschaft gründen, in der die Produktion und die Montage von Flugzeugrümpfen gebündelt und von einer neuen Führung gemanagt wird.

Wasserstoffflieger: Airbus entwickelt das Flugzeug der Zukunft

Diese neue Struktur soll einerseits für den Hochlauf aber noch viel mehr für die Neuentwicklung eines Flugzeuges der Zukunft gebraucht werden, das mit dem Wasserstoffantrieb auch eine veränderte Flugzeugarchitektur haben wird, denn die Wasserstofftanks sollen vorwiegend im Rumpf untergebracht werden, im Gegensatz zu den herkömmlichen Kerosin-Tanks in den Flügeln.

In diese neue „Aerostructure GmbH (ASA)“, deren endgültiger Name in den nächsten Wochen gefunden werden soll, werden die Werke Nordenham (Premium Aerotec) und Stade ganz und Teile von Finkenwerder und Bremen einfließen. Alleine aus Finkenwerder wären das 4500 Beschäftigte, die in dem neuen Unternehmen mit gut insgesamt 10.000 Beschäftigte arbeiten sollen. Sitz der Tochtergesellschaft wird Finkenwerder sein.

Mittelfristige Zukunft für Airbus-Werke in Stade, Buxtehude und Finkenwerder geklärt

Für die Arbeitnehmer waren zwei Punkte in den Verhandlungen besonders wichtig: Eine Beschäftigungsgarantie, denn der alte Zukunftstarifvertrag aus dem Jahre 2012, der die Beschäftigung für die Stammbelegschaft sicherte und den Einsatz der Leiharbeit begrenzte, lief Ende 2020 aus. Der jetzt abgeschlossene neue Tarifvertrag gilt sogar ein Jahr länger bis Ende 2030. Dazu gab es die Zusagen des Konzerns, für den Erhalt und Weiterentwicklung der einzelnen Standorte bis Ende 2030 und eine Beteiligung am Prozess bei der Entwicklung zukünftiger Flugzeugprogrammen. Auch in Frankreich wurde bereits ein neues Sektionsmontage-Unternehmen („Airbus Atlantic”) zum 1. Januar 2022 gegründet.

Die mittelfristige Zukunft für die Beschäftigten an der Elbe ist damit geklärt, die Endmontagelinien, das Auslieferungszentrum und Teile der Entwicklung (mit den 450 Arbeitnehmern im Werk Buxtehude) verbleiben mit bald 13.000 Beschäftigten in der Airbus Operation GmbH in Finkenwerder.

Airbus-Geschäftsführer Andre Walter (von links), Lars Immisch, Konzernpersonalleiter, und Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste, erklären gemeinsam die Einigung. Foto: Christian Charisius/dpa

Airbus-Geschäftsführer Andre Walter (von links), Lars Immisch, Konzernpersonalleiter, und Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste, erklären gemeinsam die Einigung. Foto: Christian Charisius/dpa

Autozulieferer aus NRW will Teilefertigung von Airbus übernehmen

Noch nicht endgültig geklärt ist die Zukunft der Premium-Aerotec-Werke in Augsburg und Varel, für die weiterhin eine Investorenlösung angestrebt wird. Der gesamte PAG-Standort Augsburg und das Werk Varel (zusammen 3500 Beschäftigten) könnten demnach von einem Investor übernommen werden: Der Autozulieferer „Mubea“ ist ein mittelständisches Familienunternehmen mit rund 10.000 Beschäftigten in Attendorn im südlichen Sauerland.

„Airbus hat das Angebot von Mubea geprüft und ist davon überzeugt, dass dieses Familienunternehmen der beste Eigentümer für die heutige Einzelteilfertigung wäre“, so Dominik Asam, Finanzvorstand von Airbus. Auch die Betriebsräte ließen deutlich durchblicken, dass sie dieses Angebot ernsthaft prüfen werden. Sollte es keine Einigung geben (die IG Metall müsste dem Verkauf zustimmen), sollen beide Werke neu aufgestellt und bis 2025 in die neue Strukturfertigungstochter eingegliedert werden.

Airbus-Betriebsrat Stade: „Daumen der Kollegen zeigten alle nach oben“

Aus den am neuen Struktur-Unternehmen beteiligten Werken im Norden gab es gestern breite Zustimmung zu dem Verhandlungsergebnis: „Aus Nordenhamer Sicht ist das ein sehr guter Kompromiss, mit dem wir gut leben können“, sagte Michael Eilers, Betriebsratsvorsitzender in dem PAG-Werk. Tamer Yüksel, Betriebsratsvorsitzender im Airbus-Werk Stade: „Es ist geschafft, wir haben ein solides und zukunftsfähiges Konzept beschlossen.“ Als er am Dienstag nach dem Verhandlungs-Marathon ins Werk nach Stade kam, war gerade Schichtwechsel. Yüksel: „Die Daumen der Kollegen zeigten alle nach oben.“

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Mitglieder der IG Metall stehen im Dezember 2021 vor einem Werkstor von Airbus in Hamburg. Foto: Bodo Marks/dpa/Archivbild

Mitglieder der IG Metall stehen im Dezember 2021 vor einem Werkstor von Airbus in Hamburg. Foto: Bodo Marks/dpa/Archivbild

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