„Bunte Kreihn“: Warum plattdeutsches Theater so viel Freude macht

Das Ensemble probt das plattdeutsche Theaterstück „Suur Tieden - Störm in’t Gurkenglas“.
Sie lassen es ihrem Alter entsprechend langsam angehen: Die plattdeutsche Theatergruppe „Bunte Kreihn“ ist gerade 91 Jahre alt geworden. Aktuell macht sie sich Gedanken über ihr nächstes Stück. Planung ist das eine, die Umsetzung das andere.
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Die große Feier zum runden Geburtstag fiel pandemiebedingt aus, nicht aber die Entgegennahme der Auszeichnung Mitte September im Rathaus. Samtgemeinde-Bürgermeister Timo Gerke ehrte langjährige Schauspieler der Gruppe aus Hollern-Twielenfleth.
Die „Bunten Kreihn“ blicken auf mehr als 90 Jahre Bühnenerfahrung zurück. In den vergangenen beiden Jahren mussten die Laienschauspieler leider alles absagen. Einen Einakter brachten sie auf die Bühne, mit wenigen Akteuren. „Wir wollten den Aufwand klein halten, falls wir hätten streichen müssen, waren ja unsichere Zeiten“, erzählt Marlene Plate, die seit gut 30 Jahren dabei ist. So wie die meisten am Tisch.
Es ist die Vielfältigkeit, die die Stadtführerin aus Stade am Theaterspielen reizt. „Dass man sich immer wieder in neue Rollen reinversetzt“, sagt die 56-Jährige. Diese Leidenschaft teilt sie mit den anderen „Schauspielkollegen“, denen in ihrer Freizeit nichts Schöneres einfällt, als plattdeutsche Komödien einzustudieren. Viel zu lange mussten sie pausieren.
Im März fiel eine Vorstellung aus, weil Mitspieler sich mit Corona infiziert hatten. Jetzt sehen die „Bunten Kreihn“ positiv in die Zukunft. Dieses Jahr im März geht’s wieder zur Sache. „Dann sind alle anderen Theatergruppen durch, und die Leute kommen zu uns“, meint Hans-Hermann Cordes verschmitzt. „Früher wurde nach der Ernte im November gespielt, aber das haben wir geändert.“ Der 61-Jährige ist seit 34 Jahren bei den „Bunten Kreihn“ dabei und aktuell Dienstältester. Cordes betont, dass sie gern weitere Mitglieder aufnehmen. Vorkenntnisse seien nicht vonnöten, auch die plattdeutsche Sprache lerne man „by doing“.
Plattdeutsches Theater mit zeitgemäßen Stücken
Marianne Viehbrock (72) beherrscht das Niederdeutsche perfekt. Die Altländerin ist seit 1989 dabei, und es macht ihr immer noch Spaß. Vielleicht weil es keinen Vorstand gibt und jeder gleichberechtigt ist; und weil sie sich alle schon so lange kennen, aber auch weil „man beim Schauspielen so schön abschalten kann“.
So mache Geschichte haben die „Bunten Kreihn“ schon umgedichtet und passend gemacht, sagt Plate. „Da sind wir ziemlich frei in der Interpretation, dann wird aus der Frauenrolle ein Mann.“ Und sie nehmen keine Stücke in ihr Repertoire auf, die schon bekannt sind, weil das zu Vergleichen führt, was sie vermeiden wollen.
„Die Komödien spielen alle in der heutigen Zeit, damit haben wir viel Erfolg“, so Plate. Die Idee in diesem Jahr: Ein Restauranttester kommt in den Hollerner Hof. Kellner Heini ist Feuerwehrmann, hat aber auch im Laden alle Hände voll zu tun - als die Feuerwehrsirene aufheult.
Auch Kulissen und Kostüme begeistern die Zuschauer
Ein besonderes Merkmal sind die Kulissen und die Kostüme. „Da geben wir uns sehr viel Mühe mit, was das Publikum uns dankt.“ Einmal hatten sie ein Schiff aufgebaut, was für viele Ahs und Ohs sorgte.
Und noch ein Alleinstellungsmerkmal: Zum Schluss singen sie gemeinsam mit den Zuschauern das „Bunte Kreihn“-Lied - eine Tradition der Gründungsmitglieder von 1931. Damals hatte der Gesangsverein aus Twielenfleth die Idee, mit Sketchen die Leute zu unterhalten. Daraus wurde nach und nach eine professionelle Theatergruppe, deren Vorstellungen schnell ausverkauft sind.
Und heute, 91 Jahre später? Das nächste Stück wird wieder ein Einakter oder Eineinhalb- Akter - da sind sich die „Krähen“ schon mal einig. Ein Vierteljahr vorher wird geprobt, ein- bis zweimal die Woche. Ohne Regisseur. Das funktioniere hervorragend, denn derjenige, der gerade nicht spielt, gibt den Spielern auf der Bühne die Anweisung. Premiere und alle weiteren Vorstellungen finden in ihrem Stammlokal in Hollern statt. Auch das ist neu, denn früher sind die Kreihn gern ausgeflogen in andere Orte.
Nun dürfen sich die Fans auf das Frühjahr freuen, wenn der Vorhang im Hollerner Hof fällt. Der Kartenverkauf läuft schon. Übrigens: Ein Teil der Einnahmen, aus denen sich die Gruppe finanziert, kam ursprünglich Bedürftigen zugute. Auch heute wird das manchmal so gehandhabt.