Bayern-Blamage: „Sollten uns schämen“ – aber Tuchel soll bleiben

Nächste Niederlage für Serge Gnabry und den FC Bayern München in Heidenheim. Foto: Tom Weller/dpa
Selbst eine 2:0-Führung reichte dem großen FC Bayern nicht. Die Münchner sind am Boden, Noch-Trainer Tuchel in Erklärungsnot. Rivale Leverkusen fehlt ein Sieg zur Meisterschale.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Heidenheim. Max Eberl war nach dem nächsten Tiefpunkt des schwer angeschlagenen FC Bayern München in dieser Saison komplett bedient. „Wir sollten uns heute alle ein Stück weit schämen“, sagte der Sportvorstand des deutschen Fußball-Rekordmeisters nach der 2:3 (2:0)-Niederlage beim Aufsteiger 1. FC Heidenheim am Samstag. „Und wir sollten gucken, dass wir relativ schnell das Bayern-Wappen würdiger vertreten.“
Eberls deutliche Kritik zielte mehr auf die Spieler ab als auf Trainer Thomas Tuchel. Der soll laut den Clubbossen vorerst bleiben. Und im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Arsenal am Dienstag irgendwie den Turnaround schaffen, um die letzte Münchner Titelchance in dieser Spielzeit am Leben zu halten. Nach der Blamage auf der Ostalb fragt man sich mehr denn je, wie das gelingen soll.
Eberl gibt Tuchel Jobgarantie für Kracher gegen Arsenal
„Das ist nicht das Bayern München, das ich kannte“, sagte Eberl, der seinen Job an der Säbener Straße vor wenigen Wochen inmitten größter Unruhe angetreten hat und in Heidenheim von der Tribüne aus mit ansehen musste, wie sich seine Mannschaft nach dem ersten Gegentor noch in einen wilden Schlagabtausch verwickeln ließ und letztlich einmal mehr in sich zusammenfiel. Harry Kane (38.) und Serge Gnabry (45.) hatten die bis dahin souveränen Bayern in Führung gebracht, Kevin Sessa (50.) und Doppeltorschütze Tim Kleindienst (51./79.) das Spiel gedreht.

Thomas Tuchel auf der Bayern-Bank - noch. Foto: Tom Weller/dpa
Er habe nach der Niederlage im Klassiker gegen Borussia Dortmund (0:2) vorige Woche gesagt, dass „wir hier einen Charakter-Test haben“, erklärte Eberl. „Den haben wir in der ersten Halbzeit bestanden, in der zweiten Halbzeit versagt.“ Ihm falle mit Blick auf das Arsenal-Spiel aktuell wenig ein, was Hoffnung macht, gestand der 50-Jährige. Ein erneuter Trainerwechsel soll es aber nicht sein.
Tuchels Ansprache unter der Woche sei „extrem emotional“ gewesen, berichtete Eberl. „Thomas hat alles in diesen Besprechungsraum gelegt. Wenn du dann das zurückbekommst, ist es definitiv nicht das, was Thomas verdient hat.“ Es sei für ihn „völlig klar, dass er am nächsten Dienstag auf der Bank sitzt und am Samstag gegen Köln auf der Bank sitzt“, so der Sportvorstand über den Trainer. Gegen Köln wird Tuchel allerdings fehlen. Nachdem er wegen Meckerns Gelb gesehen hatte, ist der Coach ein Liga-Spiel gesperrt.
Für die Medien gelte „Feuer frei bis Dienstag“
Seine Mannschaft habe in der Phase direkt nach der Pause „alles aus der Hand gegeben, was wir uns vorher aufgebaut haben“ und es „komplett eingestellt, Fußball zu spielen“, bemängelte Tuchel. Sie habe dann noch mal eine „gute Reaktion“ gezeigt. Dass sie in der aufgeladenen Atmosphäre trotzdem noch den endgültigen K.o. und die bereits sechste Liga-Niederlage der Saison kassierten, passte aber ins kümmerliche Bild, das die Bayern derzeit abgeben.

Nach der ersten Halbzeit hätte wohl auch kein Bayern-Profi mehr an diese Wende gedacht. Foto: Tom Weller/dpa
„Dass wir nicht in der besten Phase der Vereinsgeschichte sind, ist allen Beteiligten klar“, sagte Thomas Müller nach seinem 700. Pflichtspiel für die Münchner mit einem Anflug von Sarkasmus. Die Teamkollegen in den Senkel stellen wollte der Routinier aber nicht. Er selbst sei „fast schon wieder im Kampfmodus Richtung Dienstag“, sagte Müller. Auch da werde die Mannschaft „wieder alles geben“, versicherte er. „Es ist nicht so, dass wir mit dem Finger in der Nase bohren und uns alles egal ist.“ In vielen Momenten, so der 34-Jährige, fehle einfach der nötige „Punch“.
Für die Medien gelte „Feuer frei bis Dienstag“, sagte Müller im Wissen, dass neue unangenehme Diskussionen auf den Club, den - Stand jetzt - erst im Sommer scheidenden Trainer und eine in weiten Teilen leblos wirkende Mannschaft zukommen werden. Die Bayern selbst, so Müller, wollen aber „zusammenbleiben“. Und ihren Schlingerkurs auf der Zielgeraden der Saison irgendwie noch mal verlassen.
1:0 bei Union: Leverkusen eilt Meistertitel entgegen
Die Unschlagbaren von Bayer Leverkusen haben ihre Super-Serie ausgebaut und auf dem Weg zum ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte den nächsten Meilenstein gesetzt. Die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso blieb auch im 41. Pflichtspiel der Saison ohne Niederlage und gewann am Samstag beim 1. FC Union Berlin mit 1:0 (1:0). Bei noch sechs ausstehenden Spieltagen ist Leverkusens Vorsprung nahezu uneinholbar. Schon am nächsten Wochenende - im Heimspiel gegen Werder Bremen - kann sich Bayer als Champion feststehen.
Vor 22.012 Zuschauern im Stadion an der Alten Försterei traf Florian Wirtz (45. Minute + 8/Handelfmeter) für die Mannschaft vom Rhein, die nach einem Platzverweis für Unions Robin Gosens (45.+3) lange in Überzahl spielte. Union verpasste einen wichtigen Schritt in Richtung Klassenerhalt, besitzt aber weiter ein kleines Polster auf die Abstiegsränge.
Mit dem Erfolg in Köpenick egalisierte die Werkself zudem einen Bundesliga-Rekord, denn mehr als 28 Partien in Folge blieb innerhalb einer Spielzeit noch nie ein Team unbesiegt. Diese Serien schafften bislang die Bayern 2013/14 mit Trainer Pep Guardiola und der BVB 2011/12 unter Jürgen Klopp.
Schönes Gefühl: Heidenheim-Coach Schmidt verletzt sich bei Jubel
Die Schmerzen nach seinem Jubel beim Siegtreffer gegen den FC Bayern München nahm Frank Schmidt gern in Kauf. „Ich bin ja leider schon links gehandicapt. Dann bin ich weggerutscht und es ist hinten rechts reingefahren. Aber das ist ein schönes Gefühl, endlich mal wieder einen Muskelfaserriss, glaube ich, zu haben“, sagte Heidenheims Trainer bei Sky. Zugleich rief der 50-Jährige seine Spieler ausdrücklich zu einer Party nach der Aufholjagd auf. „Wer heute nicht auf die Piste geht, den schmeißen wir raus“, meinte Schmidt lachend.
„Jeder in der Halbzeit hat gedacht, das Spiel ist vorbei. Und das habe ich genutzt, um die Mannschaft noch mal anzuzünden, und es hat funktioniert“, sagte Schmidt. Der Aufsteiger holte bereits 15 Punkte nach Rückständen.