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Tierschützer

Abstruse Initiative: Diese Redewendungen sollen abgeschafft werden

Peta will Redewendungen wie „Hühnchen rupfen“ abschaffe - und schlägt Alternativen vor.

Peta will Redewendungen wie „Hühnchen rupfen“ abschaffe - und schlägt Alternativen vor. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Verunglimpft man Tiere mit Aussagen wie „ein Hühnchen rupfen“? Tierschützer von Peta sagen: ja - und schlagen Alternativen vor. Diese Ausdrücken stoßen ihnen auf.

Von Christiane Oelrich Samstag, 13.01.2024, 10:15 Uhr

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Althergebrachte Redewendungen, über die man kaum nachdenkt, können diskriminierend sein. Gehört dazu auch „Hühnchen rupfen“ oder „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“? Die Tierschutzorganisation Peta findet: ja. Das sei diskriminierend gegenüber den Tieren. Sie schlägt Alternativen vor: Statt Hühnchen rupfen Weinblätter rollen, statt Fliegen schlagen besser Erbsen auf eine Gabel laden. Peta steht für „People for the Ethical Treatment of Animals“ (Menschen für die ethische Behandlung von Tieren).

Der Vorstoß sei als Denkanstoß gegen die Tierausbeutung gedacht, sagt Biologin Yvonne Würz, bei Peta Fachreferentin Zoo und Zirkus, der Deutschen Presse-Agentur. Die Organisation hat vor zwei Jahren Alternativen für zehn Redewendungen entwickelt. Neben den Weinblättern und Erbsen kommt darin auch Calzone vor: statt „die Katze aus dem Sack lassen“ als Ausdruck für eine Überraschung schlägt sie „die vegane Calzone aufschneiden“ vor.

Wegen Diskiminierung: Redewendungen sollen verändert werden

Es geht um Speziesismus, die Diskriminierung gegen Lebewesen aufgrund ihrer Spezie (Art). Oder, wie der vegan lebende Schauspieler Steffen Groth („Die Bergretter“, „Soko Leipzig“) für Peta in Audiospots sagt: „Speziesismus bedeutet, dass Menschen anderen Tieren alles nehmen, was ihr Leben ausmacht. Wir lassen sie leiden und ermorden sie millionenfach auf grausame Weise, weil unsere Lust auf Fleisch, Leder oder Wolle scheinbar wichtiger ist als ihr Leben.“

Aus der Sprachwissenschaft ist bekannt, dass Denkmuster geändert werden können, wenn die Sprache verändert wird. „Speziesismus ist in so gut wie jeder Hinsicht mit Rassismus und Sexismus vergleichbar, nur sind die Opfer der Diskriminierung halt Tiere statt Menschen“, sagt der Ökolinguist Reinhard Heuberger von der Universität Innsbruck der dpa. „Wenn die Möglichkeit besteht, das Mensch-Tier-Verhältnis über einen geänderten Sprachgebrauch zu verbessern, überwiegen aus meiner Sicht die Vorteile, solche Redewendungen zu ersetzen.“ Erst seit einigen Jahrzehnten finde langsam ein Kulturwandel statt.

Tierschützer fordern: Tiere anders wahrnehmen

„Jahrhundertelang wurden Tiere ausschließlich unter dem Gesichtspunkt betrachtet, welchen Nutzen sie für die Menschen erbringen konnten“, schreibt Winfried Ulrich im Ethik-Buch „Menschen und andere Tiere“ der Philosophin Mara-Daria Cojocaru. Anthropozentrischer Sprachgebrauch heißt das: „Der Mensch gilt als das „Maß aller Dinge“ und Tieren kommt nur insoweit Bedeutung zu, wie sie direkt oder indirekt menschlichen Interessen dienen“, so Heuberger. Ulrich bringt Beispiele, wie Tiervergleiche seit jeher für negative Charakterisierung der Menschen genutzt werden: etwa „dumme Gans“, „Rabeneltern“, „hundeelend“, „affig“, „krebsen“.

Schon die Bezeichnungen Nutztiere oder Schädlinge seien diskriminierend, sagt Peta-Fachfrau Würz. „Wir lernen dieses Denken von Kindesbeinen an und empfinden Speziesismus daher oft unbewusst als selbstverständlich. Diese Haltung ist aus unserer Sicht jedoch falsch, denn sie wurzelt in der Ausbeutung anderer Lebewesen“, sagt sie. Der Ausdruck „Tierbesitzerin“ reduziere das Tier auf einen Gegenstand, „so als wäre das Individuum ein lebloser Gegenstand, wie etwa ein Tisch oder ein Stuhl“. Tierhalterin sei besser, sagt sie.

Auch englische Redewendungen im Fokus

Heuberger sagt, Ökolinguistinnen und -linguisten seien sich der Gefahr bewusst, als Political-Correctness-Aktivisten abgestempelt zu werden. Mit politisch korrekter Sprache ist gemeint, keine Ausdrücke zu verwenden, die jemand anders als beleidigend oder herabwürdigend empfinden könnte. Es gibt auch eine Gegenbewegung, die solche Änderungen als Zensur oder Sprechverbote anprangert.

Weinblätter rollen statt Hühnchen rupfen - besteht da die Gefahr, dass Menschen, denen Tierwohl sehr wohl wichtig ist, aussteigen, weil es ihnen zu weit geht? „Absolut“, sagt Heuberger. „Wenn man den Menschen aber erklärt, dass es primär um Bewusstseinsschaffung geht, sind sie meistens bereit, sich damit auseinanderzusetzen.“ Es gehe bei der Sprachkritik ja nicht um Verbote. „Das geht für viele zu weit und ist aus meiner Erfahrung nicht zielführend.“

Bei englischen Redewendungen hat Peta teils pfiffige Lösungen gefunden, die näher am Original sind. „Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ heißt auf Englisch: „Kill two birds with one stone“. Die vorgeschlagene Alternative: „Feed two birds with one scone“ - auf Deutsch: statt „Zwei Vögel mit einem Stein töten“ neu „Zwei Vögel mit einem Gebäck füttern“. Eine Linguistin hat 2023 untersucht, wie zielführend das ist, und kommt zu dem Schluss, dass die ähnlich klingenden Ausdrücke mehr Chancen haben, angenommen zu werden. Sie warnt in der Zeitschrift „Acta Linguistica Lithuanica“ davor, dass Vorstöße, Redewendungen zu verändern, für die Tierrechtsbewegung auch nach hinten los gehen könnten, wenn solche Ansinnen als zu radikal oder weltfremd empfunden werden.

Update für den Werbe-Warntext: „Fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt“

Ganz ohne Aussicht auf Erfolg scheint die Tierschutz-Initiative nicht zu sein - wie das jüngste Beispiel der Gender-Debatte zeigt. Im Sommer beschloss der Bundestag ein Update für den Pflichthinweis in der Medikamentenwerbung. Nach einer Übergangszeit trat diese am 27. Dezember in Kraft.

Statt wie seit 30 Jahren „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ heißt es nun:

„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“. Damit solle gleichstellungspolitischen Aspekten Rechnung getragen werden, erklärte das Bundesgesundheitsministerium zur Begründung im Entwurf. Der bestehende Hinweis sei „seit Jahren wegen der Verwendung des generischen Maskulinums Gegenstand von Diskussionen“ gewesen. Und nachfragen kann man ja nicht nur bei männlichen Fachleuten.

In den Werbespots wurde der Hinweis schon bisher schnell gesprochen. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller gab denn auch in einer Stellungnahme zu den Plänen zu bedenken, der neue, etwas längere Satz sei nicht innerhalb der „etablierten Zeitspanne von vier Sekunden professionell sprechbar“. Kurz vor dem offiziellen Inkrafttreten war die künftige Gesetzesvorgabe bei Pharmaverbänden nun aber kein Thema.

Das Ministerium erläuterte, dass bei den Unternehmen „ein einmaliger Umstellungsaufwand“ entstehe, der jedoch gering ausfallen sollte. Dazu kommen könnten dann gegebenenfalls höhere Werbekosten wegen „des geringfügig verlängerten Textes, der in der audiovisuellen Werbung zu sprechen ist“. Die Änderung greift auch Forderungen von Berufsverbänden auf. Denn Ärztinnen und Psychotherapeutinnen kommen in den Praxen auf einen zusehends größeren Anteil. Zusammengenommen überschritt der Frauenanteil erstmals die 50-Prozent-Marke und lag bei 50,7 Prozent, wie das Bundesarztregister Ende 2022 ergab. (dpa)

P
Peter Bardenhagen
13.01.202419:35 Uhr

.. oder Ärztin.

H
Hans-Heinrich Dede
13.01.202414:54 Uhr

Ich sage nur, manche sollten dringend mal einen Arzt aufsuchen.

M
Michael Paege
13.01.202413:44 Uhr

Oha... Damit schießt PETA den Vogel ab! ;o)

T
TheoSoltau web
13.01.202413:28 Uhr

Das ist ja total lustig.
Vielleicht werden demnächst ja auch noch
die Familiennamen der Bürger geändert.
Als wenn es sonst keine Probleme zu lösen
gibt.

D
Doris Hidde
13.01.202413:16 Uhr

Der 1.April ist doch noch gar nicht!

J
Jochen Mextorf antwortete am
16.01.202414:54 Uhr

Dieser Schwachsinn ist nicht terminiert und bleibt allgegenwärtig.

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