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Sanierung

Agathenburger streiten um Kruzifix in der Gedächtniskapelle

Bedrohlich oder tröstend: das große Kruzifix in der Ria-zum-Felde-Gedächtniskapelle in Agathenburg.

Bedrohlich oder tröstend: das große Kruzifix in der Ria-zum-Felde-Gedächtniskapelle in Agathenburg.

Die 70 Jahre alte Ria-zum-Felde-Gedächtniskapelle in Agathenburg muss saniert werden. Ob der Altarraum dabei umgestaltet und das große Kruzifix durch ein einfaches Kreuz ersetzt werden soll, ist in der Kirchengemeinde umstritten.

Von Sabine Lohmann Donnerstag, 09.03.2023, 08:00 Uhr

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Die Ria-zum-Felde-Gedächtniskapelle in Agathenburg wurde von Hans und Sophie zum Felde 1953 erbaut - zum Gedenken ihrer Tochter Ria, die am 6. Juli 1952 starb. Entworfen wurde die Backsteinkapelle vom landeskirchlichen Konsistorialbaumeister Prof. Ernst Witt, geweiht wurde sie durch den Landesbischof im Oktober 1953. Nun soll sie saniert werden: Die Elektrik, die Heizung und die Beleuchtung werden erneuert, die Wände gestrichen und die Orgel gereinigt und überholt. Bei der Planung stellte sich die Frage, wie der Altarraum gestaltet werden soll. Auf der Webseite der St.-Wilhadi-Kirchengemeinde, zu der Agathenburg gehört, wurden neun Schülerentwürfe zur Diskussion gestellt.

Das sagen die Pastorin und ihr Vorgänger

Pastorin Claudia Brandy möchte das „sehr große, dunkle Kruzifix“, das den Altarraum dominiert, ersetzen. Denn für sie steht der gekreuzigte Christus für sein Leiden und Tod. Die christliche Botschaft der Auferstehung, der Hoffnung und des Lebens sollte stärker erkennbar sein, sagt sie. Ein schlichtes, kleineres Kreuz als christliches Symbol wäre an der Stelle angemessen.

Pastorin Claudia Brandy möchte das bedrohlich wirkende Kruzifix durch ein Kreuz ersetzen.Foto: Lohmann

Pastorin Claudia Brandy möchte das bedrohlich wirkende Kruzifix durch ein Kreuz ersetzen.Foto: Lohmann

Ihr Vorgänger Pastor Peter Golon setzt sich dagegen dafür ein, den Innenraum der Kapelle in der von Familie zum Felde gewünschten Gestalt zu erhalten. „Schon aus Respekt vor den Stiftern und deren Stiftungsgedanken sollte das Kruzifix als das zentrale Kunstwerk des Gotteshauses seinen Platz behalten“, schrieb er dem Kirchenvorstand. Die Gestaltung des „sakralen Qualitätsbaus“ hält er für stimmig.

Viele Agathenburger befürworten Kruzifix

Dass Pastor Golon mit seiner Meinung nicht allein steht, wurde jetzt bei einem Gespräch im Brunnenhof deutlich, zu dem der Kirchenvorstand eingeladen hatte. 23 saßen in der Runde und diskutierten engagiert.

Kruzifix-Befürworter waren deutlich in der Mehrheit, die meisten lehnten eine Veränderung ab. Kruzifix-Gegner meldeten sich kaum zu Wort. Dass es sie aber gibt, wurde immer wieder betont. „Viele wollen eine Veränderung“, so Pastorin Brandy. Die Kreuzigungsszene sei für viele schwierig, das Kruzifix erzeuge Angst. Der Gekreuzigte sei furchterregend, sagte eine Frau. Als Kind habe sie ihn als bedrohlich empfunden, heute könne sie die Auferstehung mitdenken.

Auch der neue Vikar Jonas Milde empfindet das große Kruzifix als dominant. Bei einem Gespräch vor vier Wochen mit Gemeindegliedern sei darüber geredet worden, was ihnen am Glauben wichtig sei, erzählte er. Was mit Bildern oder Symbolen sichtbar werden sollte: Gemeinschaft, Zuversicht, Engagement für den Nächsten, Hoffnung, Versöhnung, Zuversicht, Stärke, Frieden.

Cornelia Marschewski möchte mit dem Kruzifix die Tradition bewahren und das Erbe erhalten. Foto: Lohmann

Cornelia Marschewski möchte mit dem Kruzifix die Tradition bewahren und das Erbe erhalten. Foto: Lohmann

Das überzeugte die Runde nicht. Viele wollen auf das Kruzifix nicht verzichten. Ihre persönliche Geschichte und Erfahrung mit der Kapelle spielt dabei eine große Rolle. Das gesamte Ensemble „muss so bleiben, wie es ist“, hieß es. Das Kruzifix sei groß, aber stimmig und schön, architektonisch fantastisch und ein wichtiger Teil der Kapelle. Wenn die Sonne scheint, sei das Lichtspiel wundervoll. Für sie ist die Kapelle „etwas Besonderes, edel, schlicht, auf’s Wesentliche reduziert“, ein „wichtiger Ort, der uns alle geprägt hat“.

Dass der Gekreuzigte für andere schwer zu ertragen ist, stößt bei ihnen auf Unverständnis. Die Kreuzigung sei für Christen zentral, der Gekreuzigte sei „für uns gestorben“. Angst haben sie nie gehabt, den Gekreuzigten haben sie nie als bedrohlich empfunden. Im Gegenteil: Sie fühlen sich mit dem Kruzifix wohl, die Kapelle empfinden sie als ein Ort der Sicherheit und Beständigkeit. Das Bedürfnis, an Vertrautem festzuhalten, ist groß: Es gebe Halt und tröste in Zeiten von Krieg und bedrohlichem Klimawandel. Kritisiert wird auch, dass Geld für „unnötige Sachen“ ausgegeben werden soll.

Kirchenvorsteherin Anette Hoffmann möchte, dass beide Seiten ergebnisoffen diskutieren.Foto: Lohmann

Kirchenvorsteherin Anette Hoffmann möchte, dass beide Seiten ergebnisoffen diskutieren.Foto: Lohmann

Mit der Tradition und der Entstehungsgeschichte der Kapelle wurde ebenfalls argumentiert. Das Gebäude müsse im Sinne des Erbauers erhalten werden: als Gedächtniskapelle, mit der an den Verlust der Familie zum Felde erinnert werde. Ein Mann plädierte dafür, nur das Notwendige zu erneuern, denn eine Mehrheit für eine Veränderung könne er nicht erkennen. Auch Pastor Götz Brakel „verspürt und sieht keinen Änderungsdruck“.

Kirchenvorstand: Kirche muss in Bewegung bleiben

Die Kirchenvertreter baten darum, ergebnisoffen im Gespräch zu bleiben, aufeinander zuzugehen, einander wertzuschätzen und zumindest über den Wandel nachzudenken. Kirche müsse sich ändern, erneuern, moderner und lebendiger werden, in Bewegung bleiben, waren sie sich einig. Jede Generation habe andere Ausdrucksformen, nachfolgende Generationen müssten nicht alles bewahren.

Noch sei nichts entschieden, sagte Pastorin Brandy. Wenn das Dorf geschlossen gegen eine Veränderung sei, werde der Kirchenvorstand nicht anders entscheiden. Sie bezweifelt aber, dass das Kruzifix „die einzige stimmige Lösung ist“, dass „alles so bleiben muss, wie es ist“ - und würde deshalb gern zwei professionelle Entwürfe in Auftrag geben.

Ein Entwurf mit einem schlichten, hellen Kreuz.

Ein Entwurf mit einem schlichten, hellen Kreuz.

Bedrohlich oder tröstend: das große Kruzifix in der Ria-zum-Felde-Gedächtniskapelle in Agathenburg.

Bedrohlich oder tröstend: das große Kruzifix in der Ria-zum-Felde-Gedächtniskapelle in Agathenburg.

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