„Alter Falter“ im Natureum: Staunen über Flöhe, Zikaden und ihre Rekorde

Beeindruckende Facettenaugen: Die Ausstellung „Alter Falter“ zeigt, wie Insekten sehen, hören, sich verständigen, leben - und was sie bedroht. Foto: Natureum
Sie täuschen, springen und fliegen meisterlich. „Alter Falter“ heißt die neue Insekten-Ausstellung über Artenvielfalt auf sechs Beinen. Sie lädt zum Staunen ein.
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Balje. Der Titel ist passend gewählt. Der erstaunte Ausruf „Alter Falter“ schwirrt in der Ausstellung immer irgendwo im Hinterkopf. Das Natureum-Team lädt in Balje ein, die bunte und faszinierende Welt der Insekten und damit „Artenvielfalt auf sechs Beinen“ zu entdecken.
Alter Verwalter!: Das einfallsreiche Team des Natureums hat die neue Sonderausstellung konzipiert und aufgebaut. Mit vielen Mitmachstationen, Rätselfragen und extra Erklärungen für Kinder. Lars Lichtenberg, Geschäftsführer des Natureums, ist selbst sichtlich begeistert. „Ein wirklich wichtiges Thema.“

Die Faszination der Insekten hat auch ihn erwischt: Lars Lichtenberg, Leiter des Natureums Niederelbe, zwischen den Gräsern der Wiese. Foto: Klempow
Zwischen grünen Stoffbahnen fühlen sich Besucher wie zwischen den Gräsern einer Wiese - eine maßstabsgetreue Riesen-Libelle schaut von der Decke, eine dicke Motte umkreist eine Laterne und ein Grashüpfer hockt regungslos auf dem Grün. Die Exponate kommen aus dem 3D-Drucker.
Mein lieber Freund und Kupferstecher!: Lange vor 3D-Drucker oder gar Fotos liegt die Zeit der ersten Insekten-Forscher. Maria Sibylla Merian, geboren 1647 in Frankfurt am Main, war eine dieser Forscherinnen. Sie entstammte einer Familie von Kupferstechern und Künstlern.
In Skizzen hielt sie die Metamorphose von Raupen fest und veröffentlichte dazu 1679 ihr erstes Buch: „Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung“. Das Natureum zeigt dazu Schaukästen mit Insekten aus dem Fundus und Nachdrucke von Skizzen.
Mein lieber Herr Gesangsverein!: Das Insektenorchester spielt mit Vielfalt. Der Gemeine Grashüpfer hat eine Schrillleiste am Hinterbein und eine Schrillkante auf dem Vorderflügel. Die Männchen der Feldgrille spielen ihr Tonmuster über das rhythmische Absenken der Flügel. Der Totenkopfschwärmer fabriziert seine Töne über eine bewegliche Falte im Rachen und die Ruderwanze erweist sich als erstaunlich laut. Die Ausstellung lädt ein in die Insektenoper - die Besucher dürfen auf Knopfdruck den Singzikaden oder dem Gesang des Nachtigall-Grashüpfers lauschen.

Das Team im Natureum Niederelbe hat die Insekten-Ausstellung konzipiert und gebaut - die Riesen-Libelle schwebt künftig über der "Wiese", die die Besucher aus der Insektenperspektive durchsteifen können. Foto: Natureum Niederelbe
Mein lieber Schwan!: Eigentlich dürfte eine Hummel gar nicht fliegen können. Sie ist ein gutes Beispiel für den Insektenflug, der sich von allen anderen flugfähigen Tiergruppen unterscheidet. Die Steinhummel lässt sich von ihrer scheinbar unmöglichen Aerodynamik nicht beeindrucken, schlägt ihre Flügel trotzdem bis zu 200-mal pro Sekunde - und fliegt. Ein einziger Nervenimpuls sorgt bei Gnitzen gleich für mehrere Flügelbewegungen - bis zu unglaubliche 1000-mal in der Sekunde.
Wissenschaft für jedermann
Forschungsaufruf: Bilder von Hummeln einsenden
Alter Falter!: Lange galt der Monarchfalter als größter Weltenbummler unter den Insekten. Der kleine Schmetterling legt jedes Jahr über 3500 Kilometer zurück, flattert aus Kanada und dem Nord-Osten der USA zum Überwintern bis nach Mexiko. Im Frühjahr fliegt er wieder zurück. Forscher sind nun aber der Wanderlibelle auf der Spur und vermuten, dass sie den Monsunwinden folgt und sogar bis zu 18.000 Kilometer im Jahr zurücklegt.
Mein lieber Scholli!: Kinder und Erwachsene können in der Ausstellung selbst ausprobieren, ob sie so stark wie eine Ameise sind oder so hoch hüpfen können wie eine Wiesenschaumzikade. Was vermutlich nicht klappt.

Grafik zum Staunen: Ein Floh ist zu unglaublichen Sprüngen in der Lage. Wäre er ein Mensch, er könnte glatt 300 Meter weit springen. Foto: Natureum
Denn die winzige, sieben Millimeter große Zikade schafft 70 Zentimeter - und damit 10.000 Prozent ihrer Körpergröße. Ein Floh schafft einen Sprung mit dem 200-fachen seiner Körperlänge.
Rekorde und Meisterleistungen
Die Ausstellung rückt Rekorde und Meisterleistungen in den Blickpunkt: Höher, weiter, schneller - wozu Insekten in der Lage sind, wie sie tarnen und täuschen können, versetzt in Staunen. Wer weiß, wie Fliegen mit ihren Facetten-Augen sehen, versteht auch, warum sie so schwer zu fangen sind. Sie sehen 15-mal schneller als Menschen.

Beeindruckende Facettenaugen: Die Ausstellung „Alter Falter“ zeigt, wie Insekten sehen, hören, sich verständigen, leben - und was sie bedroht. Foto: Natureum
„Für die Fliegen bewegen wir uns in Zeitlupe“, sagt Katharina Jothe vom Natureum. Und wer weiß denn schon, dass nervende Gnitzen, Gallmücken, Ameisen und Fliegen dafür verantwortlich sind, dass es Schokolade gibt? Ohne sie wäre ein Bestäuben der Kakaobäume nicht möglich.
Bedrohte Überlebenskünstler
Aber die artenreichste Tiergruppe der Welt ist trotz aller Überlebenskunst bedroht. Lebensräume verschwinden, Böden werden versiegelt, Lichtverschmutzung und Pestizide machen das Überleben schwer. Wie immens dieser Verlust ist, zeigt die Ausstellung greifbar.
Agrar-Zahlungen
Land entschädigt Bauern für mehr Insektenschutz
Sieh mal einer an! Die Ausstellung Alter Falter ist ab Sonntag, 6. April, bis zum 2. November zu sehen. Das Natureum Niederelbe ist Dienstag bis Sonntag und an den Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet, im Juli und August auch montags. An den Wochenenden und Feiertagen ist es bis Ende Oktober auch mit dem Elbe-Radwanderbus zu erreichen.