Ackerhummeln sind bei der Bestäubung unermüdliche Arbeiterinnen

Phänomene der Natur: die Ackerhummel Foto: Paulin
Der finanzielle Wert, der innerhalb der EU durch Insektenbestäubung in der Landwirtschaft erbracht wird, wird mit stolzen 14 Milliarden Euro beziffert. Dabei leisten Honigbienen die Herkulesarbeit. Auf Platz zwei folgen die Hummeln.
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Landkreis. Im Freiland sind Ackerhummeln die Helden. Sie sind nicht so bunt und auffällig wie andere Hummeln, ihre Behaarung ist eher unscheinbar braun. Doch schon früh im März suchen Hummelköniginnen nach Nahrung und bestäuben dabei Obst- und Gemüsepflanzen. Ob Erdhummel, Gartenhummel, Baumhummel, Wiesenhummel – sie alle brauchen Nektar und Pollen.
Zugleich werden die Staaten entwickelt, in denen Königinnen Eier legen und Arbeiterinnen die Brut pflegen. Ackerhummeln beginnen Anfang April nach geeigneten Bauplätzen zu suchen: in verlassenen Mäusenestern, Nistkästen, Schuppen, alten Vogelnestern oder unter Grasbüscheln. Anspruchslosigkeit und Flexibilität in der Wahl der Neststandorte sind ihr Vorteil gegenüber anderen Hummelarten. So gelingt es ihnen, Nistplätze sowohl in Städten als auch in der Agrarlandschaft zu finden. Wissenschaftler fanden heraus: Ackerhummeln können auch in der von Pestiziden belasteten Landschaft leben, doch sie sind kleiner, die Staaten weniger produktiv und ärmer an Arbeiterinnen.
Bis weit in den Oktober hinein aktiv
Sie können noch mehr. Ihr Rüssel ist im Vergleich zu denen anderer Hummeln recht lang. Etwa 17 Millimeter misst er bei der Königin, zwölf Millimeter bei einer Arbeiterin. Damit können sie den Nektar in vielen Blüten erreichen. Die meisten Hummeln sind darauf spezialisiert, nur von bestimmten Blütenpflanzen Nektar und Pollen zu sammeln. Doch Ackerhummeln sind nicht so anspruchsvoll. Sie befliegen zum Beispiel die Blüten von Obstbäumen, Schwertlilien, Taubnesseln, Flockenblumen, Wicken, Klee oder Disteln.
Diese Arbeit erledigen über viele Monate hinweg. Die meisten Hummeln beginnen bereits im Sommer die Arbeit einzustellen. Dann brechen ihre Staaten zusammen. Den heißen Sommer überdauern sie in der Erde, die Überwinterung beginnt früh. Ackerhummeln können die sommerliche Hitze besser ertragen. Ihre Königinnen und Staaten sind bis weit in den Oktober aktiv. Vereinzelt fliegen die Königinnen des Folgejahres sogar noch im November. Den spät im Jahr fliegenden Tieren ist oft anzusehen, dass sie wahre Workoholics sind: Ihre Haare sind vom Hineinkriechen in den Bau und in die Blüten abgebrochen, der Körper ist jetzt fast abgeschliffen und blass.
Die unscheinbaren und fleißigen Ackerhummeln sind besonders in städtischen und üppig grünenden, bunten Gärten zuhause. Doch oft wird ihre monatelange Bestäubungsarbeit von uns kaum wahrgenommen. Der Wechsel von extrem heißen und nassen Jahren führt zu Stress und Schwächung der Hummelstaaten. Forschungen in Labor und Freiland ergaben, dass Insektizide und ein Mix verschiedener Pestizide ihnen das Leben schwer machen. Sie sind anfälliger gegenüber Krankheiten, überleben geschwächt den Winter oder verlieren ihre Orientierung. Sogar diese robusten Arbeitstiere verlassen allmählich die triste Agrarlandschaft.
Die Serie
Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Jetzt ist der zweite Band von Wolfgang Kurtze im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Erhältlich ist das reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Werk im Buchhandel für 19,90 Euro.