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Archäologie

Ausgrabungen am ehemaligen Sonderlager des Lagers Sandbostel

Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann (links) und Master-Student Lukas Eckert präsentieren einige Fundstücke. Foto: Klöfkorn

Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann (links) und Master-Student Lukas Eckert präsentieren einige Fundstücke. Foto: Klöfkorn

Ein Team von Archäologen nimmt seit fast zwei Wochen Ausgrabungen auf dem Gelände des sogenannten Sonderlagers des früheren Stalag XB in Sandbostel vor. Eine Vielzahl an Funden konnte bislang geborgen werden.

Dienstag, 13.09.2022, 08:30 Uhr

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Von Rainer Klöfkorn

Wer in diesen Tagen auf der  Kreisstraße zwischen Heinrichsdorf und Sandbostel unterwegs ist, wird sich vermutlich gefragt haben, aus welchem Grund auf der Weide neben der Straße Ausgrabungen stattfinden. „An dieser Stelle befand sich während der Kriegszeit das Sonderlager“, sagt Gedenkstättenleiter Andreas Ehresmann mit Blick auf die Ebene. Das Sonderlager war ein integrierter Bestandteil des Kriegsgefangenenlagers in Sandbostel. Dort wurden Gefangene interniert, die sich nach Ansicht der Lagerleitung schwerer Vergehen schuldig gemacht hatten. Darunter fielen Fluchtversuche ebenso wie Arbeitsverweigerung oder andere „Delikte“. Neben dem Lagergefängnis war die Verlegung ins Sonderlager eine weitere Form der Bestrafung.

Bis zu zwölf Stunden täglich, so der Gedenkstättenleiter, hätten die Gefangenen im Moor arbeiten müssen. Zumeist für einige Wochen, dann wurden sie in das ganz in der Nähe befindliche Stammlager zurückgebracht. Die Quellenlage über das „Sonderlage“ ist dürftig. Im Archiv der Gedenkstätte finden sich nur wenige Aussagen von Zeitzeugen.

Es gab zwei Baracken auf dem Gelände

Jahrelang blieb die Fläche unerforscht. Es sei auch immer fälschlicherweise davon ausgegangen worden, berichtetet Ehresmann, dass das Sonderlager mit der nach dem Krieg angelegten Straße nach Augustendorf überbaut worden sei. Doch seit 2020 arbeitet die Gedenkstätte gemeinsam mit dem Institut für vor- und frühgeschichtliche Archäologie der Universität Hamburg sowie der Rotenburger Kreisarchäologie an der wissenschaftlichen Aufarbeitung. Unterstützt wird das Vorhaben von der Niedersächsischen Gedenkstättenstiftung, was einmal mehr die Bedeutung des Stalag XB für die Geschichtsforschung unterstreicht.

In einem ersten Schritt wurden vor zwei Jahren geomagnetische Aufnahmen angefertigt. Sie zeigen deutlich die Umrisse der damaligen Bebauung und zudem, wo und an welchen Stellen Grabungen erfolgreich sein könnten. Die wichtigste Erkenntnis dabei: Es gab zwei Baracken auf dem Gelände. Andreas Ehresmann ist überzeugt: Die Unterscheidung in der Unterbringung und Behandlung zwischen sowjetischen Kriegsgefangenen und Insassen aus den westeuropäischen Ländern, die im Stalag XB bestand, dürfte auch im Sonderlager stattgefunden haben.

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Im vergangenen Jahr wurde per Georadar erforscht, in welcher Tiefe Funde anzutreffen sind. An besonders auffälligen Stellen wurde vor zwei Wochen nun mit Ausgrabungen begonnen. Akribisch tragen die Archäologen Erdschicht für Erdschicht ab, um Funde freizulegen und zu sichern.

Becher mit  Hammer-und-Sichel-Symbol und Reste einer Milchpackung

Fündig wurden die Mitarbeiter besonders in einer früheren Abfallgrube. In mehreren Kisten sind die Teile, die dort und an anderen Stellen ausgegraben wurden, abgelegt. Dazu zählen unter anderem die Zinke eines Kamms, Reste von Glasbehältern und eines Rasierpinsels, eine Pfeifenspitze sowie ein Schuh, der einem Gefangenen gehört haben dürfte.

Besonders interessant für Ehresmann und die Experten der Gedenkstätte: Das Hammer-und-Sichel-Symbol auf dem Bruchstück eines Emaillebechers bestätigt die Annahme, dass Soldaten der Roten Armee im Sonderlager inhaftiert waren. Noch interessanter ist ein Stück Pappe mit der Aufschrift „Milk“. Für Ehresmann ein klares Indiz dafür, dass britische Soldaten und medizinisches Personal sich nach der Lagerbefreiung um die Typhuskranken kümmerten. Denn diese wurden nach dem internen Aufstand im Sandbosteler Lager, in dessen Folge Gefangene die Organisation des Lagers übernahmen, im Sonderlager untergebracht. Nach der Räumung wurden die Unterkünfte abgebrannt, um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.

Alle Fundstücke sollen in die Gedenkstätte

Für die Archäologen ist die Arbeit mit der Ausgrabung noch lange nicht beendet. In den kommenden Monaten wird das Fundmaterial ausgewertet. Schon jetzt wird ein Teil in der Kreisarchäologie konserviert, weitere Teile werden zunächst eingefroren - um den Zerfall zu verhindern - und später bearbeitet.

Die restlichen Funde werden gereinigt und kommen sofort in die Gedenkstätte. Ehresmann: „Perspektivisch werden aber alle Fundstücke in der Gedenkstätte inventarisiert und gelagert.“ Was noch zu erwähnen ist: Eigentümer und Pächter der Ausgrabungsfläche hätten den Ausgrabungen sehr aufgeschlossen gegenübergestanden, freut sich Ehresmann über die Unterstützung.

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