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Kritische Infrastruktur

Bahn-Sabotage: Ruf nach mehr Videoüberwachung – Suche nach Tätern

Züge stehen im Hauptbahnhof Hamburg, nachdem der Fernverkehr zum Erliegen gekommen ist. Foto: dpa

Züge stehen im Hauptbahnhof Hamburg, nachdem der Fernverkehr zum Erliegen gekommen ist. Foto: dpa

Die Ermittler gehen von einem politischen Anschlag aus - sogar eine russische Beteiligung wird nicht ausgeschlossen. Wie kann die die kritische Infrastruktur in Deutschland geschützt werden?

Montag, 10.10.2022, 15:55 Uhr

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Von Hagen Strauß, Büro Berlin

Der folgenschwere Sabotageangriff auf die Bahn hat die Debatte über die Sicherheit der kritischen Infrastruktur in Deutschland noch einmal verstärkt. Schon gibt es Forderungen nach mehr Kameraüberwachung und dem Einsatz von Drohnen.

Das Unternehmen selbst betonte, die Sicherheit sei "oberstes Gebot". Die Deutsche Bahn habe aber ein Streckennetz von rund 34.000 Kilometern. "Eine lückenlose Überwachung ist damit nicht umsetzbar", so eine Konzernsprecherin.

Ein flächendeckender Ausfall des digitalen Zugfunksystems GSM-R hatte am Sonnabendmorgen für ein Bahnchaos in Norddeutschland gesorgt. Betroffen war der gesamte ICE-Verkehr sowie Regionalzüge in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Der Grund für die Störung: Laut Unternehmen Sabotage.

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Tätersuche nach Bahn-Sabotage: Polizei vermutet politisches Motiv

Der Staatsschutz ermittelt und geht von einer politisch motivierten Tat aus. „Wir haben eine größere Ermittlungsgruppe beim Staatsschutz gebildet, die mit Hochdruck daran arbeitet, die Hintergründe der Tat zu klären.“ Das Vorgehen setzt nach Einschätzungen aus Sicherheitskreisen Insiderwissen über die Bahn voraus. Dass bislang kein Bekennerschreiben bekannt wurde, spricht gegen Täter aus der linksextremistischen Szene, denen in der Vergangenheit Anschläge gegen die Bahn zugeschrieben wurden.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die Bahn selbst sprachen in der Folge von Sabotage. Nach dpa-Informationen waren in Nordrhein-Westfalen die Kabelschäden nahe des Bahnhofs Herne entstanden. Wo genau, sagte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. „Es gibt jetzt sowieso nichts mehr zu sehen, da die Schäden behoben wurden“, sagte der Polizeisprecher.

Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien in beiden Fällen vorsätzlich sogenannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen. Vieles ist in dem komplexen Fall noch unklar.

Defekte Bahnkabel: War es ein Angriff Russlands?

Die „Bild“-Zeitung hatte am Sonntag berichtet, das Bundeskriminalamt (BKA) halte in einer internen Einschätzung auch staatliche Sabotage für denkbar. BKA und Bundesinnenministerium kommentierten den Bericht auf Nachfrage jedoch nicht.

Der Sicherheitsexperte Peter Neumann hält auch einen Angriff Russlands für möglich. „Russland hat schon ein Interesse daran, in Europa Panik zu verursachen und zu signalisieren, dass es ganz heftig das Leben lahmlegen kann“, sagte der Wissenschaftler dem Sender RTL. Allerdings gebe es natürlich keine eindeutigen Beweise. „Momentan ist es noch eine Theorie.“

 SPD fordert mehr Befugnisse für die Bundespolizei

Der Angriff schlug im politischen Berlin hohe Wellen. "Nach den Sabotageakten an Nord Stream 1 und 2 sind die gezielten Anschläge auf den Bahnverkehr ein weiterer lauter Weckruf, dass sensible und gefährdete Anlagen besser vor Angriffen geschützt werden müssen“, teilte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Nordsee-Zeitung" mit. Dazu zähle auch, "dass die kritischen Infrastrukturen stärker von unseren Sicherheitsbehörden in den Blick genommen werden".

In der SPD gibt es einem Bericht zufolge Überlegungen, der Bundespolizei mehr Befugnisse zu verschaffen. „Die Bedrohungslage ist hoch. Dies haben die Sabotageakte auf unsere Infrastruktur nochmal sehr deutlich gemacht“, sagte Fraktionsvize Dirk Wiese der „Rheinischen Post“. Wichtig sei, „dass unsere Sicherheitsbehörden die erforderlichen Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung haben. Insbesondere müssen wir jetzt sehr schnell ein modernes Bundespolizeigesetz im Bundestag auf den Weg bringen.“ Die bisher letzte Reform sei von 1994, seitdem habe sich viel geändert. 2021 scheiterte eine Reform des Bundespolizeigesetzes im Bundesrat.

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Überwachung durch Drohnen

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte eine verstärkte Überwachung des Streckennetzes. Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei und den Zoll, Andreas Roßkopf, sagte gegenüber der "Nordsee-Zeitung": "Wir brauchen mehr Kameraüberwachung, auch die Kontrolle des Schienennetzes durch Drohnen.“ 2019 sei beschlossen worden, in den zehn kommenden Jahren 86 Milliarde n Euro in die Bahn zu investieren. „Nirgends findet man dabei die Sicherheit, die aufgestockt werden muss.“ Die Bahn-Sprecherin betonte hingegen, man kooperiere bereits eng mit den Sicherheitsbehörden bei der Erstellung von Sicherheitskonzepten. „Zentral für die Sicherheit sind die 4.300 Sicherheitskräfte der DB, die Hand in Hand mit 5.500 Beamten der Bundespolizei zusammenarbeiten.“ (mkr)

Das Streckennetz der Bahn könnte mittels Drohnen überwacht werden. Symbolbild: Alberto Ortega/dpa

Das Streckennetz der Bahn könnte mittels Drohnen überwacht werden. Symbolbild: Alberto Ortega/dpa

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