Bayern gibt NS-Raubkunst an Erben von Ernst Magnus zurück
Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben ein Renaissance-Gemälde an die Erben eines jüdischen Kunstsammlers zurückgegeben. (Illustration) Foto: Sven Hoppe/dpa
Nach Jahrzehnten geht ein Renaissance-Gemälde an die Erben des jüdischen Bankiers Ernst Magnus. Warum die Entscheidung erst jetzt fiel und was das Bild mit NS-Verbrecher Hermann Göring zu tun hat.
München. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben ein von den Nationalsozialisten geraubtes Renaissance-Gemälde an die Nachfahren des jüdischen Kunstsammlers und Bankiers Ernst Magnus aus Hannover zurückgegeben. Es handelt sich um das Bild „Hl. Anna Selbdritt“ aus der Schule des berühmten Künstlers Lucas Cranach des Älteren, das nach Angaben der Pinakothek um die Jahre 1522 bis 1525 entstand. Es zeigt die Heilige Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind.
Verkauf an Hermann Göring
Ernst Magnus (1871-1942) stammte aus Hessen und lebte lange in Hannover. Er war Bankier, saß im Börsenvorstand und von 1914 bis 1933 im Aufsichtsrat der Continental Gummi Werke AG. 1935 floh die Familie vor den Nationalsozialisten nach Lausanne. Um ihren weiteren Weg nach Kuba zu finanzieren, mussten sie Werke verkaufen, die sie in die Schweiz mitgenommen hatten. Die „Hl. Anna Selbdritt“ gelangte so 1941 über einen Kunsthändler an den hochrangigen Nazi-Funktionär und NS-Verbrecher Hermann Göring. Magnus starb im Februar 1942 wenige Monate nach der Ankunft in Havanna, seine Frau und seine Tochter gingen daraufhin weiter in die USA.
Neuer Bewertungsrahmen führt zu Rückgabe
2009 verlangte die Familie die Rückgabe des Gemäldes, das 1961 Teil der Staatsgemäldesammlungen geworden war. Ihr Restitutionsgesuch wurde jedoch abgelehnt. Die Schwierigkeit: es handelte sich um „Fluchtgut“. „Verkäufe in der Schweiz während der NS-Zeit lassen sich häufig schwer einordnen, da sie einerseits unter formal freien Marktbedingungen stattfanden, andererseits aber oftmals von den existenziellen Zwängen der Verfolgung diktiert waren“, hieß es dazu von den Staatsgemäldesammlungen.
Wirtschaftliche Nöte im Exil
Nun habe der neue Bewertungsrahmen des Schiedsgerichts NS-Raubgut mit seinem klar definierten und erweiterten Kriterienkatalog die rechtlichen Voraussetzungen für die Rückgabe geschaffen, sagte Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU). Er gebe verlässliche Leitlinien vor und sei ein wichtiger Fortschritt für eine zeitgemäße Restitutionspraxis. Nach Angaben der Staatsgemäldesammlungen werden nun verfolgungsbedingte wirtschaftliche Nöte von Emigrantinnen und Emigranten stärker berücksichtigt. Es werde anerkannt, dass auch außerhalb des Reichsgebietes erzwungene Verkäufe vorliegen könnten.
Sammlungsleiter Anton Biebl nannte die Entscheidung für die Rückgabe des Werkes ein wichtiges Zeichen. „Wir sind den Opfern des NS-Unrechts und ihren Nachfahren verpflichtet, ihre Geschichten sichtbar zu machen und gerechte Lösungen zu finden“, so Biebl.