Der Sängerwettstreit der Vögel beginnt schon im Winter

Auch die Goldammer steigt in den Gesangswettbewerb ein. Foto: Hajo Schaffhäuser
Der Winter ist fast vorbei. Noch ist der Himmel grau, manchmal kann es sogar schneien. Doch zeigt sich zwischen den Wolken der blaue Himmel, dann sind die ersten singenden Vögel zu hören. Jeden Tag im Winter werden es mehr Sänger
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Landkreis. Schon Ende Dezember singen einige Kohlmeisen, die Rotkehlchen singen fast das ganze Jahr. Im Januar folgen Blaumeisen, Rotkehlchen und Kleiber. Im Februar erfreuen uns die Amseln, Singdrosseln und Goldammern mit ihrem Gesang. Der Frühling ist da.
Die Lichtmengen nehmen von Tag zu Tag zu. Das verursacht bei den Vögeln eine Vergrößerung der Hormondrüsen. Im Körper der Vogelmännchen wird Testosteron ausgeschüttet, die Hoden vergrößern sich. Im Körper der Weibchen werden vermehrt Östrogene gebildet, die Eierstöcke werden wieder aktiv. Im Gehirn der singenden Männchen lässt der Gesangskern in der linken Gehirnhälfte die Gesangsaktivität aufleben. Morgens ist der Gesang meistens ausgeprägter. Das nachts gebildete Hormon Melatonin stimuliert die Bereitschaft zum Singen morgens zusätzlich. Gesang am Morgen und Abend wird bevorzugt. Zu dieser Zeit ist es noch ruhig, der Schall breitet sich gut aus.
Die ersten Gesangsduelle beginnen
Die Zahl der Sänger wird von Tag zu Tag größer. Angeregt durch das zunächst noch zögerliche Singen machen andere mit. Wer den Gesang seiner Mitsänger hört, der beteiligt sich und wird angespornt. Singt das erste Amselmännchen vom Dachfirst, dann zeigt es an: Hier singe ich und nur ich, das ist mein Revier. Die ersten Gesangsduelle mit benachbarten Männchen beginnen. Wer kräftig singt, der imponiert den Mitbewerbern. Das umworbene Weibchen hört scheinbar unbeeindruckt zu.
Doch es ist sehr aufmerksam und beurteilt das singende Männchen. Hat es genug Power? Singt es ausdauernd genug? Könnte es die Brut versorgen? Guter Gesang löst beim Vogelweibchen im Gehirn positive Gefühle aus. Es fühlt sich wohl. Es ist bereit, sich mit dem Nestbau zu beschäftigen. Doch die Melodie, die wir Menschen schön finden, ist oft gar nicht so entscheidend. Auf die kleinen Zwischentöne und Mini-Variationen in der Gesangsstrophe achtet das Weibchen. Die Forschung beschäftigt sich intensiv mit der Bedeutung solcher Feinheiten.
Anzahl der Vögel verringert sich - es wird stiller
Immer wieder als Männchen beim Singen gefordert zu sein, das ist keine Spaßveranstaltung. Es kostet Kraft, immerzu das Revier zu verteidigen und sich präsentieren zu müssen. Wenn der Winter plötzlich zurückkehrt und Hunger die Vögel nach Nahrung suchen lässt, werden Reviergrenzen wieder aufgegeben. Bei Wetterbesserung muss das Kämpfen und Buhlen um Weibchen und Revier erneut beginnen. Hier durchzuhalten und nicht aufzugeben, schaffen nur die stärksten Männchen. Erst wenn die Reviere abgeklärt sind, kehrt wieder etwas Ruhe ein. Dann beginnen Nestbau, Brut und Brutpflege.
Die Gesänge vieler Vogelarten, so fanden Ornithologen heraus, sind nicht mehr so reich an Variationen wie vor 50 Jahren. Die Anzahl der Vögel in unserer Umwelt verringert stetig von Jahr zu Jahr. Es wird immer stiller.
Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.