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DFB-Sportgericht

Doping-Experte erwartet Freispruch für HSV-Profi Vuskovic

HSV-Vorstand Jonas Boldt (links) begleitete Mario Vuskovic  zur Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

HSV-Vorstand Jonas Boldt (links) begleitete Mario Vuskovic  zur Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

An diesem Freitag wird's ernst: Das DFB-Sportgericht steht vor einer höchst schwierigen Urteilsfindung im Doping-Fall des HSV-Profis Mario Vuskovic. Experte Fritz Sörgel sieht keine Grundlage für eine Bestrafung.

Donnerstag, 16.03.2023, 18:00 Uhr

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Von Andreas Schirmer

Ein gerechtes Urteil im komplexen Fall Mario Vuskovic zu fällen, wird schwer, eine erneute Vertagung ist nicht ausgeschlossen. Vor dem dritten Verhandlungstag sieht Doping-Experte Fritz Sörgel keine gesicherte Grundlage für eine Verurteilung des HSV-Profis durch das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes. „In dieser Gemengelage kann kein Urteil gefällt werden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur vor der Fortsetzung der Verhandlung am Freitag (13 Uhr) in Frankfurt. Der Verteidiger des Zweitligisten Hamburger SV steht unter dem Verdacht des Blutdopings mit körperfremden Erythropoetin (Epo). Seit September 2022 ist er suspendiert, ihm droht eine Sperre von bis zu vier Jahren.

„Der Sportler tut mir leid. Ich sehe keinen Anlass, ihn zu sperren, da es keine Möglichkeit einer klaren Einschätzung seiner Doping-Probe gibt“, meinte der Nürnberger Pharmakologe. Die fehlende Unabhängigkeit der Gutachter und die Analysemethode von Epo-Proben mit dem sogenannten SAR-PAGE-Verfahren sowie deren Einstufung per Augenschein als negativ und positiv sind für ihn die kritikwürdigen Schwachstellen.

Dopingfall Vuskovic: Vier Gutachten sprechen von „falsch-positivem“ Ergebnis 

Vier vom Hamburger SV engagierte Experten hatten den positiven Befund des von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) akkreditierten Analyselabors in Kreischa einhellig als „falsch-positiv“ angezweifelt. „Die eine Krähe kratzt der anderen kein Auge aus“, lautet Sörgels Kommentar dazu.

Laborleiter Sven Voss versicherte hingegen, die Probe von Vuskovic sehe genauso aus, „wie eine positive Probe aussehen“ müsse. Keiner von den Gegen-Gutachtern sei ein Spezialist in der Epo-Dopinganalytik. „Ich kann Tausende Papiere über Krebsforschung lesen. Das macht mich aber nicht zu einem Spezialisten für so eine Auswertung“, erklärte Voss im Interview des NDR. „Ich kann mich aber auch nicht einfach hinstellen und sagen, das haben wir immer so gemacht“, konterte Sörgel.

Der Pharmakologe und Doping-Experte Fritz Sörgel. Foto: Daniel Karmann/dpa

Der Pharmakologe und Doping-Experte Fritz Sörgel. Foto: Daniel Karmann/dpa

Kritik an vom DFB bestellten Gutachter

Angesichts dieses Patts im Streit der Experten bestellte der Sportgerichtsvorsitzende Stephan Oberholz als unabhängigen Gutachter Jean-Francois Naud. Unabhängig? Der Kanadier sitzt mit Voss in der Wada-Arbeitsgruppe für Epo. Einen Befangenheitsantrag der Vuskovic-Anwälte lehnte das Sportgericht ab. „Man darf nicht die Frösche fragen, wenn man den Sumpf trocken legen will“, kritisierte Sörgel.

Den Auftrag, nach der üblichen A- und B-Probe aus einer Urinmenge von 43 Milliliter noch eine C-Probe zu analysieren, verweigerte Naud, da dies den Wada-Regeln widerspricht. Für Richter Oberholz hätte ein drittes Analyse-Resultat einen Urteilsspruch erleichtert. Der Epo-Experte Naud „hat ein Gutachten erstellt, das die Bewertung der Epo-Probe als positiv durch das Doping-Labor in Kreischa bestätigt“, teilte der DFB am Mittwoch auf dpa-Anfrage mit. Naud werde bei Bedarf auch für eine Video-Schalte zur Verfügung stehen.

Dass die seit über 20 Jahren angewendete, immer wieder als wenig zuverlässig infrage gestellte Epo-Analyse nicht längst durch eine massenspektrometrische Methode ersetzt wurde, ist für Sörgel ein Rätsel. Denn: Fast alle anderen Doping-Substanzen werden mit diesem Verfahren aufgespürt. „Es gibt komplexere Moleküle als das Erythropoetin, die mit der Massenspektrometrie festgestellt werden können“, meinte er. „Das Auge ist nicht objektiv.“ Ein Epo-Ergebnis wird anhand eines Bildes per Augenschein interpretiert.

Dopingsperrre für Mario Vuskovic: Diese Zweifel gibt es

Richter Oberholz steht am dritten Verhandlungstag vor einem Dilemma. Weitere unabhängige Experten-Informationen hat das Gericht nicht erhalten. Dafür haben die Vuskovic-Juristen einen neuen, umfangreichen Verteidigungsschriftsatz eingereicht, wie der DFB mitteilte. Als Anlage sind zudem vier neue, ergänzende Bewertungen wissenschaftlicher Fachberater eingereicht worden.

Was wahr ist oder nicht, weiß womöglich nur Mario Vuskovic. „Es gibt kaum Sportler, die Doping zugegeben haben“, sagte Sörgel. „Sportler, die mit Epo erwischt wurden, haben sich aber selten so vehement verteidigt wie Vuskovic mithilfe des HSV.“ Mit einem Urteilsspruch muss der Fall nicht zu Ende gehen. Bei einer Verurteilung kann der 21 Jahre alte Spieler vor das DFB-Bundesgericht ziehen. Im Falle eines Freispruchs könnte die Nationale Anti-Doping-Agentur den Internationalen Sportgerichtshof (Cas) anrufen. (dpa)

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