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Freibad

Ein Dorf packt mit an - Wie kleine Gemeinden ihre Schwimmbäder retten

Badegäste besuchen ein Freibad. In einem hessischen Schwimmbad sollen Mädchen von mehreren Männern sexuell belästigt worden sein.

Badegäste besuchen ein Freibad. In einem hessischen Schwimmbad sollen Mädchen von mehreren Männern sexuell belästigt worden sein. Foto: Boris Roessler/dpa

Was tun, wenn das geliebte Schwimmbad marode, das Geld aber knapp ist? Für einige nordfriesische Dörfer ist die Antwort klar: selbst anpacken. In Drelsdorf ist das Bad fast fertig.

Von dpa Montag, 28.07.2025, 07:50 Uhr

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Breklum. Seit knapp 60 Jahren gibt es in Drelsdorf in Nordfriesland ein kleines Schwimmbad. Doch seit einigen Jahren war es marode und daher geschlossen. Verzichten wollen die Drelsdorfer aber nicht auf ihr Freibad - sie bauen sich ein neues. „Eigentlich wollte man das Schwimmbad nur sanieren“, sagt Sven Jessen, Gemeinderatsmitglied und Baustellenkoordinator. Aber es war so marode, dass nur die Alternative Abriss und Ersatzneubau blieb.

Das kostet viel Geld und daher packen alle im Dorf mit an. Nur die Betonarbeiten, die Schwimmbadfolie und die Technik wurden vergeben. „Alles andere machen wir selber“, sagt Jessen. Fast jedes Wochenende sind die Bagger in Gang, über die Generationen hinweg wird für das Schwimmbad gearbeitet. Jessens Vater etwa hilft ebenso mit wie seine Brüder und sein Sohn.

Neubaukosten sind für die kleine Gemeinde viel Geld

Rund 1,4 Millionen Euro kostet der Ersatzneubau ungefähr. 106.000 Euro sind durch eine Landesförderung abgedeckt, die Nachbardörfer Bohmstedt und Ahrenshöft geben den Angaben zufolge 300.000 beziehungsweise 90.000 Euro. Zudem gibt es eine 75-Prozent-Förderung der Aktivregion Nordfriesland Nord für die Beckenwassererwärmung. Den Rest muss Drelsdorf aufbringen. Viel Geld für die kleine Gemeinde mit ihren rund 1.200 Einwohnerinnen und Einwohnern. „Da sehen wir halt zu, dass wir ziemlich viel in Eigenleistung machen“, sagt Jessen.

Etwa 200.000 Euro sind schon durch den ehrenamtlichen Einsatz eingespart worden, wie Bürgermeister Tim Friedrichsen schätzt. Hinzu kommen bereits mehr als 100.000 Euro Spenden, die über den Förderverein eingesammelt wurden. Friedrichsen sagt, auch ohne Spenden und die viele Hilfe von ehrenamtlichen Helfern hätte man das Schwimmbad neu gebaut. Aber die Gemeinde habe noch mehr Aufgaben und so werde der Haushalt entlastet.

Bürgermeister fährt Baustellenmüll weg

Julia Braatz ist Vorsitzende des Fördervereins des Schwimmbads. „Wir haben es megaleicht, wenn wir Hilfe brauchen“, sagt sie. Menschen packen mit an, bringen Getränke vorbei, backen Kuchen. „Es ist schön fürs Herz, fürs Gefühl, Teil davon zu sein.“ Der Zuspruch sei riesig. „Ich habe das Gefühl, das schweißt das Dorf, die Dörfer noch mehr zusammen.“

Friedrichsen sagt, wenn man frage, dauere es eine halbe Stunde und man habe die notwendigen Helfer zusammen. „Das freut mich wirklich am meisten.“ Das Miteinander sei großartig: „Jeder hat Lust, jeder bringt sich ein und man sieht hinterher, was man geschafft hat.“ Friedrichsen selbst ist Banker, kein Handwerker. Er fährt daher auch mal Müll und Bauschutt weg oder bereitet gemeinsam mit seiner Frau das Baustellen-Frühstück vor.

Nachbarorte wollen ihre Schwimmbäder ebenfalls wieder herrichten

Rund um Drelsdorf, im Umkreis von etwa fünf Kilometern, liegen in den Dörfern Breklum, Bordelum und Högel baugleiche Schwimmbäder aus den 1960er Jahren. Alle haben das gleiche Format und das gleiche Problem: Sie sind marode und müssen saniert werden. Die Bäder in Högel und Bordelum sind momentan ebenfalls geschlossen. Doch auch sie sollen saniert oder neu gebaut werden. Das Bad in Breklum darf diese Saison mit einer Ausnahmegenehmigung noch öffnen.

Freibäder als kultureller Treff für Jung und Alt

„Nächste Saison ist hier aber definitiv erst einmal Schluss“, sagt Udo Wohnsen, Schwimmbadkoordinator und Gemeinderatsmitglied in Breklum. Es habe kurz Überlegungen gegeben, ob man das Bad nicht auch ganz schließen könne, denn die Sanierung koste ja immens viel Geld. Doch man habe sich dagegen entschieden. Wie in Drelsdorf will man auch auf Eigenleistung und Spenden setzen.

Das Bad ist über die Generationen hinweg beliebt. „Hier ist ein kultureller Treff“, sagt Wohnsen. Hierher kommen die kleinen Kinder mit ihren Eltern, Jugendliche, die älteren Leute bekommen Kaffee, die Kinder ein Eis. „Wenn das hier wegfallen würde, wäre es ein riesiger Verlust.“

Ähnlich äußert sich der Drelsdorfer Bürgermeister Friedichsen. Er sei 52 Jahre alt und habe seine Sommer-Kindheit im Drelsdorfer Schwimmbad verbracht. Ebenso seine drei Kinder, die mittlerweile 15, 23 und 25 Jahre alt seien. „Das möchte ich wirklich den Kindern, den Jugendlichen und auch Erwachsenen wieder ermöglichen.“ Das Schwimmbad soll wieder ein Treffpunkt werden: ein Ort, an dem sich die Leute austauschen und Spaß haben können.

DLRG fordert wohnortnahe Schwimmbäder

Und schwimmen lernen. In Drelsdorf und Breklum liegen die Schwimmbäder in nächster Nähe zur Grundschule. Die Schülerinnen und Schüler in Breklum lernen dort noch schwimmen. Schwimmunterricht am Wohnort - das möchte man auch in Drelsdorf wieder ermöglichen.

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) dürfte das freuen. Die Präsidentin der DLRG, Ute Vogt, sagte kürzlich: „Wenn wir wollen, dass Kinder sicher aufwachsen, brauchen wir wohnortnahe, funktionstüchtige Schwimmbäder. Schwimmen zu lernen ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.“

In Schleswig-Holstein konnten nach Angaben des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums aus dem vergangenen Jahr zum Ende der Grundschulzeit nach der vierten Klasse weniger als die Hälfte (48 Prozent) der Schülerinnen und Schüler sicher schwimmen und hatten das Schwimmabzeichen in Bronze erworben. Am Ende der 6. Jahrgangsstufe waren es immerhin 72,6 Prozent.

Anbaden im Herbst

In Drelsdorf sind die Arbeiten derweil schon recht weit fortgeschritten. Im nächsten Sommer soll offiziell wiedereröffnet, im Herbst angebadet werden. Dazu hätten sich auch schon ältere Leute aus dem Dorf angekündigt, die bereits vor sechzig Jahren mit dabei gewesen seien, sagt Baustellenkoordinator Jessen. „Ein paar davon haben gesagt, wenn ich fit bin, komme ich auch mit Badehose.“

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