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Prozess

Ex-Chefarzt in Verden vor Gericht: Eltern des toten Jungen sagen aus

Sollte nach dem Tod eines 14-Jährigen in der Rotenburger Kinderklinik etwas vertuscht werden? Im Landgericht Verden wird dieser Frage nachgegangen. Foto: picture alliance/dpa

Sollte nach dem Tod eines 14-Jährigen in der Rotenburger Kinderklinik etwas vertuscht werden? Im Landgericht Verden wird dieser Frage nachgegangen. Foto: picture alliance/dpa

Sollte nach dem Tod eines 14-Jährigen in der Rotenburger Kinderklinik etwas vertuscht werden? Den Eindruck konnte man am Landgericht Verden im Prozess gegen den damaligen Chefarzt gewinnen, als die Mutter des am 18. April 2018 Verstorbenen aussagte.

Montag, 03.07.2023, 06:02 Uhr

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Von Wiebke Bruns

Zunächst schilderte der Vater, was er damals an der Seite seines Sohnes erlebt habe. Nachdem der 14-Jährige nach der Untersuchung in der chirurgischen Notaufnahme in der Kinderklinik stationär aufgenommen worden war, habe er immer wieder über Schmerzen geklagt. „Ich habe dreimal geklingelt, aber es war kein Arzt da, nur die Krankenschwester“, schilderte der 51-Jährige laut "Zevener Zeitung". Bis 22.30 Uhr, als man ihn nach Hause geschickt habe, sei kein Arzt bei seinem Sohn gewesen.

Übereinstimmend schilderten die Eltern, wie sie am nächsten Morgen telefonisch in die Klinik gebeten worden seien. „Wir sollten kommen, aber auf keinen Fall auf die Station, sondern in sein Büro“, sagte die Mutter. In das damalige Büro des Chefarztes. Dort erfuhren sie vom Tod ihres Kindes.

Nachts sei es ihm gut gegangen, er habe alleine auf Toilette gehen können, habe man ihnen gesagt. Aus den Unterlagen der Klinik ergibt sich etwas anderes. Verlesen wurden Einträge wie: „stärker werdende Kopfschmerzen“, „versucht aufzustehen, hat kaum Körperspannung“, „nicht ins Bad geschafft“.

Ex-Chefarzt stellt Vermutung auf

Morgens hätten sie ihn gefunden. Er sei wohl aus dem Bett gefallen, habe der Chefarzt der 54-Jährigen und ihrem Mann gesagt. Er hätte wohl mit dem Herzen etwas gehabt, habe der Angeklagte vermutet. Mit seinem Fahrrad war der Junge tags zuvor gestürzt. Einfach umgefallen, wie es vor Gericht hieß, und dabei mit dem Kopf auf eine Rasenfläche aufgeschlagen.

„Wurde über eine Obduktion gesprochen?“, wollte der Vorsitzende Richter Volker Stronczyk von der Mutter wissen. Morgens bei dem Gespräch sei es Thema gewesen. Sie meinte, dass der Chefarzt dies angesprochen habe. „Ich wollte es auf jeden Fall“, sagte die Rotenburgerin.

Vereinbart worden war, dass die Familie um 15 Uhr den Jungen noch einmal sehen könne. Darin stimmen die Aussagen der Mutter und des Angeklagten überein. Der 43-Jährige hatte in seiner Einlassung am ersten Prozesstag gesagt, dass der Tod des Jungen nach einer erfolglosen Reanimation morgens um 7 Uhr festgestellt worden sei. Erst um 14.50 Uhr habe er die Polizei informiert. Seine Begründung war, dass vor dem vereinbarten Termin am Nachmittag keine Beschlagnahmung des Leichnams habe erfolgen sollen.

Arzt rät von Obduktion ab

Doch laut der Mutter sprach er nachmittags nochmals die Obduktion an. „Wir waren circa um 14.30 Uhr da.“ Der Chefarzt sei dazugekommen. „Er meinte, da kommt gar nichts bei raus und das ist sehr teuer. Ich habe gesagt, das ist mir egal.“

„Kam es Ihnen so vor, dass er Einfluss nehmen wollte?“, hakte der Vorsitzende Richter nach. „Ja, weil er in die Kapelle kam. Als wollte er es uns ausreden.“ Sie habe den Eindruck gehabt, dass die Familie die Kosten tragen müsse.

Am Nachmittag dieses vierten Verhandlungstages wurde der Arzt gehört, der damals ab 21.45 Uhr Dienst hatte. Der Angeklagte hatte schon Feierabend, als die Mutter ihren Sohn in die Klinik brachte. Als „Chefarzt im Hintergrund“ war er für den Kollegen erreichbar, der noch in der Ausbildung zum Facharzt war. Sein zweiter oder dritter Nachtdienst sei es gewesen, berichtete der heute 33-Jährige.

Keine Computertomographie

In dem Prozess geht es insbesondere um die Frage, ob eine Computertomographie hätte gemacht werden müssen. Der Zeuge, der mit der Zahlung von 12.000 Euro einen Prozess durch eine Verfahrenseinstellung hatte abwenden können, sah dafür damals, genauso wie der Chefarzt, keinen Grund. Erstmalig um 23 Uhr habe er den Patienten gesehen und der habe mit ihm gesprochen und keine neurologischen Auffälligkeiten gezeigt.

Um 23.20 Uhr habe er ihn nochmals bei der Blutabnahme gesehen. Dann erst wieder am nächsten Morgen bei der Reanimation.

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