Gas- und Strompreisbremse: Das ist der Fahrplan für Entlastungen

Das Heizen einer 70-Quadratmeter-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus mit Erdgas dürfte sich um deutlich mehr als die Hälfte verteuern. Foto: dpa
Die steigenden Energiekosten setzen Bürger und Betriebe weiter unter Druck. Weitere Entlastungen soll es eigentlich erst im kommenden Jahr geben. Eine weitere Einmalzahlung an Verbraucher könnte eine Alternative sein.
Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!
Von Jan Drebes und Antje Höning
Wann kommt die Gaspreisbremse?
Die Ministerpräsidenten hatten ein Vorziehen der für März geplanten Bremse auf Januar gefordert. Doch Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft IG BCE und Mitglied der Gaskommission, winkte ab: Nicht alle der 900 Gasversorger mit insgesamt 20 Millionen Gaskunden in Deutschland könnten die Bremse zum Januar schaffen. „Was uns geleitet hat, ist, dass alle Kunden gleichzeitig in die Gaspreisbremse gehen“, sagte Vassiliadis im Deutschlandfunk. Das sei erst zum 1. März möglich.
Ähnlich äußerte sich Steffen Hebestreit, der Sprecher der Bundesregierung. Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden, die beratendes Mitglied der Kommission ist, hofft, dass es doch noch schneller geht: „Falls die administrative Umsetzung durch die Energieversorger für die Deckelung des Gaspreises auf zwölf Cent je Kilowattstunde doch schon vor März umgesetzt werden kann, sollte das entsprechend realisiert werden“, sagte sie. Man werde alles dafür tun, um Haushalte, Kommunen und Unternehmen in diesem Winter zu entlasten.
Jetzt die TAGEBLATT-Nachrichten-App
fürs Smartphone herunterladen
Wie geht die Gaspreisbremse?
Sie sieht vor, dass jeder Kunde für ein Grundkontingent von 80 Prozent des September-Verbrauchs nur zwölf Cent je Kilowattstunde zahlen muss. Den Rest trägt der Staat. Aktuell liegt der Gaspreis für Verbraucher bei 18,6 Cent, so das Portal Check 24. Für Neukunden aber wurden zuletzt 28 Cent fällig. Vassiliadis kritisierte, dass es in Deutschland nicht möglich sei, Geld direkt an Bürger auszuzahlen, daher habe man die Versorger gewählt.
Warum geht das nicht schneller?
„Die zweite Stufe der Gaspreisbremse einfach von März auf Januar vorzuziehen, ist technisch nicht so schnell umzusetzen“, sagte Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), unserer Redaktion. So müssten Abrechnungsverfahren und IT umgestellt werden. „Wenn die Politik im Januar und Februar eine zusätzliche Entlastung wünscht, dann wäre es besser, die Dezember-Lösung zu wiederholen. Das wäre schnell umsetzbar.“ Im Dezember übernimmt der Staat die Abschlagzahlung in Höhe der September-Rate. So schlägt es die Gaskommission vor, die bis Monatsende ihren detaillierten Bericht vorlegen will.
Welche weiteren Entlastungen könnte es geben?
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bringt eine weitere Einmalzahlung ins Spiel: „Die erforderliche Umstellung der IT-Prozesse ist so komplex, dass die breite Front der Versorger dies in dieser kurzen Frist nicht stemmen kann. Genau deshalb wurde die Einmalzahlung für Dezember entwickelt. Diese kann auch im Januar erneut ausgezahlt werden, um den Zeitraum bis zum 1. März zu überbrücken“, sagte BDEW-Präsidentin Marie-Luise Wolff. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) spricht sich für Pauschalen aus, wenn es anders nicht gehe.
Wie werden Firmen entlastet?
Beim Gas sollen kleine Firmen nach dem gleichen Prinzip wie Privatkunden entlastet werden. Für die 25.000 größten Unternehmen, die im Jahr mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas verbrauchen, soll eine Bremse bereits ab Januar eingeführt werden. Der Verwaltungsaufwand sei hier geringer, erläuterte Vassiliadis. Immer mehr Firmen erwägen wegen der hohen Energiepreise bereits den Abbau von Stellen: 25 Prozent planten dies bereits, wie aus einer Umfrage des Ifo-Instituts hervorgeht. 17 Prozent wollen energieintensive Geschäftsfelder aufgeben. 57 Prozent wollen geplante Investitionen verschieben.
Gibt es Entlastung für Bürger, die mit Öl, Pellets oder Holz heizen?
Auch für diese Energieträger sind die Preise wegen der hohen Nachfrage stark gestiegen, wenn auch nicht so stark wie beim Gas. Die Kommission sieht es aber nicht als ihre Aufgabe an, die Entlastung zu regeln. Dies sei Aufgabe der Politik, so Vassiliadis. Der Regierungssprecher erklärte, die Entlastung bei Öl- und Pelletheizungen werde nun wie andere Fragen von einer regierungsinternen Arbeitsgruppe diskutiert. Allein zehn Millionen Haushalte heizen mit Öl.
Wann kommt die Strompreisbremse?
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will Stromkunden schon zu Beginn des nächsten Jahres entlasten. „Die Entlastung beim Strompreis muss in jedem Fall spätestens im Januar einsetzen“, sagte er dem „Handelsblatt“. Auch davon halten die Stadtwerke nichts: „Auch für die Strompreisbremse gilt: Je schneller die Entlastung der Bürger und Wirtschaft kommen soll, desto einfacher sollte sie ausgestaltet sein“, sagte VKU-Chef Liebing. Wenn diese Entlastung schon im Januar greifen solle, gehe dies nur mit einfachen Lösungen wie der Übernahme des Dezemberabschlags. Beim Strom plant der Bund das gleiche Vorgehen wie beim Gas. Auch hier soll es ein subventioniertes Basiskontingent für Haushalte geben. Auf welchen Strompreis der Staat heruntersubventionieren will, ist noch offen.
Kommissionsvorsitzende Grimm gegen Preisbremse für Heizöl
Die Vorsitzende der sogenannten Gaspreiskommission, die „Wirtschaftweise“ Veronika Grimm, lehnt die Einführung einer allgemeinen Heizkostenbremse ab. „Man sollte nicht den Eindruck erwecken, dass der Staat die gestiegenen Energiekosten für alle Bürger dauerhaft pauschal abfangen kann“, sagte die Ökonomin der Zeitung „Welt“. Ergänzend zur Gaspreisbremse könne die Regierung lediglich über zusätzliche gezielte Hilfen für Haushalte nachdenken.
Dass einzelne Akteure mit Forderungen nach weiteren, breit angelegten Preisbremsen und Preisdeckeln versuchten, aus der Situation politisches Kapital zu schlagen, sei wenig überraschend, sagte Grimm mit Blick auf Vorstöße für zusätzliche Entlastungen für die Nutzer von Öl- und Pelletheizungen.
Grimm verwies darauf, dass es beim Gas um eine andere Dimension gehe. „Bei den Verbrauchern kommen Preise an, die um das Fünf- bis Achtfache gestiegen sind. Bei anderen Energieträgern sehen wir eine Verdoppelung, maximal eine Verdreifachung der Kosten auf die Verbraucher zukommen“, sagte Grimm, die an der Universität Erlangen-Nürnberg Volkswirtschaft lehrt und als eine der sogenannten Wirtschaftsweisen Mitglied des Sachverständigenrates ist.

Wirtschaftsweise Prof. Veronika Grimm im Statistischem Bundesamt.
Grimm lehnte ein Vorziehen der zweiten Stufe der Gaspreisbremse von März auf Januar oder Februar ab, wie ebenfalls von einigen Politikern gefordert. „Bei der Gaspreisbremse wird es beim 1. März als Startdatum bleiben müssen“, sagte sie. Die Versorger bräuchten die Zeit, um ihre IT-Systeme anzupassen. „Es bringt nichts, wenn einige wenige Anbieter auch schon den 1. Januar als Starttermin schaffen, es müssen alle gleichzeitig bereit sein. Alles andere würde zu Verstimmungen und Unzufriedenheit bei den Verbrauchern führen.“