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Geflügelpest wieder auf dem Vormarsch: Antworten auf die wichtigsten Fragen

Rund 4000 Hähnchen leben zusammen in einem modernen Hühnerstall. Foto: Ingo Wagner/dpa/Archivbild

Rund 4000 Hähnchen leben zusammen in einem modernen Hühnerstall. Foto: Ingo Wagner/dpa/Archivbild

Kein halbes Jahr liegt zwischen dem letzten Geflügelpest-Fall und dem neuen Ausbruch der Tierseuche. In dieser Woche wurde bekannt, dass eine tote infizierte Wildgans am Drochterser Elbstrand gefunden wurde. Das ist die aktuelle Lage.

Sonntag, 14.11.2021, 11:30 Uhr

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Von Elmar Stephan

Der vergangene Winter und das Frühjahr waren für viele Geflügelhalter in Norddeutschland eine Katastrophe: Mit der Geflügelpest grassierte eine hochansteckende Tierkrankheit in Niedersachsen. Mehr als eine Million Tiere musste wegen der Infektion getötet werden, der Schaden geht in die Millionen. Seit Juni war Ruhe - bis jetzt.

Wie ist die aktuelle Situation?

Nachdem die Überwachungszone in den Landkreisen Stade und Cuxhaven bereits durch einen Geflügelpest-Fall in einem Kleinbetrieb in Borsfleth (Kreis Steinburg) am schleswig-holsteinischen Elbufer ausgedehnt wurde, sind nun drei offiziell bestätigte Fälle des H5N1-Virus bei Wildenten nachgewiesen worden. Zwei der infizierten Tiere wurden im Bereich Loxstedt/Stotel (Landkreis Cuxhaven) und eine Weißwangengans (Nonnengans) am Drochterser Elbstrand im Landkreis Stade gefunden.

Welche Maßnahmen gelten im Landkreis Stade?

Es gibt eine Stallpflicht für Geflügel von Otterndorf bis Drochtersen-Krautsand. In einer Allgemeinverfügung hat der Landkreis die entsprechende Seuchen-Bekämpfungsmaßnahmen bekannt gegeben, die von Donnerstag, 4. November, an gelten.

Gehaltene Vögel sind mit Ausnahme von Tauben in geschlossenen Ställen oder unter einer Schutzvorrichtung zu halten, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenbegrenzung bestehen muss. Außerdem darf aus den betroffenen Haltungen weder lebendes Geflügel noch Geflügelfleisch, andere Geflügelerzeugnisse oder Futtermittel verbracht werden. 

Eine Aufstallungspflicht für die gesamten Landkreise (Stade und Cuxhaven) gibt es zwar derzeit noch nicht, es scheint aber aktuell sehr wahrscheinlich, dass sich das Geschehen, insbesondere in den niedersächsischen Küstenlandkreisen, weiter entwickeln wird. Tierhalter sollten daher bereits jetzt entsprechende Vorbereitungen für eine eventuelle Aufstallungspflicht treffen.

Das Veterinäramt empfiehlt den Geflügelhaltern im gesamten Landkreis besonders aufmerksam zu sein und sorgfältig auf die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen zu achten. Auffällige Tierverluste sind dem Veterinäramt Stade unter 04141/12 39 31 oder per E-Mail veterinaeramt@landkreis-stade.de zu melden

Wie wird das Virus übertragen?

Nach Angaben des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind Wildvögel häufig Virusübeträger. Selber erkranken sie nicht an Geflügelpest, können das Virus aber über große Entfernungen verschleppen. Das Virus verbreitet sich auch über die Luft. In den Ställen ist auch die indirekte Übertragung durch Menschen, Fahrzeuge, Mist, Futter oder Transportkisten möglich. Über nicht gereinigte und desinfizierte Kleider, Schuhe oder Hände kann die Geflügelpest weiter verbreitet werden.

Was kann man gegen eine Infektion tun?

Zunächst sollte das frei laufende Geflügel - etwa Legehennen in Freilufthaltung, aber auch Enten oder Gänse - eingestallt werden, denn vor allem Wildvögel können Infektionen verbreiten. Das gilt auch für Hobbyhalter. Die Geflügelbetriebe haben nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre viel an den Betriebsabläufen und an der Hygiene verbessert. Es wird alles dafür getan, dass das Virus nicht durch verunreinigte Reifen - etwa beim Rein- oder Rausfahren von Stroh - in die Stallanlagen kommt. Auch das Stroh selber wird inzwischen besser gelagert, um so zu verhindern, dass das Virus über diesen Weg in die Ställe kommt. Dennoch konnten größere Ausbrüche nicht verhindert werden.

Welche Geflügelbestände sind vor allem betroffen?

Bei der vergangenen Geflügelpest-Welle habe es 85 Prozent aller Ausbrüche in den Putenhahnställen gegeben, sagt die Geschäftsführerin der Tierseuchenkasse Niedersachsen, Ursula Gerdes. Puten werden in halboffenen Ställen gehalten, sie sind nicht hermetisch abgeriegelt. Die Längswände müssen aus Gründen der Tiergesundheit gelocht sein, dass Außenluft hineinkommt. Zum Teil wird aber schon die Windseite mit einer Folie abgedeckt. Dennoch: Offenbar gelangt das Virus in die Tränken in Ställen und verbreitet sich dort überaus rasch unter den Tieren. Auch über Staubpartikel könne das Virus bei stürmischem Wetter und Wind in Stallanlagen gelangen, sagt der Geschäftsführer des Niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes, Dieter Oltmann.

Gibt es eine Impfung?

Bislang gibt es laut Oltmann keinen Impfstoff. Und: Wenn es eine Impfung gäbe, müssten die Landwirte aufgrund des geltenden EU-Rechts mit Einschränkungen bei der Vermarktung rechnen. Allerdings wird außerhalb Europas immer häufiger gegen Geflügelpest geimpft, sagt Geflügelverbandschef Friedrich-Otto Ripke. Daher müsse die Entwicklung von Impfstoffen forciert werden, auch weil die Seuchenzüge in immer kürzerer Zeit kämen. Dazu müsse die Bundesregierung in Deutschland und in der EU die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass Fleisch und Eier von geimpften Tieren frei gehandelt werden dürften.

Welche finanziellen Schäden hat der vergangene Ausbruch gehabt?

Rund 1,1 Millionen Tiere mussten in Niedersachsen getötet werden, knapp 23 Millionen Euro wurden von der Tierseuchenkasse ausgezahlt. Davon wurde die tierschutzgerechte Tötung, die Beseitigung und die Reinigung und Desinfektion der Ställe gezahlt. Etwa 45 Prozent dieser Kosten seien vom Land getragen worden, sagt Tierseuchenkasse-Chefin Gerdes. Es habe 72 Ausbrüche gegeben, ein Betrieb sei sogar zwei Mal betroffen gewesen. Auch vier Hobbyhaltungen seien betroffen gewesen. Vor allem für die Putenhalter seien die Folgen existenzbedrohend, so Oltmann.

 

 

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