Globuli fürs Haustier: Heilpraktikerinnen klagen erfolgreich
Helfen Globuli auch Haustieren wie diesem Golden Retriever? Tierheilpraktiker sind davon überzeugt. Foto: dpa-Bildfunk
Seit knapp einem Jahr dürfen Haustieren homöopathische Mittel, die eigentlich für den Menschen gemacht sind, nur noch vom Tierarzt verabreicht werden. Für Heilpraktiker bedeutete das quasi ein Berufverbot. Das wollten vier Klägerinnen nicht hinnehmen.
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Hunde, Katzen und andere Haustiere dürfen ab sofort wieder von allen mit bestimmten homöopathischen Mitteln behandelt werden, die eigentlich für Menschen gemacht sind. Das Bundesverfassungsgericht erklärte eine im Januar in Kraft getretene Vorschrift teilweise für nichtig, wonach das ausschließlich Tierärzten vorbehalten war. Der damit verbundene Eingriff in die Berufs- und Handlungsfreiheit sei nicht verhältnismäßig, teilten die Karlsruher Richterinnen und Richter am Mittwoch mit.
Geklagt hatten vier Tierheilpraktikerinnen, die seit vielen Jahren in ihren eigenen Praxen Hunde und Katzen, aber auch Pferde und teilweise Kleintiere behandeln. Für ihren Therapieansatz der klassischen Homöopathie gibt es keine Mittel speziell für Tiere. Sie hatten deshalb mit Humanhomöopathika gearbeitet, die registrierungspflichtig, aber nicht verschreibungspflichtig sind.
EU-Gesetz verbietet Tierheilpraktikerinnen den Einsatz von homöopathischen Mitteln
Bis vor kurzem war das auch kein Problem. Der sogenannte Tierarzt-Vorbehalt ist erstmals im neu erlassenen Tierarzneimittelgesetz vorgesehen. Mit dem Gesetz wurden EU-Vorgaben umgesetzt. Dieser spezielle Punkt geht aber darüber hinaus. Die Frauen hatten seither faktisch nicht mehr praktizieren können.
Studien haben gezeigt, dass auch Tiere - wie Menschen - auf Placebos ansprechen. Foto: dpa-Bildfunk
Das geht nach Auffassung der Verfassungsrichter zu weit. „Die Anwendung registrierter Humanhomöopathika birgt im Hinblick auf ihre Inhaltsstoffe keinerlei Gefahren für die Gesundheit von Tier, Mensch oder Umwelt – unabhängig davon, ob diese mit oder ohne ärztliche Anweisung und Überwachung zum Einsatz kommen“, schreiben sie.
Der Gesetzgeber verfolge mit der Regelung zwar einen legitimen Zweck: „Tiere sollen vor körperlichen Schmerzen, Leiden und Schäden durch Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen durch nicht ärztliche Personen bewahrt werden.“ Dazu passe aber nicht, dass die Anwendung von Tierhomöopathika und anderen alternativen Heilmethoden weiterhin ohne Einschaltung eines Tierarztes gestattet sei.
Welche homöopathischen Mittel bei Haustieren frei angewendet werden dürfen
Die Richter regen an, zum Beispiel eine Pflicht zum Nachweis tierheilkundlicher Kenntnisse einzuführen. Das könne die Wahrscheinlichkeit mindern, dass Tierschutz-Belange beeinträchtigt würden. Beim Tierarzt-Vorbehalt stehe das Maß der Belastung der Grundrechtsträger aber „nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis zu den dem gemeinen Wohl erwachsenden Vorteilen“.
Die Regelung hatte ausdrücklich auch für Tierhalter gegolten. Auch das erklärte der Erste Senat auf eine der beiden Verfassungsbeschwerden hin für nicht verhältnismäßig. Eine der Klägerinnen hält auch privat Hunde und Pferde, die sie bei Bedarf nach ihren therapeutischen Methoden mit Humanhomöopathika behandelt.
Ein Teil der Vorschrift bleibt trotzdem bestehen. Wieder erlaubt ist nur die freie Anwendung von nicht verschreibungspflichtigen und registrierten Humanhomöopathika bei Tieren, die nicht der Lebensmittelgewinnung dienen (Az.: 1 BvR 2380/21 u.a.).
Homöopathie-Debatte: Helfen Globuli Haustieren?
Die Katze ist verschnupft? Ein Globuli hilft bestimmt. So denken Tierhalter, die auf die Homöopathie schwören. Sie vertrauen nicht nur bei menschlichen Beschwerden auf die Wirkung der stark verdünnten Stoffe, sondern halten sie auch für Vierbeiner geeignet. Alles Quatsch, sagen Kritiker: Was kranke Tiere gesund macht, seien weniger die sagenumwobenen Kügelchen, sondern die Zuwendung durch Herrchen oder den Tierarzt.
Studien haben gezeigt, dass auch Tiere - wie Menschen - auf Placebos ansprechen. „Da gibt es Tonnen von Beweisen zu, dass Scheinmedikamente wirken“, sagt Wolfgang Löscher, Direktor des Instituts für Pharmakologie, Toxikologie und Pharmazie der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Schon das Verabreichen von Mitteln und das Festhalten habe einen Effekte auf Tiere. Hunde und Katzen hätten meist Angst vor dem Tierarzt - deshalb knüpften die Tiere ihr Verhalten an das von Herrchen oder Frauchen. Gehen diese vertrauensvoll mit dem Tierarzt um, reagiert darauf auch das Tier.
Dass der Faktor Zuwendung eine große Rolle spielt, glaubt auch Tierärztin Heidi Kübler aus Obersulm-Willsbach bei Heilbronn. Trotzdem kennt sie viele Krankheitsbilder, die sich erfolgreich mit Globuli behandeln lassen. „Übelkeit und Erbrechen beim Autofahren, allergische Reaktionen auf Pflanzen oder Nahrungsmittel sowie Durchfälle nach ungeeignetem Futter“, nennt sie als Beispiele. Überängstliche Katzen therapiert sie mit Bachblüten.
Globuli sind kleine Streukügelchen aus Rohrzucker. Die darin enthaltenen Substanzen basieren auf natürlichen Stoffen, die extrem verdünnt werden. Zur Therapie werden die Globuli direkt ins Maul gegeben. Alternativ wird das Mittel in Tropfenform dem Trinkwasser zugefügt oder intravenös gespritzt.
Diese Art der Behandlung hat Grenzen: „Ein gebrochenes Bein habe ich durch Homöopathie allein noch nie wieder zusammengeflickt“, sagt Kübler, die Vorsitzende der Gesellschaft für ganzheitliche Tiermedizin (GGTM) ist. Auch wenn Nerven durchtrennt oder Gewebe beschädigt ist, kann die Naturmedizin das nicht mehr heilen.
Vor- und Nachteile der Homöopathie
Wer sein Haustier homöopathisch behandeln lassen möchte, hat es bei der Auswahl eines passenden Ärzte nicht leicht. „Homöopath“ ist kein geschützter Beruf. „Das kann sich jeder Tierarzt hinschreiben“, sagt Stefan Wesselmann, Tierarzt in Wallhausen (Baden-Württemberg). Er ist auf Homöopathie spezialisiert und bildet auch andere Tierärzte auf diesem Gebiet aus. Eine Möglichkeit sei, auf der GGTM-Homepage nachzuschlagen. Dort findet sich eine Liste von Tierärzten mit Zusatzausbildungen in verschiedenen Fachgebieten.
Der große Vorteil der Homöopathie: „Es gibt so gut wie keine Nebenwirkungen“, sagt Wesselmann. Der große Nachteil: „Therapien können verschleppt werden.“ Deshalb rät auch Heidi Kübler Tierhaltern: „Lassen Sie alle unklaren Beschwerden vorher durch eine Untersuchung des Blutes abklären.“ Auch von eigenmächtiger Medikation durch die Besitzer des Tiers hält sie nichts.
Als Faustregel gilt: Wenn sich das Befinden innerhalb weniger Tage nicht verbessert, sollte das Tier zum Arzt. Denn vielleicht steckt eine Krankheit dahinter, die sich nicht mit Globuli behandeln lässt. „Erbricht sich das Tier, hängt nur in der Ecke rum oder lässt sich nicht anfassen, sind das Alarmzeichen“, erklärt Kübler. (dpa/tmn)