Große Empörung: Kleine Parteien in Sorge um ihr Stimmrecht

Von links: Eva Viehoff (Grüne), André Grote (FDP) und Benjamin Koch-Böhnke (Linke).
Vier Wochen nach der Kommunalwahl hat der niedersächsische Landtag mit den Stimmen von SPD und CDU ein geändertes Auszählverfahren für kommunale Gremien beschlossen – zum Nachteil der kleinen Parteien.
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Die Empörung bei den kleinen Parteien ist groß. Am 13. Oktober, vier Wochen nach der Kommunalwahl, hat der niedersächsische Landtag mit den Stimmen von SPD und CDU ein geändertes Auszählverfahren für kommunale Gremien beschlossen. Die neue Regelung verändert die Verteilung der Sitze in Ausschüssen und Aufsichtsräten zugunsten der Regierungsparteien.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Eva Viehoff aus Cuxhaven kritisiert die Regelung als unpraktisch und undemokratisch. „Obwohl Grüne von dem neuen Verfahren in vielen Kommunen profitieren werden, lehnen wir das Vorhaben ab“, sagt Eva Viehoff, die auch die Grünen im Landkreis Stade vertritt. Es bevorzuge die größeren Fraktionen einseitig. Viehoff: „Ausgerechnet da, wo die eigentliche Arbeit stattfindet, werden die kleinen Fraktionen jetzt untergebuttert.“
Zudem drohten Detail-Debatten, die eigentlich in die Fachgremien gehörten, jetzt in den Stadtrat oder den Kreistag verlagert zu werden, wo sie die Sitzungen unnötig verlängerten. Kleinere Fraktionen verlieren in den Ausschüssen oft das Stimmrecht.
FDP: Änderung verfassungswidrig
Eva Viehoff attackiert direkt die Landtagsabgeordneten aus der Region: Petra Tiemann von der SPD oder Kai Seefried von der CDU hätten für dieses Gesetz gestimmt. Das sei wenig verwunderlich, da ihre Kommunalfraktionen von der Regelung profitieren würden. Den Verweis auf das sogenannte Grundmandat ohne Stimmrecht, das kleinen Fraktionen in Ausschüssen weiterhin zusteht, lässt Eva Viehoff nicht gelten. Zum einen gelte das nicht für Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen. Zum anderen mache es einen Unterschied, ob eine Stimme auch gezählt wird.
Auch die FDP kritisiert die neue Regelung. Die Landtagsfraktion hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Ergebnis kommt, dass die Änderung verfassungswidrig sei. Die Liberalen haben eine Klage angekündigt. Die Fraktion der FDP im Rat der Hansestadt Buxtehude beantragt deshalb, dass der Buxtehuder Rat in seiner konstituierenden Ratssitzung am Montag, 8. November, die Ausschüsse nicht nach dem neuen Landesgesetz besetzt.
„Wir halten die Änderung des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes aus mehreren Gründen für verfassungswidrig“, sagt FDP-Ratsherr André Grote. Der Zeitpunkt der Änderung sei unredlich. „In Buxtehude haben wir gute Erfahrungen mit der Beteiligung aller Fraktionen in den Ausschüssen gemacht“, so Grote.
Abweichung vom Gesetz möglich
Auch die Linkspartei ist gegen die Änderung. „Das ist undemokratisch und benachteiligt die kleineren Fraktionen“, sagt Benjamin Koch-Böhnke, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Kreistag und im Buxtehuder Rat. Die Kreistagsfraktion hat beantragt, dass bei der Sitzverteilung in den Ausschüssen nicht, wie von der Landesregierung vor kurzem beschlossen, das neue Verfahren angewandt werden soll, sondern dass – wie bisher auch – das alte Verteilungsverfahren zur Anwendung kommen soll. Auf Buxtehuder Ratsebene hat Die Linke diesen Antrag zusammen mit der Partei Die Partei eingebracht.
Zwar ist die Änderung des Sitzverteilungsverfahrens ein Gesetz, das sich direkt auf die Kommunen auswirkt, doch gibt es im Kommunalverfassungsgesetz die Möglichkeit, dass davon abgewichen werden kann – aber nur dann, wenn ein entsprechender Antrag vom jeweiligen Gremium einstimmig beschlossen wird.