Herbertstraßen-Domina Manuela Freitag: Die Sex-Arbeiterin hinter der Peitsche
Manuela Freitag, Domina, steht im Rahmen eines dpa-Fototermins anlässlich der ZDF-Dokuserie "Herbertstraße - Geschichte einer Domina" am Sichtschutz am Eingang zur Herbertstraße. Foto: Georg Wendt/dpa
Manuela Freitag ist die dienstälteste Domina in der Hamburger Herbertstraße. Regisseur Peter Dörfler widmet ihr nun eine eindringliche dreiteilige Doku-Serie im ZDF. Vorab ist sie auch zu streamen.
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Hamburg. „Wenn ich aufhör‘, hören auch die Stiefel mit mir auf“, sagt Manuela Freitag. Eine Frau jenseits der Lebensmitte, in schwarzes enges Leder geschnürt, blickt aus einem freundlichen, in sich ruhenden Gesicht. Freitag ist die dienstälteste Domina in der legendären Herbertstraße. Das ist die berühmteste Rotlicht-Straße der Reeperbahn, die seit den 1930er-Jahren durch zwei Tore abgetrennt ist und die Bereich Frauen, Kinder und Jugendliche nicht betreten dürfen. Die dreiteilige Dokureihe „Herbertstraße – Geschichte einer Domina“ stellt sie vor. Sie läuft in der Nacht vom 9. auf den 10. November um 0.30 Uhr im ZDF. Im ZDF-Streamingportal ist sie bereits vorab verfügbar.
Regisseur Peter Dörfler hat das Drehbuch nach Motiven des Bestsellers „Herbertstraße“ verfasst, den Manuela Freitag selbst gemeinsam mit Olaf Köhne und Peter Käfferlein schrieb.
Plötzlich im Heim
Was man hinter dem freundlichen Gesicht nicht vermutet: Manuela Freitag ist eine Überlebende, die sich nach einem schwierigen Start ins Leben gegen viele Widrigkeiten behauptet hat. Die Serie beginnt bei ihrer Kindheit. Die Mutter sperrt sie ins Badezimmer, damit sie im Erdgeschoss kellnern kann. Das Wegsperren wird traumatisch für das Kind. Bald steht das Jugendamt vor der Tür. Manuela kommt ins Heim - ohne zu wissen, warum.
Der Kontakt zu den Eltern ist sporadisch, bald erlischt er ganz. Manuela rebelliert gegen Heimleitung, Wohngruppen, Schul-Alltag, beginnt zu stehlen. Sie wächst zu einem Mädchen heran, dem Bindung und Zugehörigkeit fehlen. Das laut einer Psychologin ein großes Bedürfnis nach Nähe hat und gefährdet ist, zum Opfer zu werden. Ein Erzieher nutzt ihre Lage für einen Missbrauch aus. Ein wohlmeinender Vormund rettet sie aus mancher üblen Situation.
Straßenstrich in Bremen und brutale Zuhälter
Als Teenager entdeckt sie den Straßenstrich in ihrer Bremer Heimat und sieht darin einen scheinbaren Ausweg hin zu leicht verdientem Geld und Unabhängigkeit. Bald stellt sie fest, dass ihre richtige Mutter, eine Prostituierte aus Hamburg, sie zur Adoption freigegeben hatte. Doch auch der Versuch einer Kontaktaufnahme mit der Herkunftsfamilie misslingt.
Dokumentarische Szenen, die die Hamburger Reeperbahn in den 1980er- und 1990er-Jahren zeigen, wechseln mit Spielszenen, in denen Schauspielerin Lilja van der Zwaag kraftvoll die Rolle der jungen Manuela Freitag übernimmt.

Manuela Freitag, Domina, steht in der Herbertstraße. Foto: Georg Wendt/dpa
Getrieben von der Suche nach Liebe und einem Platz im Leben landet sie – noch minderjährig - bei einem ersten Zuhälter, ein späterer sperrt sie über Nacht in der Wohnung ein und vergewaltigt sie. „Das war ihm egal. Der hatte keine Gefühle. Das sind die gefährlichsten Menschen“, sagt Manuela Freitag im Rückblick.
Raus aus dem Teufelskreis, rein in die Ruhe
Sie erkennt bald den Teufelskreis aus Umwerben, ausbleibender Liebe und Gewalt, sobald sie aussteigen will. Halt findet sie zum Beispiel in der Sozialarbeiterin Isabell Tiede, die sich um minderjährige Prostituierte kümmert. Manuela Freitag kauft sich irgendwann selbst frei und wird autonom. Später übersteht sie die Aids-Krise, den Koks-Konsum in der Szene, die wachsende Gewalt, einen Zusammenbruch mit Depressionen.
„Damals habe ich mich wie in einer großen Familie gefühlt“, sagt sie. Später wird sie Domina in der Herbertstraße. Hier geht es um das „Unnahbare“. Es gibt wenig Körperberührung. Sie lernt einen jungen Mann kennen, wird Mutter, trennt sich und kommt doch endlich zur Ruhe.
Die Doku gibt Sex-Arbeiterinnen eine Würde
Im letzten Teil wird es politischer. Fragen zum gesellschaftlichen Umgang mit Prostitution in Deutschland werden jener in Skandinavien gegenübergestellt. Das nordische Modell entkriminalisiert die Sex-Arbeiterinnen. Es hilft jedoch nicht jenen, die aussteigen wollen und kein Netz vorfinden, das sie auffängt, so Julia Staron, Quartiersmanagerin St. Pauli.
Für Manuela Freitag war es am Ende des Tages immer ein Beruf wie jeder andere auch. Die Dokureihe gibt ihr und allen Sex-Arbeiterinnen eine eindringliche Würde. (dpa)