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Im Stich gelassen: Schlaganfall-Patienten üben scharfe Kritik

Nach der Betreuung auf einer Stroke Unit im Krankenhaus fühlen sich Schlaganfall-Patienten häufig alleine gelassen.

Nach der Betreuung auf einer Stroke Unit im Krankenhaus fühlen sich Schlaganfall-Patienten häufig alleine gelassen. Foto: Angelika Warmuth/dpa

Die Behandlung nach einem Schlaganfall im Krankenhaus ist abgeschlossen. Jetzt geht es nach Hause. Doch dann beginnen für viele Patienten die Sorgen.

Von dpa Mittwoch, 30.10.2024, 10:55 Uhr

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Ein Großteil der Schlaganfallpatienten, der das Krankenhaus verlassen hat, fühlt sich in der Zeit danach nicht ausreichend versorgt. Laut einer Umfrage der Deutschen Schlaganfall-Hilfe wünschen sich 70 Prozent der Befragten mehr Unterstützung. Etwas mehr als die Hälfte (51 Prozent) vermisst Hilfe bei den körperlichen Folgen des Schlaganfalls.

Die Befragung der Schlaganfall-Hilfe ist nicht repräsentativ. Angeschrieben wurden 3.000 Betroffene aus dem gesamten Bundesgebiet, die mit der Stiftung mit Sitz in Gütersloh in Kontakt stehen, zum Beispiel als Abonnenten verschiedener Medien oder als Teilnehmer von Veranstaltungen. Geantwortet haben 1.000. Im Durchschnitt lag der Schlaganfall der Betroffenen neun Jahre zurück.

Mehr Therapien und Reha-Maßnahmen, als sie erhalten, wünschen sich 41 Prozent der Befragten. Rund ein Drittel (33 Prozent) leidet unter den psychischen Beeinträchtigungen nach dem Schlaganfall und wünscht sich mehr Unterstützung bei der Bewältigung. 28 Prozent fühlen sich alleine gelassen bei der Einstellung ihrer Risikofaktoren, also der richtigen Gabe von Medikamenten und der Umstellung des Lebensstils, um eine Wiederholung des Schlaganfalls zu verhindern.

Damit der Übergang von der Reha in den Alltag klappt, sollten sich Betroffene und ihre Angehörigen die Frage stellen: Wo braucht es nun Unterstützung?

Damit der Übergang von der Reha in den Alltag klappt, sollten sich Betroffene und ihre Angehörigen die Frage stellen: Wo braucht es nun Unterstützung? Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn

„Dass so viele Menschen so lange nach dem Schlaganfall Probleme haben, die Folgen ihrer Krankheit zu bewältigen, hätte ich nicht erwartet“, kommentiert Christian Voigt von der Deutschen Schlaganfall-Hilfe die Zahlen. Viele Betroffene und die Angehörigen seien offensichtlich mit der Situation überfordert. „Deren Leben werden von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt“, sagt Voigt. Sich dann intensiv mit dem Gesundheitssystem auseinanderzusetzen, würden viele nicht schaffen.

Patientenschützer bestätigen Kritik

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mit Sitz in Dortmund bewertet die ambulante Betreuung von Patienten ebenfalls kritisch. „Während die Zahl der Hausarztpraxen konstant blieb, nahm in den letzten fünf Jahren die Zahl der Neurologen um 20 Prozent auf rund 9.650 zu. Doch die Studie legt den Finger in die Wunde. Denn Schlaganfallpatienten werden nach der Entlassung aus dem Krankenhaus unzureichend versorgt“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. Die Zusammenarbeit zwischen Hausarzt, Facharzt, Therapeuten und Rehabilitation funktioniere viel zu oft nicht. Brysch: „Schonungslos muss der Bundesgesundheitsminister aufklären, warum es bei der Lotsenfunktion der Hausärzte hapert.“

Nach Schlaganfall: So gelingt die Rückkehr in den Alltag

Damit der Übergang klappt, sollten sich Betroffene und ihre Angehörigen eine Frage stellen: Wo braucht es im Alltag jetzt Unterstützung?

Hat der Schlaganfall zu schweren körperlichen Einschränkungen geführt? Dann kann eine Wohnraumberatung sinnvoll sein, wie die Schlaganfall-Lotsin Anke Siebdrat von der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe rät. Dort kann man klären, welche Umbauten und Anpassungen das Leben zu Hause nun erleichtern können. Anlaufstelle dafür ist zum Beispiel der Pflegestützpunkt vor Ort.

Gut möglich, dass sich die betroffene Person nicht direkt selbst wieder an den Herd stellen kann. Dann ist ein Angebot wie Essen auf Rädern eine Entlastung. Lebt er oder sie allein, ist auch ein Hausnotruf eine Überlegung wert.

Nach einem Schlaganfall brauchen viele Betroffene Hilfsmittel wie eine Orthese oder einen Rollstuhl. Sie müssen von Ärztinnen und Ärzten verordnet werden. Kliniken arbeiten in der Regel mit Sanitätshäusern zusammen, die mit der Hilfsmittel-Versorgung von Schlaganfall-Betroffenen vertraut sind, so die Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Meist tritt das Sanitätshaus vor der Entlassung mit Patientinnen und Patienten in Kontakt, um die häusliche Versorgung zu regeln. Falls nicht, sollte man nachfragen.

Arzt- und Therapietermine ausmachen

Ebenfalls wichtig: Arzttermine für die Zeit nach der Entlassung ausmachen, am besten einen Termin in der Hausarztpraxis und einen beim Neurologen oder der Neurologin.

Gut zu wissen für den Arztbesuch: Wer Schwierigkeiten hat, die vielen Medikamente einzunehmen, hat einen Anspruch darauf, dass ein Pflegedienst bei der Einnahme unterstützt, so Anke Siebdrat. Wer diese Hilfe braucht, sollte das beim Arzttermin gezielt ansprechen und um eine Verordnung für Behandlungspflege bitten.

Stehen (weiterhin) Physio- oder Ergotherapie oder Logopädie an, sollten auch diese Termine am besten schon vor der Entlassung vereinbart werden. Wer nicht mobil ist, etwa aufgrund einer halbseitigen Lähmung, kann diese Therapietermine als Hausbesuche in Anspruch nehmen, so Siebdrat.

Gesünder essen, nicht mehr rauchen: Veränderungen anstoßen

Ein überstandener Schlaganfall heißt meistens auch: Nun muss sich etwas am Lebensstil ändern, um einen weiteren zu verhindern. Siebdrat weist darauf hin, dass Hausärztinnen und Hausärzte in so einem Fall eine Ernährungsberatung verordnen können.

Wer raucht, für den lohnt es, sich bei der Krankenkasse über spezielle Angebote zur Tabakentwöhnung zu informieren. Und vielerorts gibt es spezielle Rehasport-Gruppen für Menschen, die einen Schlaganfall hinter sich haben. (dpa/tmn)

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Jochen Mextorf
14.11.202416:10 Uhr

Das Schlaganfall-Risiko wird beeinflußt durch zu wenig Prävention.

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