Inkonsequent und "sozial blind": Opposition kritisiert das Entlastungspaket

Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind die Energie- und Spritpreise in die Höhe geschossen. Foto: Oliver Berg/dpa
Mit umfangreichen und milliardenschweren Entlastungen für die Menschen in Deutschland reagiert die Ampel-Koalition auf die stark gestiegenen Energie- und Spritpreise. Doch während die Regierungsparteien dies als Erfolg feiern, kommt Kritik von CDU, Linke und AfD.
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Das geplante Entlastungspaket der Koalitionsparteien von SPD, Grüne und FDP umfasst unter anderem eine Energiepauschale und Klimageld, Einmalzahlungen für Familien und Sozialleistungsbezieher. Außerdem wird Autofahren über eine reduzierte Energiesteuer auf Kraftstoffe günstiger, für den öffentlichen Nahverkehr soll es ein 9-Euro-Ticket geben. Das Paket wird den Staat mehrere Milliarden Euro kosten - eine genaue Summe konnte Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Donnerstag noch nicht nennen.
Die Union im Bundestag hat das geplante Entlastungspaket der Ampel-Koalition wegen der hohen Energiepreise als nicht zielgerichtet kritisiert. "Diese vermeintliche „Einigung“ dokumentiert in Wahrheit die tatsächliche Uneinigkeit dieser Koalition", sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg am Donnerstag. Es sei offenkundig nicht um eine zielgerichtete Entlastung gegangen, sondern darum, "dass für jeden der Ampelpartner etwas dabei ist".
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) legte nach und bezeichnete das Paket der Bundesregierung zur Entlastung bei Energiepreisen als unzureichend. "Das Ampel-Paket bleibt hinter den Erwartungen zurück - zu wenig, zu kompliziert, nur für kurze Zeit und keine echte Entlastung der Wirtschaft", schrieb Söder am Donnerstag auf Twitter. Gebraucht werde stattdessen eine Senkung der Mehrwertsteuer, um den Auftrieb der Energiepreise wirksam zu bremsen. Die Maßnahmen dürften nicht nur drei Monate lang wirken. "Die Krise dauert länger", betonte er. Dass die Verlängerung der Laufzeit deutscher Atomkraftwerke nicht diskutiert worden sei, bezeichnete er als enttäuschend.
CDU-Minister: Entlastung "zu wenig und zu kurz"
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat das Paket der Ampel-Bundesregierung zur Entlastung bei den Energie- und Spritpreisen als "ersten Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet. "Das ist nicht die erhoffte Entlastung, die Menschen und Wirtschaft brauchen", sagte Wüst am Donnerstag am Rande einer Landtagssitzung in Düsseldorf. Die beschlossenen Entlastungen seien "zu wenig und zu kurz".
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Die hohen Energiepreise seien ein "Megaproblem, das nicht in wenigen Wochen vorbei ist", sagte der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) weiter. Daher sei seine Senkung der Steuern auf Energie notwendig sowie eine dauerhafte Erhöhung des Wohngelds und die Erhöhung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer.
AfD kritisiert das Paket als halbherzig
Auch die Linke hat das von der Ampel-Koalition vereinbarte Entlastungspaket für die Bürger kritisiert. Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler bezeichnete die Maßnahmen bei Twitter als "inkonsequent und sozial blind". Das 9-Euro-Ticket für öffentliche Verkehrsmittel sei gut. "Aber weshalb nur für 90 Tage?". Schlecht sei, dass es die 300 Euro Energiepreispauschale "auch für Millionäre" gebe, während Sozialleistungsbezieher nur 100 Euro erhielten.
Die AfD-Fraktion im Bundestag hat das Entlastungspaket der Ampel-Koalition als halbherzig kritisiert. So sei etwa die befristete Senkung der Energiesteuer zur Senkung der Kraftstoffpreise ein Schritt in die richtige Richtung, teilten die Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla am Donnerstag mit. "Das Entlastungspaket der Koalition bleibt aber halbherzig und widersprüchlich schon auf den ersten Metern stecken."
Reale Entlastung gebe es nur über substanzielle und nachhaltige Steuersenkungen. "Nicht nur die Energiesteuern müssen reduziert werden, die CO2-Abgabe muss abgeschafft und die Mehrwertsteuer deutlich und dauerhaft gesenkt werden." Weidel und Chrupalla kritisierten zudem geplante Vorgaben für den Einbau neuer Heizungen und die Energieeffizienz von Gebäuden. Dies werde die Kosten für Wohnen und Heizen weiter in die Höhe treiben. Sie erneuerten mit Blick auf die Energieversorgung die Forderung der AfD, Kernkraftwerke in Deutschland weiterzubetreiben.
Klingbeil: Beleg der Handlungsfähigkeit für die Ampel
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat das Entlastungspaket der Ampel-Koalition als Beitrag zu sozialem Zusammenhalt und Stabilität in Deutschland bezeichnet. "Diese Regierung handelt in schwierigen Zeiten. Diese Regierung stellt das Interesse der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt", sagte Klingbeil am Donnerstag in Berlin bei einem gemeinsamen Statement mit den Vorsitzenden von Grünen und FDP. Soziale Härten würden zusätzlich abgefedert. Es habe selten eine Regierung gegeben, der in den ersten 100 Tagen schon so viel abverlangt worden sei, sagte er mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Klingbeil: "Diese Zeitenwende, die wir gerade erleben, geht von Wladimir Putin aus."

Die Vorsitzenden der Ampel-Parteien (von links), Ricarda Lang, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD, und Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, äußern sich vor dem Reichstagsgebäude zum geplanten Entlastungspaket als Reaktion auf die gestiegenen Energiepreise. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
Sein Parteikollege und niedersächsische Ministerpräsident, Stephan Weil, hat das von der Bundesregierung vorgestellte Entlastungspaket begrüßt. Das geplante Neun-Euro-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nannte der SPD-Politiker interessant.
Grünen-Chefin sieht "energiepolitische Unabhängigkeitserklärung"
Grünen-Chefin Ricarda Lang sieht die zwischen den Spitzen der Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP vereinbarten Entlastungen als "energiepolitische Unabhängigkeitserklärung". Es gehe darum, Wirtschaft, Bürger und Souveränität in Europa zu stärken, sagte sie am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellung der Inhalte des Pakets. Die Regierungsparteien hatten sich angesichts von in der Russland-Krise steigenden Preisen auf zusätzliche Entlastungen verständigt.
"Wir erleben harte Zeiten", sagte Lang. Mit den vereinbarten Maßnahmen nehme man die Breite der Gesellschaft in den Blick. Es sei aber unklar, was noch komme, wahrscheinlich könne nicht jede Belastung aufgefangen werden. Sie hob unter anderem die auf 90 Tage begrenzte Einführung eines 9-Euro-Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr hervor. "Wir machen Bus- und Bahnfahren so billig, wie es in Deutschland wahrscheinlich noch nie war."
Energiepolitik sei Sicherheitspolitik. Energieeffizienz sei wichtig, um unabhängig zu werden vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, den sie einen "Kriegsverbrecher" nannte. (dpa)