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Reform nötig

Termine beim Arzt: Kassenpatienten müssen wochenlang warten

Ein Großteil der Menschen in Deutschland ist gesetzlich krankenversichert. (Symbolbild)

Ein Großteil der Menschen in Deutschland ist gesetzlich krankenversichert. (Symbolbild) Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Wer einen Facharzttermin benötigt, muss bisweilen wochenlang warten. Der GKV-Spitzenverband wittert Diskriminierung - und hat den Noch-Gesundheitsminister auf seiner Seite.

Von dpa Freitag, 27.12.2024, 08:32 Uhr

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Berlin. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen moniert bei der Vergabe von Arztterminen eine Bevorzugung von Privatversicherten gegenüber gesetzlich Versicherten. „Wer echte Gleichbehandlung will, sollte dafür sorgen, dass bei der Terminvergabe nicht mehr danach gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist“, sagte die stellvertretende GKV-Chefin Stefanie Stoff-Ahnis dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wenn Sie auf ein Buchungsportal gehen und als gesetzlich Versicherte einen Facharzttermin suchen, bekommen Sie einen in 6 Wochen oder noch später angeboten. Klicken Sie dagegen „Privatpatient“ an, klappt es schon am nächsten Tag.“

Stoff-Ahnis sagte, 90 Prozent der Menschen in Deutschland seien gesetzlich versichert. „Da ist es mehr als gerechtfertigt, dass es künftig bei der Terminvergabe zu 100 Prozent um die medizinische Notwendigkeit geht und nicht darum, ob jemand GKV- oder PKV-versichert ist.“ Sie forderte zudem bei der Terminvergabe eine gesetzliche Verpflichtung für alle Arztpraxen, freie Termine tagesaktuell einem Onlineportal zur Verfügung zu stellen, auf das die gesetzlichen Kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen zugreifen können.

Kritik an Arzt-Terminvergabe

Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, mahnte gesetzliche Änderungen an. „Das Vergabesystem für Fach- und Hausarzttermine ist undurchsichtig. Auch erfahren die Hilfesuchenden keine Unterstützung von den Krankenkassen“, sagte Brysch der dpa. Eine Überprüfung der ärztlichen Präsenzzeiten und Vergabepraxis sei überfällig. Dafür müssten die Kassenärztlichen Vereinigungen „gesetzlich verbindlich verantwortlich gemacht werden“, forderte Brysch. Die Bundesländer, die eigentlich die Aufsichtspflicht über die Vergabepraxis hätten, täten nichts, um den Missstand zu beseitigen. Die künftige Bundesregierung sollte laut Brysch alle zwei Jahre einen Bericht über die Terminvergabepraxis vorlegen. „Transparenz beendet die Diskriminierung“, erklärte er.

Dadurch werde auch sichtbar, wie viele der bundesweit knapp 100.000 Arztpraxen an ihrer Belastungsgrenze seien. Patientenschützer Brysch stellte zudem die Online-Terminvergabe grundsätzlich infrage. „Die Vergabepraxis online zu steuern, wird im Dschungel der Zuständigkeiten verlaufen“, betonte er. Zudem seien rund 20 Prozent der Bevölkerung nicht technikaffin.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nannte die Terminverteilung in den Praxen auf X ungerecht. „Wenn privat Versicherte schneller und besser versorgt werden als gesetzlich Versicherte ist das keine Neiddebatte. Es ist schlicht ungerecht, wenn Geld entscheidet, wer zuerst behandelt wird“, schrieb der SPD-Politiker. Das „Tabuthema Zweiklassenmedizin“ müsse endlich angepackt werden, schrieb er in einem weiteren Post.

Die Ungleichbehandlung müsse auch nach Meinung von Niedersachsens Gesundheitsminister enden. „Vor allem in Facharztpraxen ziehen gesetzlich Versicherte regelmäßig den Kürzeren gegenüber Menschen mit Privatversicherung“, sagte Andreas Philippi (SPD) den Zeitungen der „Neuen Presse“ und der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“.

Der Minister forderte eine verpflichtende Ausweitung der offenen Sprechstunden sowie eine Erhöhung von Mindestsprechstunden. Zudem sollten auch Privatpatienten bei Beschwerden in der Regel erst den Haus- statt gleich einen Facharzt ansteuern.

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