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Plädoyer

Mordfall Ekaterina B.: Das fordert der Staatsanwalt als Strafe

Der Angeklagte im Mordfall Ekaterina B. sei der „ungewöhnlichste“ Tatverdächtige seiner bisherigen Karriere, sagte ein Polizist vor Gericht. Foto: MASORAT-f

Der Angeklagte im Mordfall Ekaterina B. sei der „ungewöhnlichste“ Tatverdächtige seiner bisherigen Karriere, sagte ein Polizist vor Gericht. Foto: MASORAT-f

Im Mordprozess um die getötete Ekaterina B. hat der Staatsanwalt am Dienstagvormittag sein Plädoyer gehalten. Sollte das Gericht seiner Einschätzung folgen, wird der angeklagte Ehemann des Opfers für sehr lange Zeit nicht aus dem Gefängnis freikommen.

Mittwoch, 03.05.2023, 00:01 Uhr

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Von Thorsten Brockmann

Lebenslänglich. Ohne Auswege. Keine mildernden Umstände. Für den Staatsanwalt im Mordprozess Ekaterina B. ist die Lage eindeutig: Er sieht es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine Frau getötet hat. Auch eine besondere Schwere der Schuld sei zu erkennen. Genauso urteilen auch die Opferanwältin der kleinen Tochter sowie die Nebenkläger im Namen der Mutter und des Bruders von Ekaterina - sie schließen sich dem Staatsanwalt an, fordern ebenfalls lebenslange Haft.

Der Staatsanwalt lobt die Polizei für ihre Arbeit

Der Angeklagte allein sei für die Tat verantwortlich, sagt Staatsanwalt Rhode. Er habe nach einer Badewanne im Internet gesucht, nach Säure, nach der Überdosierung von Schlafmittel, ob Lügendetektoren vor Gericht zulässig seien oder auch, ob jemand verurteilt werden könne, wenn es keine Beweise für seine Tat gebe. Dem Geständnis seiner Mutter sei keine Bedeutung beizumessen, schlussfolgert Anwalt Dimitri Kurpil. Sie habe die Schuld nur auf sich nehmen wollen, weil ihr Sohn es von ihr verlangt habe. Wenn sie in der Tatnacht im Haus gewesen sei, dann nur, um auf die Enkelin aufzupassen, während die Schwiegertochter zerteilt wurde.

Der Staatsanwalt spricht stundenlang, nennt noch einmal Dutzende von Zeugen beim Namen und hält dem Gericht ihre Aussagen vor. Die Kriminalpolizei habe gute Arbeit geleistet. 40 Verhandlungstage sind seit August vergangenen Jahres inzwischen vergangen, der Ankläger fasst ihre Inhalte noch einmal zusammen. „Dieser Prozess ist wohl einmalig“, sagt Opferanwältin Magaret Hoffmann. Er habe die Chance, in die bundesdeutsche Justizgeschichte einzugehen.

Das Mordmotiv aus Sicht des Staatsanwalts: „Die unmittelbar bevorstehende Trennung“ und das zerstörte Bild von Vater, Mutter und Kind als Ideal der Familie. Der Angeklagte habe die Vorstellung nicht ertragen können, dass mit seiner Frau auch die geliebte Tochter aus dem Haus ausziehe. „Er wollte das Kind für sich haben“, sagt Staatsanwalt Rhode. „Abgöttische Liebe“, nennt es Anwältin Hoffmann.

Seit der Rückkehr Ekaterinas aus Russland im Januar habe der Entschluss festgestanden, sie zu töten. Und als sie dann als vermisst gemeldet worden war, da sei ihr Mann merklich ruhiger geworden - und habe im gesamten Haus alles weggeräumt, was an sie erinnern könnte, Fotos und die zur Kontrolle von Ekaterina aufgenommenen Videos vom Handy gelöscht. Auch die Familienhelfer habe er nicht mehr mit seinen beinahe pausenlosen Anrufen behelligt, „weil er wusste, dass es keinen Sorgerechtsstreit mehr geben wird“.

Ekaterina B. wollte nach zehn Jahren Ehe die Scheidung. Foto: privat

Ekaterina B. wollte nach zehn Jahren Ehe die Scheidung. Foto: privat

Haftentlassung wäre nach 15 Jahren nicht möglich

Wenn das Gericht dem Staatsanwalt und den Nebenklägern folgt, dann wäre es für den Ehemann nicht möglich, nach frühestens 15 Jahren auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Sondern ein Gericht müsste dann noch einmal über die zusätzliche Haftzeit entscheiden.

Für den Staatsanwalt wiegen besonders zwei Mordmerkmale schwer: Der Angeklagte habe mit Heimtücke gehandelt, denn er habe seiner Ehefrau ein Schlafmittel verabreicht, damit sie sich nicht zur Wehr setzen konnte, ehe er sie erwürgt, zerstückelt und in der Geeste entsorgt habe. Zudem sei auch das Mordmerkmal der niederen Beweggründe gegeben, denn Ekaterina sei getötet worden, um das alleinige Sorgerecht für die gemeinsame Tochter zu erlangen. Der heute 47-Jährige habe nicht damit leben können, dass sich seine Frau von ihm trennen wollte, so der Staatsanwalt. Nebenkläger-Anwalt Andreas Berg macht auch Habgier aus, Ekaterinas Mann habe keinen Unterhalt zahlen und auch die Hälfte seines Eigenheimes nicht abgeben wollen.

Laut Staatsanwalt ist die Tat des Angeklagten schlimmer zu bewerten als vergleichbare Morde. Der Ehemann habe während des Prozesses alles daran gesetzt, seine Frau in ein schlechtes Licht zu rücken. Ehrliche Gefühlsregungen über ihren Tod habe er nicht gezeigt, stattdessen sich selbst immer erhöht. „Er hat sich als das Opfer dargestellt“, sagt Magaret Hoffmann.

Mildernde Umstände sind für den Staatsanwalt nicht zu erkennen, weil die heute sechs Jahre alte Tochter irgendwann von den grausamen Umständen des Todes ihrer Mutter erfahren und ihr Leben lang damit zu kämpfen haben werde. „Das Kind wird sich damit auseinandersetzen müssen, dass es ganz in der Nähe war, als die Mutter getötet wurde.“ Einem Betreuer soll sich das Mädchen inzwischen anvertraut und berichtet haben, dass der Mutter Hände und Kopf abgetrennt worden seien. „Das war kein Traum“, soll die Sechsjährige angefügt haben.

Magaret Hoffmann richtet schließlich direkte Worte an den Tatverdächtigen: „Sie wollten ihrer Tochter alles geben und haben ihr alles genommen: Die Mutter, den Vater, auch die Großeltern und das Zuhause.“ Wegen der Abscheulichkeit des Verbrechens und der Schlagzeilen über deutsche Grenzen hinaus müsse das Kind sogar seine Identität ändern. Nur ein Geständnis könne dem Kind noch helfen, „geben Sie sich einen Ruck“.

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