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Familien

Muttertag sollte umbenannt werden

Seifenblasen im Delfi-Kursus: ein Spaß für Mütter und Kleinkinder. Fotos: Elsen/Stief

Seifenblasen im Delfi-Kursus: ein Spaß für Mütter und Kleinkinder. Fotos: Elsen/Stief

Nach der Gender-Sprache kommt die nächste Forderung: Mutter- und Vatertag sollten umgewidmet werden. Die Gründe liegen im Kommerz.

Mittwoch, 10.05.2023, 03:23 Uhr

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Von Christine Cornelius

Der Familien- und Bildungsforscher Wassilios Fthenakis spricht sich für eine Umwidmung des Muttertags in einen Elterntag aus. Müttern werde sonst eine Verantwortung zugeschoben, die sie allein nicht wahrnehmen könnten und auch nicht wahrnahmen, sagte Fthenakis der Deutschen Presse-Agentur vor dem Muttertag an diesem Sonntag.

Auch der Vatertag könne so umgewidmet werden. "Elterntag als Tag der Liebe, des Miteinanders, des Verständnisses und Respekts." Keine Gesellschaft könne ohne Eltern bestehen, sagte Fthenakis. "Wir werden mit einem Modell nicht die ganze Vielfalt abbilden, aber den Geist, der dahintersteckt." Vor 100 Jahren gab es den Muttertag erstmals in Deutschland.

Fthenakis betonte, Frauen dürften nicht auf ihre Mutterrolle reduziert werden. "Der Muttertag baut Druck auf Frauen auf, die tagsüber keine Zeit haben, sich um die Kinder zu kümmern." Mit dem Muttertag diktiere die Gesellschaft der Frau, wie sie zu sein habe. "Der Muttertag ist ein Normierungsinstrument."

Elternforscherin Désirée Waterstradt sagte zu der Idee eines Elterntags: "Eine Zeit lang habe ich auch gedacht, das sei eine gute Idee. Aber die große Gefahr dabei ist heute, dass man sich sehr modern fühlen möchte und deshalb die evolutionären, historischen und aktuellen Unterschiede von Mutterschaft und Vaterschaft schlicht verdeckt." Ein Vater könne sich entscheiden, ob er kooperativ, fürsorglich und kindzentriert sein wolle - und wenn er sich dagegen entscheide, werde es ihm gesellschaftlich auch nicht übel genommen. "Für Mütter ist das völlig anders", sagte Waterstradt von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.

Familienforscher will Umwidmung von Muttertag in Elterntag

Hin und wieder äußern sich prominente Frauen zu den schwierigen Seiten der Mutterschaft. Silbermond-Frontfrau Stefanie Kloß sagte kürzlich in der Vox-Musikshow „Sing meinen Song“: „Mütter sind unter so einem krassen Spotlight.“ Es werde so viel von ihnen erwartet, obwohl sie schon selbst so viel von sich erwarteten. „Es gibt kein Handbuch, wo drinsteht, das macht die perfekte Mutter, egal, wie viele Erziehungsratgeber es gibt - sondern, du musst es jeden Tag neu lernen, was es heißt - einfach für dich - eine gute Mutter zu sein.“

Schauspielerin Wolke Hegenbarth sprach in einem Interview mit dem „Spiegel“ davon, sich in der Zeit mit Baby wahnsinnig allein gefühlt zu haben. Die Geschichte ende immer damit, dass die Frau ihr Baby bekomme und glücklich sei. „Was danach passiert, darüber spricht niemand.“ Sie wünsche sich mehr Wohlwollen, vor allem unter Müttern.

Judith Holofernes, ehemals Frontfrau der Band Wir sind Helden, beschreibt in ihrem Buch „Die Träume anderer Leute“, wie sie sich zwischen Erwartungen und der Realität mit kleinen Kindern aufrieb: “Ich würde funktionieren. Aber wie! Kinder hin oder her, ich würde das tüchtige, fleißige Mädchen sein, an dem ich so lange gearbeitet hatte.“ Das Touren mit Kindern klappt allerdings nicht so reibungslos wie gedacht, laugt sie aus bis zur Erschöpfung.

100 Jahre Muttertag in Deutschland

Die Anfänge des Muttertags liegen in den USA. Eine wichtige Rolle spielten dabei Anna Maria Reeves Jarvis und ihre Tochter Anna Jarvis. „Reeves Jarvis, die Gründerin der Mütterbewegung, hatte im 19. Jahrhundert gemerkt: Die Mütter sind am schlimmsten dran, sie haben ein viel größeres Problem als Frauen allgemein“, sagt Waterstradt, die zum Muttertag geforscht hat. Reeves Jarvis habe 1865 einen Mütter-Freundschaftstag als Netzwerk für Mütter organisiert.

Ihre Tochter Anna Jarvis zelebrierte demnach 1908, drei Jahre nach dem Tod der Mutter, zu Ehren deren Engagements einen ersten Muttertag. „Die Wurzeln in der Frauenbewegung werden heute völlig vergessen“, sagt die Elternforscherin. US-Präsident Woodrow Wilson führte den zweiten Sonntag im Mai 1914 als nationalen Ehrentag für Mütter ein. Schnell wurde er kommerzialisiert, wogegen Anna Jarvis hart, aber vergeblich ankämpfte.

Bald darauf kam die Idee in Europa an, zunächst in der Schweiz und in Skandinavien. In Deutschland gab es den ersten Muttertag am 13. Mai 1923. Statt feministischer Motive steckten dahinter kommerzielle Interessen - er wurde vom „Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber“ initiiert. Über den Muttertag in der NS-Zeit sagt Waterstradt, die deutsche Mutter sei kalt instrumentalisiert, propagandistisch überhöht und überwacht worden - mit dem nationalsozialistischen Ziel der Weltherrschaft der „arischen Rasse“. Der „Tag der deutschen Mutter“ sei zum Staatsfeiertag erhoben worden. (dpa)

 

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