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Fußbball-Nationalmannschaft

Nagelsmanns To-do-Liste: US-Tour, EM-Idee und Neuer-Frage

Julian Nagelsmann (links) bei der Präsentation neben DFB-Direktor Rudi Völler. Foto: dpa

Julian Nagelsmann (links) bei der Präsentation neben DFB-Direktor Rudi Völler. Foto: dpa

Julian Nagelsmann legt voller „Tatendrang” los. Die ersten Entscheidungen als Bundestrainer trifft er schon vor der offiziellen Vorstellung. Bis zur Premiere in den USA gibt's viel zu tun.

Freitag, 22.09.2023, 11:25 Uhr

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Nach seinem ersten Auftritt als Bundestrainer stand Julian Nagelsmann vor ein paar Blätterteigteilchen und Limo am Büfett - und das Grinsen wich ihm auch da kaum aus dem Gesicht. Schlagfertig wie immer in seiner steilen Trainer-Karriere hatte der 36-Jährige auch seine erste DFB-Pressekonferenz zuvor absolviert.

Der frühere Bayern-Coach trägt nun große Hoffnungen der geplagten Fußball-Nation. Für eine erfolgreiche Heim-EM 2024 und einen Weg aus der Dauerkrise. „Ich habe keinen Bammel davor”, versicherte der selbstbewusste Trainerstar vor seiner nächsten großen Aufgabe. „Das Verantwortungsbewusstsein habe ich schon, weil ich weiß, dass es nationales Interesse ist, eine gute Heim-EM zu spielen.”

Sein Vertrag läuft erst mal nur bis zum 31. Juli 2024 - zweieinhalb Wochen nach dem Endspiel der Europameisterschaft. Aber Nagelsmann ließ auf dem DFB-Campus in Frankfurt/Main keine Zweifel daran, dass er auch weitermachen würde, wenn alles zusammenpasst: „Dann steht dem nichts im Weg, dass wir über eine weitere Zusammenarbeit sprechen können.”

„Sommermärchen 2.0” als Idealvorstellung

„Sommermärchen 2.0 - das ist die Idealvorstellung”, sagte Nagelsmann mit Blick auf die Europameisterschaft vom 14. Juni bis 14. Juli 2024. „Der DFB hatte den Wunsch, wir hatten den Wunsch, dass gegenseitige Arbeit Vertrauen weckt und nicht das Papier als solches.” Auch so etwas habe er in seiner Zeit beim FC Bayern gelernt, wo er einst einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben hatte und von einem „Langzeitprojekt” die Rede war.

Sichtlich stolz saß Verbandspräsident Bernd Neuendorf auf dem Podium neben dem neuen Cheftrainer des Weltmeisters von 2014. „Wir sind überzeugt, dass Julian Nagelsmann als Bundestrainer dafür sorgen wird, dass die Nationalmannschaft ihre Fans begeistert und die EURO auch sportlich ein Erfolg wird”, sagte er. Nur zwölf Tage nach der Freistellung von Hansi Flick schaffte es der krisengeplagte DFB bei seiner derzeit fortlaufenden Postenvergabe, den neuen Bundestrainer fix zu machen - und das bei einer schwierigen Marktlage. Auch dank des FC Bayern, wo Nagelsmann noch bis 2026 unter Vertrag stand.

Völler lobt auch den FC Bayern

So lobte Völler alle Beteiligten für die unkomplizierte Abwicklung des spektakulären Wechsels. „Julian selbst und sein Management sind uns unglaublich entgegengekommen, das war so in der Form nicht zu erwarten”, sagte der Kurzzeit-Teamchef beim jüngsten 2:1 der DFB-Männer gegen den WM-Finalisten Frankreich. Der 63-jährige Völler wollte aber keinesfalls weitermachen und will künftig auch nicht neben Nagelsmann auf der Bank sitzen.

„Auch ein Lob für Bayern München, die haben wunderbar mitgespielt und sind uns und Julian entgegengekommen”, sagte Völler. Einem „Bild”-Bericht zufolge hat der deutsche Meister keine Ablöse für Nagelsmann verlangt. Und der gebürtige Landsberger wiederum soll deutliche Einbußen beim Gehalt in Kauf genommen haben. Dafür, betonte Nagelsmann, wolle er aber „keine Lorbeeren: Ich freue mich, dass ich das Vertrauen bekommen habe.” Der Vorschlag von Neuendorf und Völler ging nach DFB-Angaben einstimmig durch Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung. Vertragsdetails wollte Neuendorf nicht publik machen.

Mit Nagelsmann, der wie schon beim FC Bayern ein zweites Mal Flick nachfolgt, wird sich auch die Tonalität in der Nationalmannschaft ändern: Der gebürtige Landsberger verblüffte schon mit seiner Rhetorik und seiner mitreißenden Art, als ihn die TSG 1899 Hoffenheim als 28-Jährigen erstmals zum Cheftrainer in der Bundesliga machte. Er spricht eher die Sprache der Spieler als einer wie der pragmatische Flick (58).

Kapitän

Nagelsmann rief bereits einen Tag vor der Unterschrift seines DFB-Vertrages Ilkay Gündogan an, um den 69-maligen Nationalspieler zu informieren, dass er die Nationalmannschaft auch unter seiner Führung als Kapitän zur Heim-EM 2024 führen wird. Nagelsmann knüpft damit an eine der letzten Entscheidungen von Vorgänger Hansi Flick an. „Ich belasse es dabei. Ich bin von Ilkay als Mensch und Spieler extrem überzeugt”, lautete die Begründung. Der 32-jährige Gündogan steht damit in der Teamhierarchie weiter ganz oben und darf sich insofern als erster kleiner Gewinner der neuen Trainerlösung fühlen. 

Co-Tainer

Nagelsmann bringt Benjamin Glück mit zum DFB. Der 37-Jährige war schon ein ganz enger Vertrauter in Hoffenheim, Leipzig und auch beim FC Bayern. Dazu kommt Sandro Wagner (35). Den Ex-Nationalspieler hatte Nagelsmann einst in Hoffenheim trainiert. Wagner - zuletzt Aufstiegstrainer in Unterhaching - assistierte erfolgreich Interims-Teamchef Rudi Völler beim befreienden 2:1 gegen Frankreich. Nagelsmann sieht auch „Rudi als Teil des Trainerteams”. Der DFB-Sportdirektor wird auf dem Weg zur Heim-EM auch weiter „nah dran sein” an der Mannschaft. „Aber ich werde nicht mit auf die Bank gehen”, sagte Völler.

EM-Marschroute

Taktik-Freak Nagelsmann hat schon eine Spielidee im Kopf. Aber er weiß, dass er beim DFB kaum Trainingszeit zur Verfügung hat. „Der Plan wird nicht so komplex und kompliziert wie im Verein sein”, sagte er darum. Einfachheit wie bei Völlers Frankreich-Sieg sei auch ein wichtiger Punkt. Es werde bei ihm „nicht 14 verschiedene Grundordnungen” geben. Nagelsmann gab seiner Idee vom „attraktivem Fußball” eine plakative Überschrift: „Gesunde Aggressivität Richtung gegnerisches Tor”. Die Nationalelf soll die Fans wieder mitreißen. 

USA-Reise

Am 9. Oktober hebt der Flieger von Frankfurt nach Boston ab. Ein paar Tage davor muss Nagelsmann seinen ersten Kader nominieren für die Testspiele gegen die US-Auswahl am 14. Oktober in Hartford sowie drei Tage später (Ortszeit) gegen Mexiko in Philadelphia. „Für so eine Reise in die USA gibt es immer Für und Wider”, sagte er mit Blick auf die körperliche Belastung mit Jetlag und Reisen. Für ihn persönlich erkennt er aber „ein großes Für”, weil er gleich eine intensive Zeit mit der Mannschaft erleben könne. Kleiner Vorgeschmack aufs Heim-Turnier im kommenden Sommer.

Mannschaft

„Ich kenne jeden einzelnen Nationalspieler”, betonte Nagelsmann bei seiner Vorstellung. Sie sind ab sofort seine „Hauptansprechpartner”. Engen Kontakt will er auch außerhalb der Länderspielzeiten halten. Auf den großen Bayern-Block um Joshua Kimmich, Leroy Sané, Jamal Musiala oder auch Leon Goretzka, den er zurückholen dürfte, freue er sich ebenfalls: „Ich habe unglaublich gerne mit diesen Spielern zusammengearbeitet.” 

Torwartfrage

Was wird aus Manuel Neuer? Das Verhältnis des Bundestrainers zum langjährigen DFB-Kapitän hatte beim FC Bayern im Zuge der schweren Beinverletzung des Torwarts arg gelitten. Neuers Vertrauter und Torwartcoach Toni Tapalovic musste auch auf Nagelsmann Initiative hin gehen. Die Frage, ob ein gesunder und wieder top haltender Neuer die Chance hätte, bei ihm die Nummer 1 bei der EM zu sein, ließ Nagelsmann offen. Er antwortete: „Das Allerwichtigste ist - und das habe ich auch als Bayern-Trainer gesagt -, dass wir Manu die nötige Zeit geben, gesund zu werden und wieder hundert Prozent Leistungsfähigkeit zu kriegen. Wenn die Situation eintrifft, werden wir das bewerten.” (dpa)

Von Nerz bis Nagelsmann: Die DFB-Trainer seit 1926

  • Otto Nerz*, 1926-1936, Erfolge: WM-Dritter 1934
  • Sepp Herberger**, 1936-1964, Erfolge: Weltmeister 1954
  • Helmut Schön, 1964-1978, Erfolge: Europameister 1972, Weltmeister 1974
  • Jupp Derwall, 1978-1984, Erfolge: Europameister 1980
  • Franz Beckenbauer***, 1984-1990, Erfolge: Weltmeister 1990
  • Berti Vogts, 1990-1998, Erfolge: Europameister 1996
  • Erich Ribbeck, 1998-2000, Erfolge: -
  • Rudi Völler***, 2000-2004, Erfolge: Vize-Weltmeister 2002
  • Jürgen Klinsmann, 2004-2006, Erfolge: WM-Dritter 2006
  • Joachim Löw, 2006-2021, Erfolge: Weltmeister 2014
  • Hansi Flick, 2021-2023, Erfolge: -

* Reichstrainer

** bis 1945 Reichstrainer

*** DFB-Teamchef 

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