Neuaufstellung in der CDU wird kompliziert und langwierig werden

Hagen Strauß beobachtet in Berlin das Treiben um Noch-CDU-Chef Armin Laschet (links). Fotos: dpa-Bildfunk/Nordsee Zeitung
Der CDU ist ein weiterer Markenkern abhandengekommen: ihre große Disziplin. Die Dämme sind gebrochen. Wen wundert’s? Wenn nach 16 Jahren Regierungsführung eine Machtmaschine wie die Union eine so derbe Niederlage einfährt bei der Bundestagswahl, dann bleibt kein Stein auf dem anderen.
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Von Hagen Strauß
Inzwischen wird also alles hinterfragt, die Inhalte, der Kurs, das Personal, die Beteiligung der Basis. Der Prozess, den die Unionsführung zur Neuaufstellung beschlossen hat, ist mühsam, aber unvermeidbar. Wer den Neuanfang will, der muss mehr Mitbestimmung zulassen, das erwarten Parteigänger inzwischen. Auch in der Union.
Nicht zuletzt wegen der Art und Weise, wie der Kanzlerkandidat nominiert wurde. Zumal die Christdemokraten bei anderen gesehen haben, wie es funktionieren kann. Und wie die Basis manchmal dann doch ihren Willen durchsetzt gegen die Parteioberen. Armin Laschet hat jedenfalls verstanden, dass er nicht mehr derjenige sein wird, der die Union weiterführen kann. Nicht nach dem Debakel.
Laschets Verständnis von Pflichtbewusstsein
Auch wenn es nun noch einige Wochen oder sogar Monate dauern wird, bis die Union personell auf neuen Füßen steht. Laschet dürfte ebenso nicht derjenige sein, der über eine Jamaika-Koalition verhandeln wird. Wenn es zu dem sehr unwahrscheinlichen Fall doch noch kommen sollte. Ein Parteichef auf Abruf, der sich nur noch als Moderator sieht, dann aber doch anschickt, Kanzler zu werden? Das geht nicht.
Genau deshalb ist es aber aller Ehren wert, dass er die Brocken als CDU-Chef nicht einfach hinschmeißt. Könnte er ja. Sondern der Noch-Vorsitzende versucht, den Übergang einigermaßen zu ordnen und zu kontrollieren. Das scheint ihm zu gelingen. Es entspricht seinem Verständnis von Pflichtbewusstsein. Und wer sollte es denn zum jetzigen Zeitpunkt machen?
Personell drängt sich in der Union niemand auf
Die, die sich mehr oder weniger selber als künftige Vorsitzende ins Spiel bringen, agieren eher nach dem Motto: Person vor Partei. Meistens sind es übrigens auch jene, die gerne das Gegenteil beteuern, die aber schon im Wahlkampf volle Solidarität mit dem Kanzlerkandidaten haben missen lassen. Derzeit drängt sich niemand so richtig aus der bisherigen Führungsriege auf.
Und wenn vielleicht doch, wie der eine oder andere Ministerpräsident, wird bereits abgewinkt. Die Neuaufstellung und Neuausrichtung der Union wird daher weitaus komplizierter und langwieriger werden, als sich das viele in der Partei womöglich vorstellen werden.