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Tarifstreit

Post-Streik: Jedes fünfte Paket bleibt liegen

Die Post-Beschäftigten wollen mit einem erneuten Warnstreik den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen. Foto: dpa

Die Post-Beschäftigten wollen mit einem erneuten Warnstreik den Druck auf die Arbeitgeberseite erhöhen. Foto: dpa

Tag 6 in den Warnstreiks bei der Post. Verdi pocht weiterhin auf 15 Prozent mehr Geld für die Beschäftigten. Wer auf ein Paket oder einen Brief wartet, der könnte auch im Kreis Stade etwas Geduld brauchen.

Samstag, 28.01.2023, 13:30 Uhr

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Letztes Update am Sonnabend, 13.30 Uhr

Weil viele Post-Beschäftigte ihre Arbeit niedergelegt haben, ist Firmenangaben zufolge jedes fünfte Paket und jeder elfte Brief liegengeblieben. Rund 13.500 Beschäftigte hätten an den Warnstreiks in verschiedenen Regionen Deutschlands teilgenommen, sagte ein Post-Sprecher am Sonnabend in Bonn. Das sei etwas mehr als ein Drittel der Belegschaft in den betroffenen Standorten. Die Ausfallquote von 20 Prozent bei Paketen und 9 Prozent bei Briefen bezieht sich auf das tägliche Volumen in ganz Deutschland. Allerdings wurde nicht überall gestreikt. In Regionen, wo es Arbeitsausstände gab, war die Ausfallquote höher als im Bundesschnitt.

Gewerkschafter zeigten sich zufrieden mit den Arbeitsniederlegungen. „Es läuft gut”, sagte der für Postdienste zuständige Verdi-Landesfachbereichsleiter in NRW, Thomas Großstück. Eine Sprecherin des Verdi-Bundesverbandes sprach von einer ausgesprochen hohen Beteiligung.

Der Post-Sprecher sagte, dass die Warnstreik-Beteiligung in den einzelnen Regionen und Standorten unterschiedlich hoch ausfalle, wodurch sie sich auch unterschiedlich auswirke. Verzögerungen bei der Abholung und Auslieferung von Briefen und Paketen könnten dazu führen, dass die Sendungen „erst einige Tage später, das heißt je nach Ende der Streikaktivitäten vor Ort erst in der kommenden Woche ausgeliefert werden können”.

Gewerkschaft fordert 15 Prozent mehr Lohn

Bestreikt wurde zum Beispiel die Zustellung im Raum Bonn, in Bochum und im Münsterland - dort blieben viele Briefe und Pakete liegen und wurden nicht ausgetragen. Auch Mannheim, Stuttgart und Freiburg waren betroffen. Bereits seit Freitag wird auch in Niedersachsen gestreikt. Zuvor hatte es am Donnerstag hatte es Ausstände etwa in Braunschweig und auch in Bremen gegeben - diese sollten auf zusätzliche Städte und Kreise ausgeweitet werden.

Die Gewerkschaft fordert 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt für die rund 160.000 Tarifbeschäftigten im Bereich Post & Paket Deutschland. Begründet wird die Forderung unter anderem mit der Inflation. 140.000 Postler bekommen der Gewerkschaft zufolge ein Monatsentgelt, das bei 2108 bis 3090 Euro brutto liegt. Diese Tarifbeschäftigten seien im besonderen Maße von der hohen Inflation betroffen, da sie einen großen Anteil ihres Nettoeinkommens für Nahrungsmittel und Energie aufbringen müssen, argumentiert die Gewerkschaft.

Die letzte Tariferhöhung im Januar 2022 habe nur zwei Prozent betragen, heißt es von der Gewerkschaft mit Verweis auf die aktuell hohe Inflation. Die Tarifforderungen seien „notwendig, gerecht und machbar”, sagt Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis.

Das Management hält die Forderung der Gewerkschaft hingegen für überzogen und nicht darstellbar. Die Firmenspitze gibt zu bedenken, dass der Konzern finanziellen Spielraum für Investitionen brauche, um auch langfristig wettbewerbsfähig zu sein und Arbeitsplätze zu sichern. Außerdem verweist die Post darauf, dass der Konzerngewinn „zum übergroßen Teil mittlerweile im internationalen Geschäft erwirtschaftet” werde.

Verdi: Arbeitsbelastung der Postler hoch

Tatsächlich wurde im vergangenen Jahr nur etwa ein Sechstel des Betriebsgewinns (Ebit) der Deutschen Post DHL mit Briefen und Paketen in Deutschland erzielt, beim Personal liegt dieser Anteil hingegen bei circa einem Drittel. Deutlich profitabler als das Stammgeschäft sind für die Post längst die weltweiten Express- und Frachtgeschäfte.

Gewerkschafter pochen dennoch auf eine kräftige Entgelterhöhung für die Belegschaft im deutschen Stammgeschäft, also der Brief- und Paketbeförderung. Die Arbeitsbelastung der Postler sei hoch, betont Andreas Henze von Verdi Baden-Württemberg. In der Zustellung und in den Verteilzentren gingen Beschäftigte „auf dem Zahnfleisch”. „Sie müssen für die Konzerngewinne immer schneller und schwerer arbeiten”, sagt der Landesfachbereichsleiter Postdienste. „Ihr Knochenjob muss endlich finanziell wertgeschätzt werden.”

Bereits in der vergangenen Woche hatte es Arbeitsniederlegungen bei der Post gegeben, die zweite Warnstreik-Welle begann am Donnerstag. Am 8. Februar sollen die Tarifverhandlungen weitergehen. Dann will die Post ein eigenes Angebot vorlegen. „Trotz der unterschiedlichen Positionen gehen wir davon aus, dass wir in fairen und zügigen Gesprächen in der nächsten Verhandlungsrunde [...] vorankommen werden”, sagt der Post-Sprecher.

Pflicht zum möglichst schnellen Briefversand könnte gelockert werden

Der Versand von Briefen könnte in Zukunft etwas länger dauern. Das Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichte am Donnerstag ein Eckpunktepapier, in dem eine derzeit gültige Regel zur möglichst schnellen Briefbeförderung als nicht mehr zeitgemäß dargestellt wird. Es geht um die Vorgabe, dass 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag zugestellt werden müssen - so eine Regel soll in der anstehenden Reform des veralteten Postgesetzes „angepasst werden“. Das wäre eine Erleichterung für die Post, weil sie dann weniger Zeitdruck hätte. An anderer Stelle des Papiers wird der Bonner Konzern allerdings stärker in die Pflicht genommen.

Sollte die 80-Prozent-Vorgabe entweder abgesenkt oder abgeschafft werden, würden viele Briefe nicht schon am nächsten, sondern erst am übernächsten Werktag im Briefkasten landen. Das Papier ist eine Diskussionsgrundlage, um das Gesetzgebungsverfahren anzuschieben. Ein erster Gesetzentwurf könnte im Sommer vorgelegt werden. Wie die gesetzlichen Regeln am Ende aussehen werden, ist noch offen.

Auftakt zur Postgesetz-Reform

Aus dem Papier geht hervor, dass eine Vorgabe zu längeren Laufzeiten verschärft werden soll. Derzeit müssen 95 Prozent der Briefe am übernächsten Werktag beim Adressaten sein. So eine Vorgabe könnte angehoben werden - entweder in Bezug auf den übernächsten Tag nach dem Brief-Einwurf oder in Bezug auf den dritten Tag nach dem Einwurf.

Mit den Überlegungen reagiert das Ministerium auf die Tatsache, dass der Zeitfaktor beim Brieferhalt häufig keine Rolle mehr spielt, da die Menschen dringliche schriftliche Angelegenheiten mit Mails oder Chat-Nachrichten klären. „Die Erwartungen der Nutzerinnen und Nutzer an die verschiedenen Postdienstleistungen haben sich im Laufe der Zeit verändert“, heißt es in dem Papier. „Beim Brief stehen heute Verlässlichkeit und Verbindlichkeit im Vordergrund, beim Paket Geschwindigkeit und Planbarkeit.“

Das Postgesetz wurde zuletzt 1999 grundlegend überarbeitet - zu einer Zeit, als Briefe noch viel wichtiger waren als heute und Pakete nur eine Nebenrolle spielten.

Mit der Verschärfung der Vorgabe zu längeren Laufzeiten soll sichergestellt werden, dass Miseren wie im vergangenen Jahr nicht mehr vorkommen: Wegen Personalproblemen stellte die Post Briefe und Pakete mancherorts viel später zu als sonst üblich. Das führte zu einer Beschwerdewelle bei der Bundesnetzagentur.

Post drohen Bußgelder

Als Reaktion auf diese Probleme forderte die Aufsichtsbehörde eine Sanktionsmöglichkeit. Mit Buß- oder Zwangsgeldern will sie künftig den Druck auf die Post erhöhen, damit diese ihr Geschäft besser im Griff hat. In dem Eckpunktepapier werden nun „wirksame Anordnungs- und Sanktionsbefugnisse“ für die Netzagentur ins Gespräch gebracht. Als Reaktion auf die Eckpunkte schrieb Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller auf Twitter, seine Behörde begrüße „die Vorschläge für klarere Durchsetzungsregeln“.

Das Dokument enthält noch weitere Überlegungen zur anstehenden Gesetzesreform. So könnten Automaten künftig eine Rolle spielen, um Filialnetz-Pflichten zu erfüllen. Bisher tun sie das nicht. Die Post unterhält sogenannte Poststationen, bei denen man Pakete abholen und aufgeben sowie Briefmarken kaufen kann. Solche Automaten dürften gemeint sein.

Die Post reagierte zurückhaltend auf die Eckpunkte. „Der Postsektor ist mit kontinuierlich sinkenden Briefmengen sowie deutlich steigenden Kosten konfrontiert, die die wirtschaftliche Erbringung der Postversorgung zu erschwinglichen Preisen zunehmend gefährden“, sagte ein Firmensprecher. Man wolle „weiter gute Arbeitsbedingungen bieten und in den Umbau zu einem klimaneutralen Brief- und Paketdienst investieren“. Die Eckpunkte würden „den strukturellen Herausforderungen in vielen Punkten nicht gerecht“. Mit Blick auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Ausrichtung auf mehr soziale und ökologische Nachhaltigkeit greife das Papier zu kurz.

Der Bundesverband Briefdienste, in dem sich eher kleine Konkurrenten der Post zusammengeschlossen haben, wertete das Papier hingegen positiv. „Die Instrumente der Bundesnetzagentur werden wesentlich geschärft und damit der Wettstreit um die besten Leistungen und die günstigsten Preise auf eine faire Grundlage gestellt“, sagte der Verbandsvorsitzende Walther Otremba.

Paketmengen im Weihnachtsgeschäft geringer als erwartet

Die Bundesbürger haben in der vergangenen Weihnachtszeit deutlich weniger Pakete bekommen als von Branchenexperten erwartet. Im November und Dezember seien in Deutschland rund 395 Millionen Sendungen an Privatleute zugestellt worden und damit 20 Millionen weniger als im vergangenen Herbst prognostiziert, teilte der Bundesverband Paket & Expresslogistik (Biek) am Donnerstag in Berlin mit und bezog sich dabei auf eine Analyse von KE-Consult. Eine Biek-Sprecherin begründete die niedrigere Zahl mit der Kaufzurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher - diese habe sich stärker bemerkbar gemacht als zunächst angenommen.

Weihnachten ist für die Paketfirmen die wichtigste Zeit des Jahres. Verkaufsaktionen wie der Black Friday Ende November kurbeln den Konsum an, und je näher Heiligabend rückt, desto intensiver suchen viele Verbraucher im Internet nach Geschenken. Dementsprechend hoch sind die Paketmengen.

Nach starken Wachstumsjahren in Corona-Zeiten machte die Paketbranche in der vergangenen Weihnachtszeit gewissermaßen eine Verschnaufpause. Im Weihnachtsgeschäft 2021 waren es 440 Millionen Sendungen gewesen - also viel mehr als zuvor. Die 395 Millionen im Weihnachtsgeschäft 2022 sind noch immer ein deutlich höheres Niveau als vor der Corona-Pandemie: Im November und Dezember 2019 waren in Deutschland 366 Millionen Sendungen an Privatleute verschickt worden. (dpa)

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