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Sensortechnik

Professor der TU Harburg entwickelt intelligente Astronauten-Kleidung

Ulf Kulau : neuer Juniorprofessor an der TU. Foto: TUHH

Ulf Kulau : neuer Juniorprofessor an der TU. Foto: TUHH

Smarte Sensoren machen's möglich: Den deutschen ISS-Astronauten Matthias Maurer hat Ulf Kulau aktuell bereits eingekleidet. Aber auch auf der Erde funktioniert die Technik, die der Gesundheitsüberwachung dient.

Von Claudia Michaelis Samstag, 29.01.2022, 15:15 Uhr

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Eigentlich wäre er gerne Pilot geworden, aber seine Augen waren zu schlecht für diesen Berufsweg, erzählt Ulf Kulau. Mit Berufswunsch Nummer zwei hat es besser geklappt, und statt in die Luft zu gehen, macht er nun „cooles Zeug mit Sensoren“, die in der Landwirtschaft, Raumfahrt oder Medizin eingesetzt werden.

„Sensoren und Sensornetze haben mich immer schon fasziniert, da sie eine Schnittstelle zwischen realer und digitaler Welt darstellen“, erklärt der Wissenschaftler, der jüngst als Juniorprofessor für Smart Sensors an die TU Hamburg nach Harburg gekommen ist.

Smarte Sensoren können gemessene Daten mit der Signal- und Datenverarbeitung koppeln. Sie ermöglichen eine Fusion zwischen Sensorik und Informatik. Das lässt sich beispielsweise für die Landwirtschaft nutzen, wo mit Hilfe von Sensoren zunächst Blatttemperatur, Bodentemperatur sowie Luft- und Bodenfeuchtigkeit gemessen werden.

Mit Sensoren bestückte T-Shirts: Harburger Forschung fürs All

„Smart“ wird der Sensor dadurch, dass die Daten nicht einfach nur weitergeleitet, sondern direkt auf dem Sensor vorverarbeitet werden, erklärt Kulau. So lasse sich ein durch Wassermangel hervorgerufener „Trockenstressindex“ berechnen, der die gemessenen Daten mit Hilfe eingebetteter künstlicher Intelligenz über längere Zeit auswertet und auf dem Sensorsystem eine Entscheidung für eine Maßnahme, beispielsweise mehr Wasser, fällt. „Nebenbei sollten solche Sensoren im besten Fall energieautonom arbeiten. Die Energieeffizienz solch kleiner eingebetteter Systeme ist ein weiteres Kernthema meiner Forschung“, ergänzt der Informatiker.

Nach seinem Informatikstudium und anschließender Dissertation an der TU Braunschweig ist Kulau bei der DSI Aerospace Technologie in Bremen tätig und arbeitet an Forschungsprojekten für die Weltraumelektronik. Er hat die Sensoren für ein smartes Shirt entwickelt, das der deutsche Astronaut Matthias Maurer während seiner aktuellen Mission auf der Internationalen Raumstation (ISS) trägt.

Sensoren im Shirt überwachen Herzparameter und Blutdruck

Das Smart-Shirt ist mit zwei daumengroßen Sensoren ausgestattet, die am Herzen und an der Halsschlagader von Astronauten kleinste, durch den Herzschlag ausgelöste Bewegungen des Brustkorbs wahrnehmen können. Aus diesen sollen wichtige Herzparameter wie der relative Blutdruck und die Öffnungs- und Schließzeiten der Herzklappen berechnet werden können. „Mit dieser Methode könnten wir zukünftig mit kleinster Technologie tiefere Einblicke in die Physiologie eines Astronauten bekommen und so zum Beispiel die Folgen des Muskelabbaus in der Schwerelosigkeit beobachten“, erklärt Kulau.

Die Ergebnisse des Experiments sind vor allem mit Blick auf zukünftige Gesundheitsüberwachungssysteme im Weltraum interessant. Kulaus Vision geht aber darüber hinaus. Künftig könne er sich vorstellen, dass alle Astronauten mit Sensoren ausgestattet würden, um eine Art Frühwarnsystem zu entwickeln. „Vor allem bei Außeneinsätzen stehen Astronauten unter enormem Stress und erkennen im Notfall ihre eigenen körperlichen Grenzen nicht. Die Sensoren könnten Veränderungen im Herzschlag frühzeitig feststellen und dem Astronauten signalisieren: Mach mal eine Pause.“

Technologie auch im Gesundheitswesen auf der Erde einsetzbar

Doch auch auf der Erde finden sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für die Technologie, zum Beispiel, um das Herz kranker Patienten dauerhaft zu beobachten. Immerhin sind 44 Prozent aller Todesfälle in Deutschland auf Herz- und Kreislauferkrankungen zurückzuführen.

Sein straffes Programm lässt Kulau allerdings nur wenig Zeit für sein privates Projekt: ein Hobbylandwirt zu werden. Derzeit teilt er mit seiner Familie einen alten Resthof mit 40 Hühnern, Kaninchen, Hund und Katze. Sein Wunsch: „Vielleicht kommen irgendwann ein paar Galloway-Rinder dazu.“

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