Nächtliche Militärkonvois – Airbus mischt bei „Red Storm Bravo“ in Hamburg mit

Bei der Übung „Red Storm Alpha“ im vergangenen Jahr ging es um den Schutz wichtiger Infrastruktur im Hamburger Hafen. Bei der nun anstehenden Übung „Red Storm Bravo“ dreht es sich um die militärisch-zivile Zusammenarbeit bei der Verlegung großer Truppenteile. (Archivbild) Foto: Markus Scholz/dpa
Militärkonvois auf den Straßen, Hubschrauber über Hamburg und simulierte Notfälle: Wie realitätsnah die Bundeswehr für den Ernstfall trainiert – und warum diesmal auch Airbus und Polizei mitmischen.
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Hamburg. Die Bundeswehr probt von Donnerstag bis Samstag im Hamburger Hafen und in der Innenstadt den Ernstfall: Rund 500 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Akteure beteiligen sich nach Angaben der Bundeswehr an der Übung „Red Storm Bravo“.
Sie sei eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der die sicherheitspolitische Lage in Europa grundlegend geändert und die Notwendigkeit einer wirksamen Landes- und Bündnisverteidigung verstärkt in den Fokus gerückt habe. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist Basis der Übung?
Basis von „Red Storm Bravo“ ist der Ende März 2024 vom Territorialen Führungskommando der Bundeswehr vorgelegte „Operationsplan Deutschland“. Mit ihm gewährleistet Deutschland laut Bundeswehr auch den Aufmarsch und die Versorgung Tausender Nato-Kräfte über und auf deutschem Territorium. Deutschland gilt aufgrund seiner geografischen Lage als Aufmarschgebiet und zentrale Drehscheibe für Truppenverlegungen in Europa.
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„Sollte Russland beabsichtigen, die Nato zu testen, wird Deutschland zur Drehscheibe für die Verlegung von Truppen und Material an die Ostflanke des Bündnisgebietes“, sagte der Kommandeur des Landeskommandos Hamburg,
Kapitän zur See Kurt Leonards.
Was ist das Szenario der Übung?
Für die Übung wird angenommen, dass wegen Vorkommnissen an den Grenzen der baltischen Staaten vorsorglich eine große Zahl militärischer Kräfte an die Nato-Ostgrenze verlegt werden muss. Das Szenario sieht vor, dass Truppen samt Ausrüstung und Waffensystemen im Hafen ankommen und von dort auf der Straße oder per Bahn weiter Richtung Osten transportiert werden.
Was ist das Ziel?
Ging es bei der Übung „Red Storm Alpha“ im vergangenen Jahr um den Schutz wichtiger Infrastruktur im Hafen, soll diesmal die Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Einrichtungen bei der Verlegung von Truppen durch das Stadtgebiet geübt werden.

An der anstehenden Übung „Red Storm Bravo“ nehmen laut Bundeswehr rund 500 Soldatinnen und Soldaten teil. (Archivbild) Foto: Steven Hutchings/dpa
„Da Verteidigung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht allein von der Bundeswehr geleistet werden kann, nehmen an „Red Storm Bravo“ auch zivile Blaulichtorganisationen, Hamburger Behörden und Unternehmen der Hafen- und Logistikbranche teil“, sagte Leonards. Konkret seien dies neben Feuerwehr, THW und Polizei unter anderem auch die Agentur für Arbeit und Unternehmen wie Airbus und der Hafenlogistiker HHLA.
Welche Truppenteile nehmen an der Übung teil?
Neben dem Landeskommando Hamburg beteiligen sich den Angaben zufolge die Panzerlehrbrigade 9 mit dem Panzergrenadierlehrbataillon 92 aus Munster sowie das Versorgungsbataillon 141 aus Neustadt am Rübenberge. Ebenfalls dabei sind das Transporthubschrauberregiment 10 „Lüneburger Heide“ aus Fassberg sowie Hamburger Dienststellen der Bundeswehr wie die Führungsakademie, das Bundeswehrkrankenhaus und das Feldjägerregiment 1.
Wie läuft die Übung ab?
Wie im Ernstfall findet die Übung laut Bundeswehr vor allem nachts statt. Dann sollen unter anderem Militärkonvois vom Hafen durch die Stadt rollen und zur Absicherung aus der Luft von Hubschraubern begleitet werden.
Erschwerend soll ein Massenanfall von Verwundeten und Verletzten simuliert werden. Die Koordination der Truppen und des Einsatzes der Hilfsorganisationen übernehme eine eigens eingerichtete Operationszentrale in der Reichspräsident-Ebert-Kaserne im Stadtteil Iserbrook.

Hamburgs Einwohnerinnen und Einwohner müssen während der Übung „Red Storm Bravo“ mit Militärfahrzeugkolonnen sowie dem Lärm von Hubschraubern rechnen. (Archivbild) Foto: Markus Scholz/dpa
Wo und wann genau wird geübt?
Da gibt sich die Bundeswehr zugeknöpft, teilt nur mit: „Die Übung findet in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs und dem Hafen statt.“
Das Verteidigungsministerium wiederum verweist auf eine Notwendigkeit der Geheimhaltung und erklärt zu einer entsprechenden Kleinen Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion: „Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie deutliche Rückschlüsse zu eigenen militärischen Handlungs- und Verteidigungsfähigkeiten erlauben.“ Sie enthielten eine Fülle sicherheitsrelevanter Angaben, deren Bekanntwerden feindlich gesinnte Kräfte nutzen könnten.
Wie sind die Auswirkungen der Übung auf die Bevölkerung?
Die Bundeswehr hat die Übung nach eigenen Angaben so geplant, dass der Hafenbetrieb und das tägliche Leben in der Hansestadt möglichst wenig beeinträchtigt werden. Dennoch sei ganztägig mit Fluglärm und Kolonnenfahrten zu rechnen.
„Denn um im Ernstfall Deutschland und seine Bürgerinnen und Bürger verteidigen zu können, muss die Bundeswehr üben – und zwar so nah an der Realität wie möglich“, erklärte die Bundeswehr. Informationen zum Übungsgeschehen und Verkehrsbeeinträchtigungen würden über Facebook veröffentlicht.
Was ist die Bedeutung der Häfen für die Verteidigung?
„Ob es um den schnellen Umschlag schwerer militärischer Ausrüstung, um
Nachschub für die Bundeswehr oder um die Unterstützung von Nato-Partnern geht: Ohne leistungsfähige Hafeninfrastruktur ist eine glaubwürdige Verteidigungsfähigkeit Europas nicht vorstellbar“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), Florian Keisinger.
Damit das funktioniere, müsse der Bund die Häfen und das Hinterland für militärische Zwecke ertüchtigen. Der Investitionsbedarf liege bei drei Milliarden Euro. Zudem müssten die Zuständigkeiten geklärt und Rechtsgrundlagen etwa für die Drohnen- und Cyberabwehr in Häfen geschaffen werden.
Was hat die Agentur für Arbeit bei der Übung zu schaffen?
Im Spannungs- oder Verteidigungsfall hat die Agentur für Arbeit nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz die Aufgabe, den Arbeitskräftebedarf zur Verteidigung des Bundesgebietes sowie zum Schutz und zur Versorgung der Zivilbevölkerung abzudecken. Finden sich nicht genug Freiwillige, kann sie Menschen verpflichten oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen beschränken - etwa im Gesundheitswesen, beim Transport, bei der Energieversorgung oder in der öffentlichen Verwaltung.
Bei „Red Storm Bravo“ prüfe sie vor allem Abläufe für die Vermittlung von Arbeitskräften für versorgungs- und sicherheitsrelevante Aufgaben, heißt es. „Diese Art der Erprobung erfolgt erstmalig, da das Gesetz bisher weder Anwendung gefunden hat, noch anderweitig geübt wurde“, erklärt die Bundeswehr. Das Verteidigungsministerium betont jedoch: „Die Agentur für Arbeit Hamburg beteiligt sich nicht mit Personal und Gerät“, sondern nehme die Übung lediglich zum Anlass, die Umsetzung des Arbeitssicherstellungsgesetzes eigenständig zu üben.
Ist mit Protesten zu rechnen?
Ja. Bereits am Donnerstag laden die Linken um 19.00 Uhr ins Rathaus, um unter dem Titel „Arbeitszwang & Kriegswirtschaft - Was das Manöver „Red Storm Bravo“ für Hamburgs Beschäftigte bedeutet“ über die Arbeitsagentur zu diskutieren. Für Freitag (18.00 Uhr) rufen sie dann unter dem Motto „Keine Kriegsspiele in Hamburg“ zu einer Demonstration auf dem Rathausmarkt auf.
Und auch am Samstag (13.00 Uhr) ist am Hauptbahnhof/Hühnerposten unter dem Motto „Nein zur Nato-Kriegsübung Red Storm Bravo – Ja zur zivilen Entwicklung“ eine Demonstration geplant. Die Bundeswehr selbst habe das im Blick, erklärte das Verteidigungsministerium und betont: „Der Umgang mit zivilen Protesten wird dargestellt und geübt.“