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Prozess

Nach Tod einer Schwangeren auf der A7: Bewährung für 42-Jährigen

Ein 42-Jähriger muss sich wegen des Unfalls vor dem Amtsgericht Norderstedt verantworten.

Ein 42-Jähriger muss sich wegen des Unfalls vor dem Amtsgericht Norderstedt verantworten. Foto: Markus Scholz/dpa

Die Tragik ist unermesslich: Ungebremst rast ein Transporter auf der Autobahn 7 in ein Stauende. An den Folgen der Kollision sterben eine Frau und ihr ungeborenes Kind. Wie konnte das passieren?

Von dpa Dienstag, 07.10.2025, 13:45 Uhr

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Norderstedt. Juristische Aufarbeitung eines tragischen Unfalls am Stauende auf der A7: Die Ablenkung eines Transporterfahrers bei Tempo 120 kostet eine 30 Jahre alte Schwangere und ihr ungeborenes Kind das Leben. Am Dienstag, 7. Oktober, hat das Amtsgericht Norderstedt den Unfallverursacher wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung verurteilt.

Zuvor hatte der Angeklagte vollumfänglich gestanden und gegenüber den Eltern des Opfers Reue gezeigt. Im Saal F des Amtsgerichts wandte sich der Angeklagte an die als Nebenkläger auftretenden Eltern der Schwangeren. „Diese Tragödie, all das, was passiert ist, bedauere ich zutiefst. Es tut mir sehr leid“, gab eine Übersetzerin die Worte des Mannes wieder. In seinem letzten Wort sagte er: „Ich weiß, dass ich schuldig bin.“

Was war passiert?

Der in Moldawien lebende Angeklagte arbeitet seit elf Jahren als Kraftfahrer, seit acht Jahren ist er regelmäßig auch auf deutschen Straßen unterwegs. Er transportiert Pakete und auch Menschen. Am Morgen des Unfalls am 10. März 2024 startet er gegen 7.00 Uhr von einem Hamburger Rastplatz aus in Richtung Kiel. Sein Mobiltelefon dient als Navigationsgerät. Es ist in einer Halterung fixiert.

Während der Fahrt will er nach eigenen Angaben das Gerät laden und dazu das Ladekabel anschließen. Warum er das tut? „Ich kann es selber nicht nachvollziehen“, übersetzt die Dolmetscherin seine Angaben.

Der Tempomat ist eingeschaltet. Gegen 7.43 Uhr nähert sich sein Transporter auf gerader Strecke auf der dreispurigen Autobahn 7 bei Alveslohe (Kreis Segeberg) einem Stauende. Der Fahrer bekommt dies aber nicht mit. Laut einem Gutachten reagiert er erst kurz vor der Kollision mit dem Wagen mit einer Lenkbewegung.

Zu spät. Der Wagen der Frau und zwei weitere Fahrzeuge werden in den Unfall verwickelt. Die Schäden vor allem am Wagen der Frau sind enorm. Die Richterin zeigt Fotos aus dem Gutachten.

„Etwas Grausames war geschehen“

Bereits bei der Polizei und auch vor Gericht räumt der Mann seine Schuld ein. Er könne nicht in Worte fassen, wie sehr er das Geschehen bereue, gibt die Dolmetscherin seine Aussage wieder. Nach dem Unfall sei er ausgestiegen und habe nach hinten gesehen. Dann sei ihm klar geworden, „dass etwas Grausames geschehen war“. Er habe hingehen und helfen wollen. „Aber ich konnte es nicht.“

Die Eltern des Opfers hören dem Mann zu, halten sich immer wieder an den Händen und es fließen Tränen. Der Angeklagte hat selbst Kinder. „Ich kann mir denken, wie sich das anfühlt“, übersetzt die Dolmetscherin seine Worte.

Weitere Verletzte

Bei dem Aufprall erlitt die im siebten Monat schwangere Frau lebensgefährliche Verletzungen. Ihr Kind wurde einen Tag später tot entbunden. Mediziner stellten danach den Unfall als Todesursache des Enkels der Nebenkläger fest. Die Mutter starb zwei Tage nach dem Unfall an ihren schweren Verletzungen. Außerdem wurden drei weitere Menschen verletzt. Der Fahrer des Transporters blieb unverletzt.

Das Urteil ist nah am Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Allerdings wurde darin eine von der Staatsanwaltschaft beantragte viermonatige Sperrung des Führerscheins abgelehnt, weil dies dem Familienvater die Erwerbsgrundlage entziehen würde. „Was sich abgespielt hat, ist eine unfassbare Tragödie“, sagt die Richterin. Sie bezweifelt aber, dass der Angeklagte nur einen kurzen Moment mit dem Handy beschäftigt war. Angesichts dessen Einkommens von rund 800 Euro habe sie auch auf die Verhängung eines Schmerzensgeldes verzichtet.

Richterin spricht von „unfassbarer Tragödie“

Die Staatsanwältin sprach von einem „Augenblicksversagen“. Der tragische Unfall zeige, wie folgenschwer eine Ablenkung im Straßenverkehr sein könne.

Auch die Verteidigerin des Mannes sprach von einem unfassbar traurigen Vorgang. „Es ist das Allerschlimmste passiert, was passieren konnte.“ Die strafrechtliche Schuld ihres Mandanten sei deutlich geringer als die moralische Schuld. Für angemessen bezeichnete sie eine Geldstrafe oder eine Bewährungsstrafe bis sechs Monaten, längstens zehn Monaten.

Nebenklage wegen Handy am Steuer

Der Nebenkläger-Vertreter betonte nach dem Urteil, „dass diese weit verbreitete Unsitte, ein Handy einzustöpseln oder am Ohr zu führen oder aber SMS zu schreiben oder WhatsApp-Nachrichten zu fertigen, im Straßenverkehr nichts verloren hat“. Der Fall zeige, welche tragischen Folgen derartiges Verhalten haben könne. Die Eltern hätten nun zumindest die juristische Aufarbeitung erlebt, sagte der Anwalt. „Man muss natürlich sagen: die Tochter wird es nicht wiederbringen.“

Die Entscheidung des Amtsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Gegen sie können binnen einer Woche Rechtsmittel eingelegt werden. Im Falle einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung beträgt das Höchststrafmaß fünf Jahre.

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