Repair-Café in Estebrügge: Fachsimpeln über altes Gerät und neue Kontakte

Wilfrid Schweiger-Lemgo (links) und Lutz Wörner (rechts) schauen Steffen Gill zu, wie er den Staubsauger repariert. Fotos: Felsch
Reparieren und dabei ins Gespräch kommen - das ist im Repair-Café in der Brückenbäckerei in Estebrügge möglich - und gewollt. Denn es geht nicht nur darum, den Staubsauger oder den Lüfter wieder zum Laufen zu bringen.
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Der erste „Kunde“ am Donnerstagabend beim Repair-Café in der Brückenbäckerei ist Lutz Wörner. Mit einem roten AEG-Sauger, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Und immer gute Dienste verrichtete, bis gestern, wie Lutz Wörner betont. Steffen Gill blickt skeptisch ins Innere des kleinen Geräts und findet tatsächlich nach einer halben Stunde Herumexperimentieren den Fehler, während ihm Lutz Wörner und Wilfrid Schweiger-Lemgo, auf dessen Idee das Repair-Café entstand, interessiert über die Schulter schauen.
Fachsimpeln über alte Staubsauger
Beim Repair-Café geht es auch darum, die Kontakte der Ortsbewohner untereinander zu stärken. Man unterhält sich über dies und das, fachsimpelt über alte Staubsauger, die mindestens so gut sind, wie moderne, neue, und googelt, ob es dafür noch einen Motor zu kaufen gibt. Der ist nämlich kaputt. „Immerhin wissen wir jetzt, woran es liegt, und dann kann der Besitzer entscheiden, ob er sich das leisten will“, sagt Steffen Gill.
Das Ersatzteil kostet mit Lieferung fast 60 Euro, stellt Lutz Wörner mit einem Blick auf sein Handy fest. „Das lohnt sich nicht. Für das Geld kriegt man einen neuen“, kommen beide Männer zu dem Schluss, und Wörner nimmt den Bodenstaubsauger wieder mit, um ihn fachgerecht zu entsorgen.

Lutz Wörner (links) und Steffen Gill.
Spenden für die Brückenbäckerei
Bevor er geht, wirft er noch etwas in die bereitgestellte Spendenbox, denn die Ehrenamtlichen vom Repair-Café arbeiten unentgeltlich, freuen sich aber über Zuschüsse für die Brückenbäckerei - einem Treffpunkt im Ort für jedermann, entstanden aus einer Initiative, die den kulturellen und sozialen Zusammenhalt in den Este-Gemeinden fördert. Mit Veranstaltungen sowie Aktionen für Jung und Alt.
An den Sonntagen, wenn es frisch gebackenen Kuchen gibt, ist es immer richtig voll. Einer der Stammgäste ist Frank Heinrich. „Das ist schön, aber man muss sich beeilen, sonst ist nichts mehr da“, meint der 69-Jährige, der am Donnerstag beim Repair-Café gleich zwei Teile aus seiner Tasche holt. Einen Heizlüfter, der nur kalte Luft herausbläst und ein altes Kofferradio. „Das stammt noch von meinem Vater, weil es ein Andenken an ihn ist, möchte ich es natürlich nicht wegwerfen“, sagt der Rentner.
„Das sehen wir genauso“, erwidert Steffen Gill. „Es geht einerseits um Nachhaltigkeit, aber auch, um den Leuten ihre Erinnerungen zu erhalten.“ Für den Lüfter wird ein Ersatzteil geordert, das wenig kostet.
Nur beim Radio muss der 56-Jährige passen. „Es könnte vielleicht am Kabel liegen“, mutmaßt der Fachmann. Die Beiden einigen sich darauf, dass Frank Heinrich zu Hause ausprobiert, ob das Radio mit Batterien läuft. Wenn nicht, kann er in vier Wochen wiederkommen.

Steffen Gill repariert eine alte Wanduhr aus dem Familienbesitz.
Kurz vor 20 Uhr setzt sich Albert Freyer aus Jork-Moorende an den Tisch, auf dem der Werkzeugkasten steht. Seine alte Wanduhr aus dem Familienbesitz zeige nicht mehr die richtige Zeit an, ob ihm Steffen helfen könne. Mit wenigen Handgriffen ist das Problem gelöst. Steffen Gill werkelt mit dem Schraubenzieher ein bisschen herum - und schon tickt die Uhr wieder.
Stechuhr aus dem Müll kann repariert werden
Albert Freyer war früher schon einmal hier - mit einer Stechuhr, die er in Hamburg-Altona aus dem Müll gefischt hatte. Auch die konnte Steffen Gill wieder in Gang setzen. „Sowas freut mich dann besonders“, gibt er zu. „Denn das sind historische Kleinode, das wäre doch jammerschade.“ Die Stechuhr sei fast 300 Euro wert, wie sie gemeinsam herausgefunden haben. Aber der materielle Wert zähle nicht unbedingt. „Viele Menschen haben Spaß an alten Dingen, die heute nicht mehr hergestellt werden“, so Steffen Gill. So wie er Spaß hat am Basteln und Reparieren.
Einmal im Monat stellen er und sein Kollege Jürgen Neumann, ebenfalls ausgebildeter Radio- und Fernsehtechniker, beim Repair-Café ihr Know-How kostenlos zur Verfügung. Und selbst wenn die „Wiederbelebungsversuche“ erfolglos bleiben, war es nicht ganz umsonst. Der Eigentümer des defekten Geräts weiß zumindest, ob eine Reparatur möglich ist oder nicht. Darüber hinaus hat man sich zumindest nett unterhalten und die eine oder andere Neuigkeit erfahren.
Das Repair-Café in der Brückenbäckerei ist einmal im Monat geöffnet, außer in der Sommerzeit. Der nächste Termin ist am Donnerstag, 5. Oktober, 18 bis 20 Uhr. Die Termine stehen auf der Homepage.