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Naturphänomene

Rosskastanien wehren sich gegen Klima und Miniermotte

Überall fallen jetzt die Rosskastanien.

Überall fallen jetzt die Rosskastanien. Foto: Hajo Schaffhäuser

So schön Rosskastanien anzusehen sind: Sie haben es schwer in Nordeuropa. Hier ist das Klima rauer und windiger als in ihrer Heimat auf dem Balkan. Die Miniermotte sowie ein Pilz und ein Bakterium machen ihr zunehmend zu schaffen.

Von Wolfgang Kurtze Freitag, 20.10.2023, 21:15 Uhr

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Landkreis. An einer Rosskastanie ist fast alles gigantisch. Ihr Wuchs: 25 Meter hoch und raumgreifend breit kann sie sein. Die Blätter: Die riesigen, handförmigen Blätter können 45 Zentimeter lang werden, allein der Blattstiel misst 20 Zentimeter. Die Blütenstände: Große, 30 Zentimeter lange, kerzenförmige Rispen zieren den Baum im Mai. Ihre Früchte: In den stachligen Kapseln sitzt in der Regel ein wundervoll glänzender, großer, brauner Samen. Damit lassen sich Streichholzmännchen, Ketten, Pferdchen oder Kränze basteln.

Im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa angesiedelt

So schön Rosskastanien anzusehen sind: Sie haben es schwer bei uns. Denn ihre Heimat ist das warme Hochland des Balkans. Im 16. Jahrhundert, zur Zeit der Schlossgärten, wurden die Prachtbäume in Mitteleuropa angepflanzt. Hier ist das Kima aber rauer und windiger. Das weiche und leicht zu spaltende Holz bricht leicht im Sturm. Deshalb war die Kastanie als Forstbaum nicht geeignet. Als Park-und Alleebaum blieb sie uns erhalten.

Doch dann erreichte die Kastanien-Miniermotte ab den 1990er Jahren Mitteleuropa und schädigte die Blätter und damit das Wachstum der Bäume. Es kam noch schlimmer: Eine unsägliche Kombination von Bakterium und Pilz ließ viele Rosskastanien besonders in den Städten erkranken.

Vielfach mussten sie gefällt werden. Das zunehmend trocken-heiße Klima mag sie auch nicht. Es scheint, dass die glanzvolle Ära der Rosskastanien zu Ende geht.

Eine Zeitlang wird sich die Kastanie mit ihrer Strategie bei uns noch behaupten können.

Insekten und Fledermäuse schätzen die Kastanie

Das macht sie so: Im Herbst wirft sie ihre mächtigen Blätter ab. Sie bedecken großflächig den Boden. Fast nichts keimt und wächst unter der Kastanienkrone. Auch durch den weiten Schattenwurf des Baumes können in ihrem Kronenbereich andere Gehölze schwer keimen. Nur einige der massigen Kastaniensamen haben genug Kraft und schaffen es, sich zu einem neuen Pflänzchen zu entwickeln. So kann die Kastanie neue Nachkommen hervorbringen.

Sicher: Die Rosskastanie ist bei uns nicht zu Hause und nimmt heimischen Gehölzen den Lebensraum. Doch im Holz von Kastanien entstehen oft Höhlen. Die sind bei Fledermäusen beliebt. Die Blüten sind reich an Nektar. Das erfreut Insekten. Uns gefällt die gelbe Herbstfärbung der Blätter. Die glänzend braunen Samen werden von Kindern gern gesammelt. Doch die Kastanienblätter sind ökologisch völlig uninteressant und bieten - außer der Kastanien-Miniermotte - nur den Raupen eines Nachtfalters Nahrung.

Die Serie

Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt für das TAGEBLATT regelmäßig über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die spannenden und informativen Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge.

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