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Gewalt in der US-Hauptstadt

Trump spricht nach Schüssen auf Nationalgarde von Terrorakt

Trump nennt den Angriff in Washington einen Terrorakt. (Archivbild)

Trump nennt den Angriff in Washington einen Terrorakt. (Archivbild) Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Die Nationalgarde ist auf Befehl von Präsident Trump in der US-Hauptstadt. Jetzt fallen Schüsse, zwei Soldaten werden schwer verletzt. In einer Ansprache an die Nation kündigt Trump Konsequenzen an.

Von Luzia Geier und Anna Ringle, dpa Donnerstag, 27.11.2025, 03:20 Uhr

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Washington. US-Präsident Donald Trump hat einen bewaffneten Angriff auf zwei Nationalgardisten in der Hauptstadt Washington als „Akt des Terrors“ bezeichnet und drastische politische Konsequenzen angekündigt. Weil es sich bei dem mutmaßlichen Täter den Behörden zufolge um einen Afghanen handelt, kündigte Trump Überprüfungen aller Ausländer aus Afghanistan an, die unter seinem demokratischen Amtsvorgänger Joe Biden in die USA gekommen waren. 

Zudem werde er „alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Ausländer aus allen Ländern abgeschoben werden, die nicht hierhergehören oder unserem Land keinen Nutzen bringen“, sagte der Republikaner in einer Ansprache. Er ordnete zudem die Entsendung von rund 500 weiteren Soldatinnen und Soldaten der Nationalgarde in die Hauptstadt an. 

Nur wenige Stunden vorher hatte am Mittwochnachmittag (Ortszeit) ein Schütze in Washington der Nähe des Weißen Hauses vor einer U-Bahnhaltestelle das Feuer auf zwei Nationalgardisten eröffnet und sie dabei nach Behördenangaben lebensgefährlich verletzt. Es gab zunächst keine genauen Angaben zur Identität der Opfer. Unbestätigten Medienberichten zufolge handelte es sich um eine Soldatin und einen Soldaten. Die demokratische Bürgermeisterin der Hauptstadt, Muriel Bowser, sprach von einem gezielten Angriff. Details zum Motiv gab es zunächst nicht. 

Behörden: Schütze feuerte auf Nationalgardisten

Der Vorfall schockierte die USA am Vorabend des wichtigen Feiertags Thanksgiving, des Erntedankfests. Ein Vertreter der Washingtoner Polizei erläuterte, der Schütze sei in der Nähe der U-Bahnhaltestelle Farragut West um eine Ecke gekommen und habe sofort auf die beiden Nationalgardisten gefeuert. Weitere Mitglieder der Nationalgarde hätten die Schüsse gehört, eingegriffen und den Verdächtigen überwältigt, nachdem dieser zu Boden gegangen sei. Die Polizei sei wenige Augenblicke später eingetroffen. 

Bei dem mutmaßlichen Täter soll es sich US-Medienberichten zufolge um einen 29 Jahre alten Afghanen handeln, der 2021 in die USA einreiste, aber erst 2025 nach Trumps Amtsantritt Asyl gewährt bekam.

Trump über Afghanistan: „Höllenloch auf Erden“

Der US-Präsident bezeichnete den Schützen als „Tier“ und erklärte, er müsse „den höchstmöglichen Preis bezahlen“. Er bezeichnete die Tat auch als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Trump nannte Afghanistan in seiner Ansprache ein „Höllenloch auf Erden“ und stellte die Behauptung auf, Millionen Menschen seien unter Biden aus aller Welt ohne nötige Überprüfungen in die USA gekommen.

Selbst während der teils chaotischen Evakuierung von Afghanen aus Kabul durch das US-Militär 2021 wurden Afghanen nicht direkt in die USA gebracht. Sie wurden unter anderem auf einen US-Stützpunkt in Katar gebracht, wo bereits erste Sicherheitsprüfungen durchgeführt wurden. 

Die US-Einwanderungsbehörde USCIS erklärte nach Trumps Ansprache auf der Plattform X, die Bearbeitung aller Einwanderungsanträge afghanischer Staatsangehöriger werde mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres ausgesetzt. 

Schuldzuweisungen und politische Debatte

Im aufgeladenen politischen Klima in den USA entbrannte sofort eine Debatte darüber, wer die politische Verantwortung für den Vorfall trägt. Auch Heimatschutzministerin Kristi Noem machte indirekt Bidens Regierung verantwortlich. Der Afghane sei ohne die nötigen Überprüfungen ins Land gekommen, behauptete sie. Erste republikanische Abgeordnete forderten drastische Maßnahmen gegen Ausländer im Land. Führende Demokraten riefen zu einem friedlichen Miteinander auf. So erklärte etwa der demokratische Senator Jack Reed, es brauche nun „Ruhe, Mitgefühl und Einheit“.

Die US-Organisation AfghanEvac, die sich für Afghanen einsetzt, warnte davor, den Angriff politisch zu instrumentalisieren. Die isolierte Tat eines Einzelnen dürfe nicht als Vorwand dienen, eine ganze Gemeinschaft zu diskreditieren, hieß es in einer Mitteilung. Dies trage nicht zur Sicherheit bei, sondern treibe die gesellschaftliche Spaltung weiter voran.

Zunächst hatte es Verwirrung um den Zustand der Opfer gegeben. Der Gouverneur von West Virginia, Patrick Morrisey, erklärte, die beiden seien gestorben. Wenig später schrieb er dann auf der Plattform X, es gebe widersprüchliche Berichte über ihren Zustand. In einer späteren Videobotschaft ging der Republikaner nicht auf seinen ursprünglichen Post über den angeblichen Tod der Soldaten ein. Morrisey zufolge stammen die beiden aus seinem Bundesstaat.

2.000 Soldaten patrouillieren in Washington 

Die Nationalgarde ist eine militärische Reserveeinheit und Teil der US-Streitkräfte. Sie untersteht in der Regel der Kontrolle der Bundesstaaten und werden etwa bei Naturkatastrophen, Unruhen oder anderen Notlagen eingesetzt. In bestimmten Situationen kann jedoch auch der US-Präsident das Kommando übernehmen. Für die Hauptstadt Washington, die rechtlich kein eigener Bundesstaat ist, gelten Sonderregeln.

Seit dem Sommer sind mehr als 2.000 Nationalgardisten in der Stadt unterwegs. Trump hatte sie im August dorthin beordert und den Einsatz mit angeblich ausufernder Kriminalität begründet. Diese Darstellung ist heftig umstritten - Statistiken stützen sie nicht.

Die Stadt ging juristisch gegen den Einsatz vor. Eine Bundesrichterin erklärte die Mobilisierung der Nationalgarde jüngst für unzulässig und ordnete an, sie zu beenden. Sie setzte ihre Entscheidung jedoch für drei Wochen aus, damit die Trump-Regierung in Berufung gehen kann. Ebenfalls am Mittwoch stellte die Regierung einen Eilantrag, um die Entscheidung der Richterin auszusetzen.

Pentagon soll 500 weitere Nationalgardisten schicken

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, den die Regierung als Kriegsminister bezeichnet, erklärte, er leite die nötigen Schritte für die Entsendung der zusätzlichen Nationalgardisten vor. Er bekräftigte, der im Sommer begonnene Einsatz habe die Stadt sicherer gemacht. Der Angriff werde die „Entschlossenheit“ der Regierung „nur noch verstärken“, sagte er.

In sozialen Netzwerken kam es unterdessen zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. Einige argumentierten, die Nationalgarde hätte gar nicht in Washington stationiert werden dürfen und sei dadurch unnötig gefährdet worden. Andere machten die Rhetorik demokratischer Kongressmitglieder für den Angriff mitverantwortlich. 

Angespannte Stimmung in Washington

Die Stimmung in der Hauptstadt ist seit dem Sommer angespannt. Neben der Nationalgarde kamen auch andere Bundesbehörden zum Einsatz. So nahmen etwa teils vermummte Beamte der Migrationsbehörde ICE bei Razzien in Wohnvierteln Migranten fest; im Netz verbreiteten sich Videos solcher Einsätze, die von vielen als willkürlich empfunden wurden. Es regte sich Protest. 

Die Nationalgarde patrouillierte jedoch - anders als etwa ICE - vor allem an touristischen Orten und leistete Hilfsdienste wie Müllbeseitigung. Anfangs waren die Nationalgardisten unbewaffnet, später änderte sich das. Es gab Warnungen, dieser Schritt könne die ohnehin angespannte Lage weiter verschärfen.

Der Radiosender NPR berichtete erst vor wenigen Wochen über Gespräche Nationalgardisten, die anonym über ihre Zweifel an den Einsätzen in Washington und anderen Städten sprachen. „Ich habe mit der Nationalgarde an zwei humanitären Einsätzen teilgenommen, die großartig waren“, sagte einer von ihnen. „Und dann soll ich in Washington Müll aufsammeln und Obdachlose mit vorgehaltener Waffe konfrontieren? Nein, Mann.“

Die Polizei ermittelt nach den Schüssen mit Hochdruck.

Die Polizei ermittelt nach den Schüssen mit Hochdruck. Foto: Franziska Spiecker/dpa

Der Tatort wurde großräumig abgesperrt.

Der Tatort wurde großräumig abgesperrt. Foto: Mark Schiefelbein/AP/dpa

Die Polizei der US-Hauptstadt riegelt den Zugang zum Tatort ab.

Die Polizei der US-Hauptstadt riegelt den Zugang zum Tatort ab. Foto: Franziska Spiecker/dpa

Soldaten der Nationalgarde patrouillieren in Washington.

Soldaten der Nationalgarde patrouillieren in Washington. Foto: Rahmat Gul/AP/dpa

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