So will dieser Ort seine Pferdeäpfel loswerden

Der Pferdehof in Billingshausen bei Göttingen will mit sogenannten Pferdetoiletten für mehr Sauberkeit im Ort sorgen. Foto: Fernando Martinez/dpa
Pferde-Hinterlassenschaften prägen das Ortsbild von Billinghausen bei Göttingen. Die Betreiber der Dream-Ranch gehen jetzt aktiv dagegen vor.
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Billingshausen. Pferde, Höfe und Weiden prägen das Ortsbild von Billingshausen nördlich von Göttingen. Auch Pferdeäpfel waren in dem kleinen Örtchen bisher weithin sichtbar - und auch zu riechen. Das gefiel nicht jedem im selbst ernannten Pferde-Ort. Ramona Westphal und ihr Mann Oliver Westphal-Papst - Besitzer des Pferdehofes Dream-Ranch in dem Ort - nahmen sich dem Problem an: Seit einigen Monaten stehen an zahlreichen Ecken Sammelboxen für den Kot, sogenannte Pferdetoiletten.

In diesen Boxen werden die Pferdeäpfel gesammelt. Foto: Fernando Martinez/dpa
„In den vergangenen Jahren wurden die Hinterlassenschaften immer mehr. Irgendwann war für uns klar: Jetzt reicht es“, berichtet Westphal-Papst. Immer mehr Menschen hätten für ihre Freizeit Pferde oder seien an einem beteiligt. Der gemeinschaftliche Frieden im Ort sollte erhalten bleiben. Doch der schien nicht mehr länger sicher zu sein.
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Ortsbürgermeister Jost Degenhardt (SPD) erinnert sich: „Es gab schon einige Beschwerden von Anwohnerinnen und Anwohnern und vereinzelt auch kleinere Konflikte.“ Pferde seien dabei für Menschen in Billingshausen nichts Ungewöhnliches: Rechnerisch kommt dort auf etwa dreieinhalb Einwohner ein Pferd.
Reiter haben Reinigungspflicht ignoriert
Eigentlich seien Reiterinnen und Reiter auch dazu verpflichtet, die Hinterlassenschaften ihrer Tiere zu beseitigen. Ähnlich wie etwa auch Hundebesitzer. Zu viele hätten sich aber nicht daran gehalten. Bitten, den Kot zu beseitigen, „wurden sogar von einigen Pferdebegleitpersonen nicht nur ignoriert, sondern die Anlieger mussten sich auch unangebrachte Kommentare gefallen lassen“, berichtet der Ortsbürgermeister des rund 700-Seelendorfes.

Ramona Westphal, Mitbesitzerin des Pferdehofes Dream-Ranch in Billingshausen, will mit ihrem Mann den Ort sauberer machen. Foto: Fernando Martinez/dpa
Mit ihren Pferdetoiletten will das Besitzer-Ehepaar der Dream-Ranch es nun Reitern so leicht wie möglich machen. Bereits mehr als ein Dutzend Pferdetoiletten haben sie aufgestellt, die ihre Mitarbeiter mindestens einmal pro Monat leeren und auch reinigen. Finanziert wurden die Klos unter anderem vom Dorfverschönerungsverein. Der Weg zur nächsten Toilette soll damit immer möglichst kurz sein.
„Mistboys“ und Plastik-Wannen
Und so funktioniert es: Hat ein Pferd auf der Straße oder dem Gehweg Pferdeäpfel hinterlassen, können die dort eine Weile liegen bleiben. „Niemand muss vom Pferd absteigen“, sagt Oliver Westphal-Papst. Stattdessen sollen Reiter sich die Stelle merken und nach einem Ausritt dorthin zurückkehren und die Pferdeäpfel mit sogenannten „Mistboys“ einsammeln und in die nächstgelegene Plastik-Wanne schmeißen. Die „Mistboys“ bestehen aus einer Schaufel und Harke und stehen neben den Kisten parat.

In Billingshausen kommen auf dreieinhalb Einwohner ein Pferd. Foto: Fernando Martinez/dpa
Zuvor hätte der Kot meist zum jeweiligen Pferdehof gebracht werden müssen. „Mit viel Geschick wäre es auch möglich, dass Pferde direkt in die Wannen äppeln - aber die Zeit mit dem Pferd nutzt man lieber, um den Tieren andere Dinge beizubringen“, sagt Ramona Westphal, die selbst mit Pferden aufgewachsen ist.
Wirklich neu sei das Konzept dabei nicht. Vereinzelt hätten Höfe auch in der Vergangenheit schon Bottiche oder Schubkarren an Wegen und Straßen aufgestellt, um dort Pferdeäpfel zu sammeln, erklärt sie. Aber, sagt Ortsbürgermeister Degenhardt, in dem Umfang wie jetzt in Billingshausen kenne er auch aus anderen Städten nichts Vergleichbares.
Pferdeäpfel dürfen als Dünger genutzt werden
“Leider tun einige Menschen auch Hundekot in die Wannen“, sagte Westphal. Ein Problem. Denn: Die Pferdeäpfel gehen an eine Biogasanlage. Plastiktüten und darin verpackter Hundekot können dort aber nicht verarbeitet werden. Kein Problem sei es hingegen, wenn sich Ortsbewohner Pferdeäpfel als Pflanzendünger nehmen.
Einst hätten sich die Bewohner über den kostenlosen Dünger vor ihrer Haustür sogar gefreut, sagt Westphal. Doch inzwischen hätten immer weniger Menschen Obst- und Gemüsegärten. Zudem habe seit der Corona-Pandemie die Zahl der Pferde - und ihrer Hinterlassenschaften - merklich zugenommen.
Ranch will Pferdeklos weiter betreiben
Und wie reagieren die Bürger auf die neuen Pferdeklos? „Lob oder Zuspruch habe ich noch nicht gehört“, sagt Ortsbürgermeister Degenhardt, der im Nachbarort selbst ein Pferd besitzt. „Aber die Kritik ist deutlich zurückgegangen.“ Mit Hinweisschildern an den Klos oder einer Übersichtskarte für die einzelnen Höfe solle zudem weiter auf das Thema aufmerksam gemacht werden.

Die Ranch wirbt mit einem Hinweisschild auf eine Sammelbox für den Pferde-Kot. Foto: Fernando Martinez/dpa
Laut einer Anwohnerin gibt es noch Luft nach oben - sie würde immer noch Pferdeäpfel entdecken. Ramona Westphal sagt dazu, dass es beispielsweise immer Reiter gebe - etwa diejenige, die neu zu dem Hobby kommen - die mit der Regelung nicht vertraut sind. Komplett vermeiden ließen sich Pferdeäpfel daher vermutlich nicht.
Die Kosten für die Reinigung der Pferdeklos trägt die Dream-Ranch. Unterstützung kommt von jungen Reiterinnen und Reitern, die auf eigene Faust durch den Ort gehen und nicht aufgesammelte Pferdeäpfel einsammeln. Dafür werden sie unter anderem mit T-Shirts und Caps der Dream-Ranch belohnt. Trotz der Kosten soll das Projekt auch in den kommenden Jahren weitergeführt und auch weitere Klos aufgestellt werden. Schließlich sollen in dem Pferde-Ort die Tiere auch in Zukunft weiter willkommen sein.