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Öl, Strom und Gas

Spritpreise: Länder wollen Steuersenkung – Lindner für Tankstellen-Zuschuss

Die Spritpreise für Diesel und Benzin erreichten neue Rekordwerte. Foto: dpa

Die Spritpreise für Diesel und Benzin erreichten neue Rekordwerte. Foto: dpa

Verbraucher merken es beim Kauf von Sprit oder Heizöl, Unternehmen bei der Beschaffung von Strom und Gas: Die stark gestiegenen Energiepreise sind im Alltag deutlich spürbar. Entlastungen kommen, heißt es aus der Politik – nur welche?

Sonntag, 13.03.2022, 18:04 Uhr

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Update: 13. März, 21.30 Uhr, Bericht über staatlichen Tankstellen-Zuschuss

Von Andreas Hoenig und Tobias Hanraths

Die wegen des Ukraine-Kriegs stark gestiegenen Energiepreise drohen Unternehmen und Privathaushalte schwer zu belasten. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor einer Kostenexplosion für Firmen und forderte die Bundesregierung zu kurzfristigen Stabilisierungsmaßnahmen auf. Politiker der Ampel-Koalition stellten zusätzliche Entlastungsmaßnahmen für Wirtschaft und Verbraucher in Aussicht.

Mit einem Korso aus knapp 500 Fahrzeugen haben etwa Autofahrer am Sonnabend in Hamburg und Schleswig-Holstein gegen die erhöhten Spritpreise protestiert. Die Autos legten dabei im Konvoi eine Strecke von etwa 35 Kilometern von Hamburg-Allermöhe bis nach Wedel in Schleswig-Holstein zurück. Die Protestaktion verlief friedlich.

Eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent, die zum Beispiel von der Union gefordert wird, soll es nach Aussage von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aber nicht geben. „Wenn die Union eine so genannte Spritpreisbremse fordert, dann muss sie sagen, was sie im Haushalt kürzen will“, sagte Lindner dem Berliner „Tagesspiegel“. „Oder sie muss bekennen, dass sie dafür neue Schulden aufzunehmen bereit ist.“

Länder bringen Antrag auf Mehrwehrtsteuersenkung in Bundesrat ein

Die Regierung arbeite jedoch an Maßnahmen, sagte Lindner. Er gehe davon aus, dass „in Kürze“ weitere Beschlüsse gefasst werden. Die hohen Preise seien eine Belastung für Menschen und Betriebe, der Staat dürfe die Menschen damit nicht alleine lassen. „Als liberaler Finanzminister habe ich mich schon vor der Krise für strukturelle steuerliche Entlastungen ausgesprochen. Jetzt brauchen wir allerdings schnelle und flexible Lösungen, die wirklich bei den Menschen ankommen“, so der Minister.

Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, will Lindner einen staatlichen Tank-Zuschuss auf den Weg bringen. Die Höhe des Rabatts stehe aber noch nicht fest. Der Gesamtbetrag soll demnach beim Bezahlen abgezogen werden. Der Tankstellenbetreiber soll die Quittung später bei den Finanzbehörden einreichen können. Eine Entscheidung über die Maßnahme könnte der „Bild“-Zeitung zufolge womöglich schon in dieser Woche fallen.

Die unionsgeführten Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern sprechen sich bereits in einem in den Bundesrat eingebrachten Antrag für eine Energiepreisbremse aus. So müsse die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß reduziert werden, die Mehrwertsteuer auf Erdgas, Elektrizität und Fernwärme gesenkt werden.

SPD in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt Bundesrats-Initiative

Die auch SPD-geführte Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt die Forderung. „Mecklenburg-Vorpommern ist ein Flächenland, in dem jeden Tag mehrere hunderttausend Menschen mit dem Auto zur Arbeit fahren. Deshalb sind die Menschen in unserem Land von dieser Entwicklung - insbesondere bei den Benzin- und Dieselpreisen - ganz besonders betroffen“, begründete Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) am Sonntag in Schwerin Forderungen nach Steuersenkung und Gaspreissubvention.

Mit Preisen für Diesel von um 2,30 Euro je Liter und für Benzin von meist mehr als 2,20 Euro mussten Autofahrer auch über das Wochenende tief in die Tasche greifen. Nach Überzeugung Meyers reicht das vom Bund beschlossene Maßnahmenpaket nicht aus, um Verbraucher ausreichend zu entlasten. „Pendlerinnen und Pendler zahlen aktuell rund 60 Cent mehr pro Liter Diesel als noch im Januar. Wer täglich einen Arbeitsweg von einer Stunde auf sich nimmt, muss allein dafür einen deutlich höheren Betrag einplanen. Das überfordert viele Menschen in unserem Land“, sagte Meyer. Hinzu komme, dass die Homeoffice-Pflicht aufgrund der Corona-Pandemie zum 20. März abgeschafft werde und die Pendlerbewegungen damit noch zunähmen.

Nachbesserung beim Energieentlastungspaket gefordert

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch stellte dazu auch Nachbesserungen beim Entlastungspaket der Ampel in Aussicht. Das Maßnahmenbündel – unter anderem mit einer befristeten Anhebung der Pendlerpauschale und einer vorgezogenen Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung - hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP Ende Februar beschlossen. Seitdem sind die Energiepreise aber noch weiter gestiegen.

„Die einzelnen Maßnahmen werden jetzt zügig umgesetzt und falls nötig sogar noch einmal verschärft“, sagte Miersch der „Rheinischen Post“. Besonders der Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte sollte seiner Meinung nach spürbar erhöht werden.

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kündigte am Sonntagabend ein neues Entlastungspaket der Bundesregierung an. Die Preisanstiege im gesamten Energiebereich seien für viele Menschen erdrückend, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister. „Extrem hohe Heizkosten, extrem hohe Strompreise, extrem hohe Spritpreise belasten Haushalte, und je geringer die Einkommen, desto stärker. Die Bundesregierung wird daher ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg bringen.“

Industrie wie Verbraucher von steigenden Preisen besonders betroffen

Auch der Industrie gehen die beschlossenen Entlastungen nicht weit genug. Die vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung sei ein wichtiges Signal, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. „Sie kann aber nur einen Bruchteil der höheren Beschaffungskosten ausgleichen. Nötig sind jetzt kurzfristige Stabilisierungsmaßnahmen, etwa eine Absenkung der staatlichen Umlagen und der Stromsteuer zusammen mit zinsgünstigen KfW-Krediten oder sogar direkten Notfallzahlungen.“

Die Bundesregierung arbeitet für Unternehmen aktuell an einem Kredit-Hilfsprogramm. Das soll diejenigen Unternehmen unterstützen, die von den EU-Sanktionen gegen Russland hart getroffen sind. Wie die „Bild“-Zeitung meldete, sind auch Überbrückungshilfen für Unternehmen im Gespräch, die stark gestiegene Rohstoffpreise nicht mehr tragen können. Außerdem werde eine Verlängerung der Kurzarbeiter-Regelung über den 30. Juni hinaus geprüft sowie eine nochmalige Anhebung der Pendlerpauschale.

Grund für die Notlage der Industrie ist, dass aktuell jede zweite Firma ihre Strom- und Gasversorgung für das laufende Jahr noch vertraglich absichern muss, wie der DIHK unter Verweis auf eine aktuelle Firmenbefragung erklärte. „Damit steht jedes zweite Unternehmen vor einer Kostenexplosion, die kaum aufzufangen ist“, so Dercks. Bei Ausbruch des Krieges habe die Hälfte der Unternehmen ihre Strom- und Gasbeschaffung für das laufende Jahr noch nicht abgeschlossen gehabt, hieß es unter Verweis auf 2000 Rückmeldungen von Unternehmen aus allen Branchen.

Lindner will mehr Öl- und Gasförderung in der Nordsee

Bundesfinanzminister Lindner hat zudem eine weitere Förderung von Öl und Gas in der Nordsee ins Spiel gebracht. „Wir müssen aber auch die Festlegung des Koalitionsvertrages, in der Nordsee den Abbau von Öl und Gas nicht fortsetzen zu wollen, hinterfragen“, sagte er. „Aufgrund der Entwicklung der Weltmarktpreise scheint dies wirtschaftlicher zu werden. Zumindest für eine Übergangszeit werden wir Öl und Gas noch brauchen.“ (dpa)

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