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Hamburger Hafen

Umweltverbände: Schlickpläne vor Scharhörn rechtlich nicht zulässig

Ein Bagger holt bei Arbeiten zur Elbvertiefung Schlick aus einem Hafenbecken. Foto: Axel Heimken/dpa

Ein Bagger holt bei Arbeiten zur Elbvertiefung Schlick aus einem Hafenbecken. Foto: Axel Heimken/dpa

Der Hamburger Hafen hat ein großes Problem: Immer wieder muss Schlick aus der Elbe gebaggert werden. Nun soll er im Wattenmeer vor der Nordseeküste entsorgt werden. Für die neue Lösung hagelt es Kritik von Umweltverbänden und dem Land Niedersachsen.

Freitag, 04.03.2022, 19:00 Uhr

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Die umstrittenen Hamburger Schlickpläne vor der Insel Scharhörn sind aus Sicht von Umweltverbänden „weder rechtlich zulässig noch aus Naturschutzsicht verantwortbar“. Damit könnte auch eine Klage gegen das Vorhaben des Senats näher rücken, kurzfristig Elbschlick am Rande des Nationalparks Wattenmeer in der Nordsee zu versenken. „Wir prüfen das. Ich denke, dass wir das relativ schnell entscheiden können“, sagte die WWF-Expertin Beatrice Claus am Freitag in Hamburg. Zunächst wollten die Verbände aber noch abwarten, wie die Wirtschaftsbehörde und die Hafenbehörde HPA auf die von den Umweltverbänden WWF, Bund und Nabu vorgetragenen Bedenken reagieren. Bis Montag wollen sie ihre Stellungnahme einreichen.

Kritik an „Umweltpolitik aus den 70ern des letzten Jahrhunderts“

Anders als die Stadt Hamburg gehen die Verbände davon aus, dass die Umweltauswirkungen einer Schlickverklappung vor Scharhörn deutlich höher sein werden, als von den Gutachtern der HPA prognostiziert. Die Gutachter hätten falsche Modellannahmen zugrundegelegt und berücksichtigten die Empfindlichkeit des Ökosystems nicht ausreichend, kritisierte Claus. Das Baggergut enthalte Schwermetalle wie etwa Cadmium, Kupfer, Quecksilber, Zink sowie problematische organische Schadstoffe, die zwar von der Strömung verdünnt würden, aber gleichwohl über Anreicherung in den Nahrungsketten die Lebensgemeinschaften des Wattenmeeres gefährdeten. Das Konzept der HPA, das darauf setze, dass sich die Sedimente möglichst schnell und weiträumig verbreiten, „ist Umweltpolitik aus den 70ern des letzten Jahrhunderts“, sagte Claus.

Eine Sprecherin der HPA betonte dagegen auf dpa-Anfrage, die vorgelegten Gutachten seien umfassend und vollständig und lägen deutlich über dem Standard vergleichbarer Vorhaben. „Sie belegen ausführlich und nachvollziehbar die ökologische Unbedenklichkeit des Vorhabens.“ Sie verwies zudem darauf, dass die Umweltverbände selbst anmahnten, dass die ökonomisch und ökologisch nachteilige Kreislaufbaggerei bei Neßsand dringend auf ein Minimum reduziert werden müsse. Bei Neßsand landet derzeit der größte Teil des ausgebaggerten Schlicks in der Elbe, um von dort binnen weniger Wochen zurückgespült zu werden.

Schlickverklappung vielleicht schon ab Mitte März

Hamburg hat deswegen angekündigt, den bei der ständig nötigen Ausbaggerung der Elbe anfallenden Schlick künftig auch vor der zur Hansestadt gehörenden Vogelschutzinsel Scharhörn abzuladen. Wann damit begonnen wird, bleibt vorerst offen. „Nach jetzigem Stand kann frühestens Mitte März 2022 mit der Entlastung der Umlagerstelle Neßsand begonnen werden“, so die HPA-Sprecherin. „HPA bemüht sich derzeit um entsprechende Baggerkapazitäten.“

Hamburg steht auf dem Standpunkt, dass für die Verbringung des Schlicks dorthin keine Genehmigung und auch kein Einverständnis der anderen Unterelbanrainer Niedersachsen und Schleswig-Holstein nötig sei. Der von den Verbänden beauftragte Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck sieht das anders: „Entweder ist die HPA selbst juristisch verwirrt oder die HPA wollte Sie verwirren“, sagte der Anwalt. Auch Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hat die Hamburger Pläne, scharf kritisiert. Die Sedimente aus der Fahrrinne und aus dem Hafen seien „größtenteils belastet“, sagte der SPD-Politiker dem Bremer „Weser-Kurier“. „Ich setze auf ein Miteinander.“

Die HPA-Sprecherin bekräftigte hingegen die Position der Hansestadt. Demnach bestimmt das Wasserstraßengesetz „ausdrücklich, dass Maßnahmen, die der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen dienen, keiner wasserrechtlichen Erlaubnis, Bewilligung oder Genehmigung bedürfen“. Daher sei für die Nutzung einer hamburgischen Verbringstelle in der Außenelbe auch kein gesondertes Einvernehmen der betroffenen Länder erforderlich. Zudem haben die Nachbarländer aus Hamburger Sicht mit ihrer Zustimmung zur jüngsten Elbvertiefung quasi automatisch auch ihr Einverständnis mit den damit verbundenen Unterhaltungsmaßnahmen erklärt.

Niedersachsen prüft rechtliche Schritte

Bund-Geschäftsführer Lucas Schäfer wies darauf hin, dass das die vorgesehene Verbringungsstelle unmittelbar in der Nähe eines Gebietes liege, das unter anderem durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU geschützt sei sowie an der Grenze zum Nationalpark Wattenmeer und dem Unesco-Weltnaturerbe Wattenmeer liege, das länderübergreifend als eine Einheit zu betrachten sei. Das Wattenmeer ist auf drei Nationalparks aufgeteilt, die den drei angrenzenden Bundesländern zugeordnet sind.

Schäfer forderte, eine Gefährdung durch einen Hamburger Alleingang ohne Abstimmung mit den Nachbarbundesländern müsse ausgeschlossen werden. „Hamburg ist dabei, sich gerade politisch zu isolieren“, sagte der Hamburger Nabu-Vorsitzende Malte Siegert. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hatte bereits angekündigt, seinerseits rechtliche Schritte prüfen zu lassen. (dpa)

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