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Nordsee

„Unser Badestrand ist weg“ – Inseln melden nach Orkan meterhohe Sandabbrüche

Die vergangenen Sturmfluten führen auf der Insel Langeoog zu sichtbaren Sandverlusten am Strand. Foto: Klaus Kremer/Langeoog News/dpa

Die vergangenen Sturmfluten führen auf der Insel Langeoog zu sichtbaren Sandverlusten am Strand. Foto: Klaus Kremer/Langeoog News/dpa

Nachdem Sturmtief „Nadia“ abgezogen ist, wird auf den Ostfriesischen Insel erst so richtig sichtbar, wie die Wind und Wellen gewütet haben: Mehrere Inseln melden Sandabbrüche an Stränden – und neue Sturmfluten werden bereits vorhergesagt.

Montag, 31.01.2022, 13:57 Uhr

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Meterhohe Abbruchkanten, zugewehte Strandwege und jede Menge fehlender Sand: Das Sturmtief „Nadia“ hat auf vielen Ostfriesischen Inseln deutliche Spuren hinterlassen und Sandverluste verursacht. „Unser Badestrand ist weg“, sagte etwa Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr am Montag, nachdem sich Sturm und Wellen abgeschwächt hatten.

Bis zu 2,50 Meter hohe Abbruchkanten türmen sich auf rund 800 Metern Länge nun seinen Angaben zufolge am Strand der Insel. Noch deutlicher sei der Sandverlust an den Dünen im Nordosten der Nordseeinsel zu sehen - dort gebe sogar bis zu 5 Meter hohe Abbruchkanten, sagte Fangohr.

Sandabbrüche: Sturmtief nagt an Ostfriesischen Inseln

Eine akute Gefahr für die Inselgemeinde besteht laut dem Bürgermeister aber nicht. „Damit leben wir seit Jahrzehnten“, sagte Fangohr mit Blick auf die Sandverluste. Dennoch sieht Fangohr nun konkreten Handlungsbedarf: Im Sommer müsse der Badestrand neu aufgeschüttet werden und auch vor den Dünen im Nordosten müsse der Sandkörper, der die Dünen schützt, wieder verstärkt werden.

Auf Langeoog vergrößerte sich nach den Sturmfluten vom Wochenende die Abbruchkante am Strand vor den Randdünen des sogenannten Pirolatals. „Da sind nun nur noch wenige Meter Strand, bis die Randdünen beginnen“, sagte Inselbürgermeisterin Heike Horn. Die Abbruchkante sei mittlerweile zwischen 2,50 und 4,50 Meter hoch. Der Sand vor den Dünen wurde erst 2020 aufgespült. Er dient als Depot, um die Dünen vor Wellen zu schützen und verliert deshalb in Sturmfluten laufend an Breite. Die ersten leichten Sturmfluten des Winters hatten zuvor bereits auf rund 500 Metern Länge jede Menge Sand abgetragen.

Insulander in Sorge vor Strandabbrüchen: „Ringen um jeden Meter“

Noch schütze ein schmaler Streifen des Sandstrandes die Dünen. Die Insulaner seien deshalb in Sorge. „Wir ringen um jeden Meter Strand, denn er ist unter Schutz“, sagte Horn. Wie auch der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gab Horn aber auch hier Entwarnung: Eine Gefahr für Langeoog und die lebenswichtige Süßwasserlinse im Inselinneren, die das Trinkwasserreservoir bildet, bestehe aktuell nicht. Die schützende Düne selbst sei etwa rund 70 Meter breit.

Es habe erwartbare Abbrüche an den Sanddepots gegeben, die die Randdünen der Inseln schützen, fasste ein NLWKN-Sprecher am Montag auf dpa-Anfrage die Lage zusammen. Das genaue Ausmaß sei aber noch nicht bekannt, aktuell liefen dazu Vermessungen, hieß es. Inwieweit neue Strandaufspülungen oder Dünenverstärkungen in diesem Jahr nötig seien, soll nach der Sturmflutsaison geklärt werden. Küstenschützer sehen aber bereits Handlungsbedarf etwa für Norderney und Langeoog.

Sturmtief „Nadia“: Höchste Wasserstände der aktuellen Sturmflutsaison

Das Sturmtief hatte laut der Behörde zu den bislang höchsten Wasserständen in der aktuellen Sturmflutsaison an der niedersächsischen Nordseeküste geführt. Demnach wurden bei Sturmfluten am Sonnabendabend und am Sonntagmorgen die Grenze zur leichten Sturmflut deutlich überschritten. Zum Teil traten höhere Pegelstände ein als von den NLWKN-Experten prognostiziert.

In Emden etwa wurde am Sonntagmorgen ein Pegelstand von 216 Zentimetern über dem mittleren Tidehochwasser erreicht. Eine leichte Sturmflut wird in Emden nach NLWKN-Maßgaben erreicht, wenn das Wasser über 108 Zentimeter steigt. In Wilhelmshaven wurde ein Pegel von 218 Zentimetern in der Spitze am Sonntagmorgen gemessen – damit wurde fast der Grenzwert zur schweren Sturmflut erreicht (231 Zentimeter).

Nach Sturmfluten Dünenabbrüche auch auf den nordfriesischen Inseln

Auch auf den nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr und Amrum kam es zu Dünenabbrüchen. Diese seien aber eher leichter bis mittlerer Kategorie, sagte ein Sprecher des Landesbetriebes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN). Der genaue Schaden könne wegen der weiterhin hohen Wasserstände erst in den kommenden Tagen ermittelt werden. Da die Halligen den Angaben zufolge noch überflutet sind, können etwaige Schäden dort noch nicht beurteilt werden.

An den Deichen der Westküste gibt es den Angaben zufolge nur leichtere Sodenschäden und Treibselanfall. „Die Deiche waren zu keiner Zeit gefährdet“, sagte LKN-Direktorin Birgit Matelski. „Im Wesentlichen wird uns die Räumung des Treibsels in den kommenden Wochen beschäftigen. Die Schäden sind in einem überschaubaren Rahmen geblieben.“

Makler: Sturmtief kostet Versicherer rund 150 Millionen Euro

Sturmtief „Nadia“ hat deutschlandweit nach Schätzung von Experten versicherte Schäden in Höhe von etwa 150 Millionen Euro angerichtet. Damit sei der Sturm ein kleines Unwetterereignis und nicht zu vergleichen etwa mit den Zerstörungen durch Sturmtief „Bernd“ vom Juli 2021, teilte der Versicherungsmakler Aon am Montag auf Basis erster Schätzungen in Hamburg mit.

Auch im Vergleich zu anderen schweren Winterstürmen fielen die Schäden demnach gering aus: Dem deutschen Versichererverband GDV zufolge hatte „Friederike“ im Januar 2018 hierzulande versicherte Schäden von rund 900 Millionen Euro angerichtet. Die Zerstörungen durch Sturmtief „Kyrill“ kosteten die Versicherungsbranche 2007 sogar mehr als 2 Milliarden Euro.

Wettervorhersage: Erneute leichte Sturmflut in der Nacht zum Dienstag erwartet

Mit Sorge blicken die Insulaner jedoch auf die kommenden Tage, denn es werden weitere Sturmfluten erwartet. Nach Angaben des Sturmflutwarndienstes des NLWKN besteht bereits für das Abend- und Nachthochwasser in der Nacht zum Dienstag erneut die Gefahr einer leichten Sturmflut an der niedersächsischen Nordseeküste – das Hochwasser könnte dann um etwa einen bis eineinviertel Meter höher auflaufen als das mittlere Tidehochwasser. Strände, Vorländer und Hafenflächen könnten dann überflutet werden. Zudem besteht Sturmflutgefahr für die Nacht zum Mittwoch und am Mittwochmittag.

Der NLWKN-Sprecher warnte zudem insbesondere Nordseeurlauber davor, den eindrucksvollen Abbruchkanten auf den Inseln zu Nahe gekommen. Es bestehe die Gefahr, dass diese zusammenbrechen, sagte er. (dpa)

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