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Fragen und Antworten

Vor dem AfD-Parteitag - wohin steuert die Partei in Niedersachsen?

Delegierte und Besucher kommen zum Landesparteitag der AfD Niedersachsen in der Congress Union Celle. Einige Parteien haben im vergangenen Jahr Mitglieder verloren, die AfD in Niedersachsen verzeichnete einen Zuwachs.

Delegierte und Besucher kommen zum Landesparteitag der AfD Niedersachsen in der Congress Union Celle. Einige Parteien haben im vergangenen Jahr Mitglieder verloren, die AfD in Niedersachsen verzeichnete einen Zuwachs. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

In der Südheide kommt die AfD zu ihrem Landesparteitag zusammen. Im Mittelpunkt dürfte nach der Razzia unter der Woche vor allem ein Mann stehen.

Von Marc Niedzolka und Christopher Weckwerth Samstag, 20.04.2024, 06:00 Uhr

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Hannover/Celle. Die niedersächsische AfD will bei einem Parteitag am Wochenende einen neuen Landesvorstand wählen. Dabei rücken mehrere Namen in den Mittelpunkt - wie auch Fragen zu der Durchsuchung der Parteizentrale vor wenigen Tagen.

Worum geht es bei dem Parteitag?

Im Mittelpunkt des Parteitags steht die Wahl des Landesvorstandes. Der Parteitag ist am Samstag und Sonntag geplant in der Südheide im Landkreis Celle. Der Landesvorsitzende Frank Rinck war vor zwei Jahren als Landesvorsitzender gewählt worden, nun endet die zweijährige Amtszeit regulär.

Wird es einen personellen Umbruch geben?

Das gilt als sehr wahrscheinlich. Rinck äußerte sich nicht dazu, ob er erneut als Landeschef antreten wird. Einziger bestätigter Kandidat ist bislang Ansgar Schledde, derzeit stellvertretender Landesvorsitzender. Weitere Kandidaten sind theoretisch noch möglich. Schledde sitzt seit der laufenden Legislaturperiode im Landtag, in der Landtagsfraktion ist er ebenfalls stellvertretender Vorsitzender.

Sollte es einen neuen Landesvorsitzenden geben, wäre dies innerhalb weniger Monate der zweite Führungswechsel bei der AfD. Im Februar wurde der vorherige parlamentarische Geschäftsführer Klaus Wichmann neuer Fraktionsvorsitzender im Landtag. Er löste Stefan Marzischewski-Drewes ab.

Was hat es mit den jüngsten Durchsuchungen bei der AfD auf sich?

Ein AfD-Landtagsabgeordneter hat möglicherweise mit Parteispenden auf einem privaten Konto gegen das Parteiengesetz verstoßen. Ermittler durchsuchten deshalb am Mittwochmorgen die Geschäftsräume des niedersächsischen Landesverbandes sowie eines Kreisverbandes der AfD in Hannover, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Dabei wurden Unterlagen und ein Datenträger sichergestellt, die nun ausgewertet werden müssen.

Laut AfD-Landeschef Rinck werden die Vorwürfe gegen Schledde erhoben. Vor der Razzia hatte der niedersächsische Landtag die Immunität von zwei nicht genannten Abgeordneten aufgehoben und so den Weg für strafrechtliche Ermittlungen frei gemacht. Nach Informationen von NDR, „Hannoverscher Allgemeine Zeitung“ und „Neuer Presse“ geht es um rund 48 000 Euro auf einem privaten Konto von Schledde.

Den Berichten zufolge sollen vor der Landtagswahl 2022 unter anderem der aktuelle Fraktionsvorsitzende Wichmann, der parlamentarische Geschäftsführer Jens Brockmann, die Abgeordneten Dennis Jahn und Harm Rykena sowie Schledde selbst auf das Konto eingezahlt haben. Die fünf Abgeordneten wiesen die Vorwürfe zurück. Richtig sei, dass auf einem privaten Konto private Zahlungen von verschiedenen Personen geleistet wurden. „Falsch ist, dass dieses Geld für Parteizwecke verwendet wurde.“ Wie die fünf Abgeordneten um Schledde wies auch AfD-Landeschef Rinck die Vorwürfe zurück.

Wird Schledde trotzdem als Landesvorsitzender antreten?

Schledde sagte den „Grafschafter Nachrichten“, er wolle bei dem Parteitag trotz der Ermittlungen als Landesvorsitzender kandidieren. „Ich habe mir in keinster Weise etwas vorzuwerfen“, sagte Schledde der Zeitung. „80 Prozent der Kreisverbände wollen, dass ich kandidiere, und das werde ich auch tun.“

Wie ist Schledde einzuschätzen?

Alexander Hensel vom Institut für Demokratieforschung der Universität Göttingen beschreibt Schledde als einen „erfahrenen landespolitischen Strategen und Strippenzieher“. Er sieht Schledde als besser vernetzten Landespolitiker als Rinck, der im Bundestag sitzt. Landesvize Stephan Bothe sagte, eine große Zahl von Kreisvorsitzenden habe Schledde gebeten zu kandidieren. Der Schwerpunkt der Arbeit des Vorsitzenden liege in Hannover, Rinck sei gleichzeitig in Berlin in der Agrarpolitik derzeit stark gebunden. Das Ziel sei daher, mehr Effizienz und Synergien zu schaffen zwischen Landesverband und Fraktion. Der Landesvorstand habe aber zwei Jahre „sehr erfolgreich“ gearbeitet, sagte Bothe.

Wie ist die AfD in Niedersachsen im Vergleich zu anderen Landesverbänden einzuordnen?

Der Politologe Hensel schätzt die AfD in Niedersachsen als etwas moderater ein als andere Landesverbände der Partei. „Offen rechtsextreme Positionen oder Verbindungen gibt es auch hier, sie sind im Vergleich gerade zu den ostdeutschen Landesverbänden aber politisch und organisatorisch nicht so zentral“, sagte Hensel der dpa. Hensel spricht von einem Strömungskonflikt beim niedersächsischen Landesverband in den vergangenen Jahren. Dieser sei besonders zäh und ausgeprägt gewesen. „Die erste Landtagsfraktion brach auseinander, der Landesverband war so zerstritten, dass er zwischenzeitlich vom Bundesverband geleitet werden musste.“

Die 2022 gewählte neue politische Führung um Rinck konnte Hensel zufolge mit einem politischen Mittelkurs aber für relative Ruhe sorgen. „Nach außen hin versucht sie professioneller und etwas moderater aufzutreten, nach innen hält sie sich in Strömungskonflikten zurück, was den Landesverband eine Zeit lang befrieden konnte.“

Wie beurteilt der Verfassungsschutz die AfD in Niedersachsen?

Der AfD-Landesverband ist seit Mai 2022 ein Verdachtsobjekt des Verfassungsschutzes Niedersachsen. Die Verdachtsphase ist laut Verfassungsschutz auf zwei Jahre begrenzt und kann einmalig um höchstens zwei Jahre verlängert werden. „Für diese Einstufung müssen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht einer Bestrebung rechtfertigen“, teilte ein Sprecher des Landesverfassungsschutzes auf dpa-Anfrage mit.

„Seit der Neukonstituierung des niedersächsischen Landesvorstandes der AfD im Mai 2022 ist dieser bemüht, nach außen hin gemäßigt aufzutreten“, hieß es weiter. Es sei jedoch keine Distanzierung der AfD Niedersachsen gegenüber dem politischen Kurs der Bundespartei oder anderen Landesverbänden zu erkennen. „Insofern kann mit Blick auf den niedersächsischen Landesverband der AfD nicht von einem aktiv handelnden Gegengewicht zu den radikalen Kräften innerhalb der Partei gesprochen werden.“

Wie geht es weiter?

Mit einer Entscheidung, ob die Einstufung als Verdachtsobjekt verlängert wird oder nicht, ist in den kommenden Wochen zu rechnen. Eine Verlängerung gilt als wahrscheinlich. Der Verfassungsschutz ist laut Sprecher derzeit in der Beurteilungsphase, wie man den Landesverband nach den vorliegenden Informationen bewertet und welche Schlussfolgerungen dieser daraus zieht.

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Dennis Hillmann
20.04.202414:02 Uhr

"Nach außen hin versucht sie professioneller und etwas moderater aufzutreten, nach innen hält sie sich in Strömungskonflikten zurück."
Mehr Worte braucht es doch gar nicht
Ist halt nur ein bisschen korrupt der niedersächsische Landesverband.

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