Weltpremiere in Hamburg: Buxtehuderin fährt erste digitale S-Bahn

Triebfahrzeugführerin Valeska Hoop aus Buxtehude schaltet unter Aufsicht von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher per Knofdruck in den vollautomatischen Modus der S-Bahn. Foto: Marcus Brandt/dpa
Das hat die Welt noch nicht gesehen – buchstäblich: Erstmals ist am Montag eine vollautomatisch fahrende, digital gesteuerte S-Bahn durch Hamburg gerollt. Bei der Probefahrt an Bord etliche prominente Gäste und eine Buxtehuderin im Cockpit.
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Update: 11. Oktober, 17 Uhr, mit Stimme von Valeska Hoop
Bei der offiziellen Premierenfahrt ging es über 23 Kilometer vom Berliner Tor bis zum Bahnhof Bergedorf. „Wir erleben heute einen echten Zeitenwandel“, schwärmte Richard Lutz, Vorstandschef der Deutschen Bahn. Hamburgs digitale S-Bahn führe „direkt in die digitale Zukunft und in die Mobilitätswende“. Lutz sprach von einem Leuchtturmprojekt für die digitale Schiene in Deutschland. Ziel sei es, das Hamburger System bundesweit auf den Nah- und Fernverkehr auszuweiten.
Die Technik liefert Siemens. Konzernchef Roland Busch lobte die „Weltneuheit“ als „Blaupause für die Digitalisierung der Schiene“ in Deutschland, Europa und der ganzen Welt und versprach: „Wir machen den Bahnverkehr intelligenter. Züge fahren automatisiert den perfekten Fahrplan, auf die Sekunde genau und energieoptimiert.“
Buxtehuderin überwacht Systeme
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) freute sich im Rahmen des ersten Tages des Weltkongress für intelligente Transportsysteme (ITS) über die Vorreiterrolle seiner Stadt. Er war es auch, der kurz hinter dem Bahnhof Berliner Tor die Bahn per Knopfdruck vom manuellen in den automatischen Betrieb wechseln ließ. Nur einmal ruckelte es später kurz beim Bremsen, ansonsten fühlte sich die digital-automatisierte Tour an wird er jede andere. Der Premierenzug erreichte sein Ziel ohne Zwischenfälle.
Mitten drin beim großen Bahnhof für die digitale Revolution war ausgerechnet Valeska Hoop. Dabei ist die Triebwagenführerin dank der neuen Technologie einen Großteil ihrer Aufgaben los – also Gas geben, bremsen, Türen freischalten und schließen. Die 31-Jährige aus Buxtehude war im Cockpit nur noch für die Überwachung der Systeme zuständig. Und so legte die junge Frau im Wortsinn die Hände in den Schoß, während die Bahn sicher Richtung Osten rollte.
Ein Lokführer bleibe stets an Bord, versichert die S-Bahn. Denn: Fallen Computer oder Funktechnik aus, müssen die Mitarbeiter am Steuerknüppel wie gehabt den Betrieb per Hand übernehmen.
Steuerungssignale über Funk
Und: Wie war Gefühl, in einer Weltneuheit die Verantwortung zu haben? „Es ist in erster Linie eine Arbeitserleichterung“, befand Valeska Hoop gelassen, die seit 2017 S-Bahnen durch Hamburg und das Umland chauffiert.
Technisch basiert der digitale Betrieb auf den europäischen Standards ATO (Automatic Train Operation) und ETCS (European Train Control System). Die Bahnen erhalten die Steuerungssignale über Funk, eine Software errechnet das optimale Tempo.
S-Bahnnetz soll bis 2030 digitalisiert werden
Der große Vorteil: Dank Computersteuerung können mehr mehr Züge gleichzeitig unterwegs sein. Die Kapazität auf vorhandenen Strecken steige so um bis zu 30 Prozent – ohne einen Meter neue Gleise bauen zu müssen.
Das Hamburger S-Bahnnetz soll bis 2030 komplett digitalisiert sein. Auf der Premierenlinie S21 (Berliner Tor-Bergedorf/Aumühle) werden die ersten vier umgerüsteten Züge ab dem Fahrplanwechsel Mitte Dezember im regulären Einsatz sein und dabei auch die Landesgrenze passieren. Vier Bahnhöfe liegen auf schleswig-holsteinischem Gebiet.
Rangierfahrt ganz ohne Personal
Dass digitale Züge sogar ganz ohne Lokführer auskommen, auch das zeigte sich am Montag. Nachdem am Bahnhof Bergedorf alle Fahrgäste ausgestiegen waren, verließ auch Valeska Hoop ihren Arbeitsplatz. Der S-Bahnzug setzte sich sodann wie von Geisterhand und mit leerem Fahrersitz in Bewegung Richtung Kehrgleis und zurück zum Bahnsteig. Diese vollautomatisierten Rangierfahrten soll es in Bergedorf künftig regelmäßig geben.

Die S-Bahn S21 fährt zur Premierenfahrt der digitalen, automatisch fahrenden S-Bahn Hamburg in den Bahnhof Dammtor ein. Die Premierenfahrt fand im Rahmen der Eröffnung des ITS-Weltkongress für Mobilität und Logistik statt. Foto: Marcus Brandt/dpa