Zähl Pixel
Zwischen Hoffen und Bangen

Wie Ukrainer aus der Region den Krieg aus der Ferne erleben

Yuliia Bodnar, Sergej Popovich und Viktoriya Kirn.

Yuliia Bodnar, Sergej Popovich und Viktoriya Kirn.

Sie wohnen zwischen Elbe und Weser, aber in Gedanken sind sie bei ihrer Familie, bei Verwandten und Freunden in der Ukraine. Wir haben Ukrainer getroffen und mit ihnen über ihre Ängste und Hoffnungen angesichts des von Russland begonnenen Krieges gesprochen.

Von Anping Richter Mittwoch, 02.03.2022, 14:00 Uhr

Premium-Zugriff auf tageblatt.de für nur 0,99 €
Jetzt sichern!

„Ich habe Angst vor einem Atomkrieg. Ich hoffe auf den Frieden. Danke, dass wir nicht alleine sind.“

Viktoriya Kirn ist 47 Jahre alt und wohnt in Stade. Die Künstlerin heiratete 2008 ihren Mann hier in Deutschland. Ihre Wurzeln befinden sich in Ivano-Frankivsk (Westukraine). Ihre Eltern, ihr Bruder mit dessen Familie, Verwandte und Freunde sind noch dort.

„Jeden Morgen wache ich nicht vom Wecker auf, sondern von der Angst. Ich renne zum Telefon und rufe meine Familie an, um zu sehen, ob sie diese Nacht überlebt hat. Nachrichten im Fernsehen spielen die Situation in der Ukraine herunter, wo es eine wahre Hölle ist.“

Yuliia Bodnar ist 23 Jahre alt und wohnt in Stade. Die Krankenschwester ist vor acht Monaten nach Deutschland gekommen, sie möchte hier ihr Diplom anerkennen lassen und hier arbeiten. Sie kommt aus dem Westen der Ukraine, aus Ternopil. Ihr Mann, ihre Eltern und ihre drei Brüder sind in der Ukraine geblieben.

„Putin versteht nicht, dass es unmöglich ist, die Ukraine zu zerstören. Die ganze Welt wurde zur Ukraine.“

Sergej Popovich ist 43 Jahre alt, wohnt in Hamburg und arbeitet als Radiologe in Stade. Vor 19 Jahren kam er nach Deutschland. Popovich, dessen Frau Ukrainerin ist, wurde in Drogobytsch geboren, kam mit 14 Jahren nach Odessa – und dort leben noch seine Eltern. Ein-, zweimal pro Jahr reist er in die Millionenstadt am Schwarzen Meer.

„Ich befürchte, dass Putin bis zum Ende geht und das Land Ukraine verschwindet.“

Galina Riedel wohnt in Bremerhaven. Die 50-jährige Klavierlehrerin lernte ihren deutschen Mann kennen und zog 2016 nach Deutschland. Ihre Wurzeln liegen in der Region Luhansk, genauer: in Kirowsk. Ihr Sohn und dessen Frau leben noch in der Ukraine.

„Ich habe die Hoffnung, dass die ganze Welt mit der Ukraine solidarisch ist, nicht nur durch entsprechende Bekundungen, sondern auch durch Waffen, Soldaten, Hilfsgüter und die Bereitschaft, Flüchtlinge aus diesem wunderschönen Land aufzunehmen.“

Kristina Förster ist 35 Jahre alt und wohnt in Drangstedt. Die Schulassistentin ist im Jahr 2012 nach Deutschland gekommen – der Liebe wegen. Ihre Wurzeln liegen in Kropywnyzkyj in der Zentralukraine. In ihrem Heimatland leben ihre Eltern, ihr Bruder und dessen Frau, Cousine, Tante, Onkel und ihre Freunde.

„Hat Putin kein Gewissen? Und kein Herz? Ukrainer möchten keinen Krieg, aber sie stehen für ihr Land ein. Wir Menschen müssen zusammenhalten und die Diktatur stoppen.“

Larisa Müller ist 55 Jahre alt, wohnt in Drangstedt und arbeitet als Krankenschwester. 2001 zog sie nach Deutschland – der Liebe wegen. Müller ist in der Ukraine geboren und aufgewachsen, ihre Wurzeln liegen in Luzk. Drei Brüder und eine ihrer Schwestern leben noch in der Ukraine.

„Meine größte Angst ist, dass meinen Angehörigen etwas Schlimmes zustößt, dass mein Land in diesem Krieg zerfällt. Meine Eltern wollen die Ukraine bis zum Tod verteidigen.“

Kateryna Buiter ist 30 Jahre alt und wohnt in Butjadingen. Die Hausfrau und Mutter ist 2019 der Liebe wegen nach Deutschland gekommen. Sie kommt aus Czernowitz (Westukraine). Die gesamte Familie lebt noch in ihrem Heimatland, in verschiedenen Städten. Ihre Eltern wollen nicht fliehen, sondern dort bleiben.

„Es ist ein barbarisches Verbrechen von Russland. Ich fürchte um das Wohlergehen meiner Verwandten. Ukraine sollte Hilfe in Form von Sachgütern bekommen.“

Hanna Wasmuth wohnt in Spaden und arbeitet als Tagesmutter. Die heute 60-Jährige heiratete einen deutschen Mann und zog 2005 nach Deutschland. Ihre Wurzeln liegen in Kiew. Viele Verwandte leben noch in der Ukraine, darunter auch ihre Kinder und Enkelkinder.

„Meine Hoffnung ist, dass die russische Bevölkerung, die tagtäglich Putins Propaganda ausgesetzt ist, endlich aufwacht und die Wahrheit erkennt – dass nämlich er der Angreifer ist und nicht wir.“

Iryna Geissl ist 52 Jahre alt und wohnt in Nordenham. Die Sport-Trainerin ist 2001 nach Deutschland gekommen. Sie ist in Lemberg in der Westukraine geboren und aufgewachsen. Vor dem Krieg ist sie regelmäßig in ihre Heimat gefahren – das letzte Mal im September 2021. Verwandte leben noch in Lemberg.

„Ich habe große Angst um meine Familie. Ich hoffe, dass der Krieg bald vorbei ist.“

Oleksander Puchkov ist 31 Jahre und absolviert ein einjähriges Praktikum auf dem landwirtschaftlichen Betrieb von Thomas Martens in Deinstedt. Puchkov stammt aus Nikopol. Er hat ein Visum für ein Jahr und will danach wieder zurück in die Ukraine.

„Ich bin stolz auf mein Land. Wir sind keine Neonazis, wir sind Patrioten, weil wir unser Land lieben. Unser Volk steht in diesem Krieg geeint. Die Hilfsbereitschaft der Menschen und ihr Mut und Kampfeswille machen mir Hoffnung, dass alles gut ausgehen wird.“

Zoryana Janke wohnt in Nordenham. Die 38-Jährige arbeitet derzeit als Buchhalterin, früher war sie Geschichtslehrerin. 2018 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gekommen. Ihre Wurzeln liegen in Lemberg (Westukraine). Ihre ganze Familie lebt in der Ukraine, auf verschiedene Städte verstreut. Ihr Bruder leitet eine Kampfeinheit in Kiew.

 

Weitere Themen

Weitere Artikel