Wolfsrisse und Heizungswende: So will Umweltminister Meyer mit den Streitthemen umgehen

Christian Meyer (Bündnis 90/Die Grünen), Niedersächsischer Umweltminister, spricht auf einer Pressekonferenz (Symbolbild). Foto: Philip Dulian/dpa
Niedersachsen hat seit Jahren ein Problem mit dem Wolf. Wie Umweltminister Christian Meyer das in den Griff bekommen will und was er davon hält, wenn sie Verbraucher noch schnell eine Gasheizung einbauen lassen, erläutert er im Interview.
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Von Lars Laue
TAGEBLATT: Herr Minister Meyer, ein Dauerbrenner in Niedersachsen ist die Debatte um den Wolf. Erst kürzlich haben Hunderte Menschen im ostfriesischen Aurich gegen die Ausbreitung des Wolfes und für einen restriktiveren Umgang mit den Tieren demonstriert. Wieso bekommt Niedersachsen das Problem nicht in den Griff?
Christian Meyer: Beim Bund kommt scheinbar erst langsam an, dass der Wolf nicht nur eine Bereicherung für den Artenschutz ist, sondern unserer Weidetierhaltung in Niedersachsen erhebliche Probleme bereitet. Mit der jetzigen Regelung, die nur Einzelabschüsse von Problemwölfen erlaubt, kommen wir nicht weiter, weil die Problemwölfe sich angesichts der Ausbreitung der Tiere häufig nicht mehr zweifelsfrei identifizieren lassen. Niedersachsen hat in den vergangenen Jahren sechs Wolfsabschüsse vollzogen, aber jedes Mal war es nicht der gesuchte Wolf.
Das bedeutet?
Der Bund und die EU sind gefordert, den Ländern ein regional differenziertes Bestandsmanagement zu ermöglichen. Es geht uns dabei nicht um eine Bejagung oder Ausrottung des Wolfes.
Sondern?
Wenn es in einer Region auffällig viele Wolfsrisse trotz Herdenschutz gibt, muss es die Möglichkeit geben, für einen begrenzten Zeitraum in diesem Gebiet Tiere zu entnehmen, ohne die Art zu gefährden. Der Wolf ist zurück und er wird bleiben. Das ist auch gut so, aber wir müssen eben auch unsere für den Naturschutz enorm wichtige Weidetierhaltung schützen und insgesamt zu einem für beide Seiten akzeptablen Ausgleich kommen.
Ausgleich ist ein gutes Stichwort: Noch immer warten einige Tierhalter auf bereits zugesagtes Geld vom Land für Schutzzäune.
Es gibt derzeit schlichtweg mehr Anträge als Geld im Haushalt. Daher werden wir im Zuge der kommenden Haushaltsberatungen nachbessern müssen und sollten die von der vorherigen Landesregierung beschlossenen Kürzungen zurücknehmen. Ich werde mich dafür starkmachen, dass nicht nur die Kürzungen zurückgenommen werden, sondern wir als Land künftig mehr Geld für Schutzzäune und die Entschädigung für gerissene Tiere zur Verfügung stellen.
Sie haben angekündigt, die gesetzlichen Vorgaben des Landes zum Klimaschutz erneut zu verschärfen: Niedersachsen sollte ursprünglich bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Dann wurde das Ziel auf 2045 vorgezogen und jüngst auf das Jahr 2040. Nächstes Jahr verkünden Sie dann die angestrebte Klimaneutralität für 2035?
Nein. Mit dem Ziel, in Niedersachsen 2040 klimaneutral zu sein, begeben wir uns auf den Pfad des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Gemäß einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts musste der Bund nachbessern und das Ziel vorziehen. Wir in Niedersachsen haben ebenfalls nachgesteuert.
Allerdings mit dem sportlichen Ziel, schon 2040 und nicht erst bis 2045 klimaneutral sein zu wollen. Ist das überhaupt realistisch und zu schaffen?
Niedersachsen hat besonders gute Voraussetzungen, weshalb wir fünf Jahre früher als der Bund und viele andere Länder klimaneutral werden wollen. Wir haben den höchsten Anteil an Windenergie und Biogasanlagen. Wir hatten voriges Jahr schon 92 Prozent erneuerbare Energien im Bruttostromverbrauch, bundesweit dagegen waren es 46 Prozent. Kurzum: Wir sind jetzt schon weit vorn und ich bin überzeugt davon, dass wir unser ambitioniertes Klimaziel erreichen werden.
Haben Sie nicht die Befürchtung, dass Sie Bürger und Betriebe mit dem ständigen Vorziehen der Klimaziele überfordern? Beispielsweise soll ja von 2025 an eine Solarpflicht auch für grundlegende Dachsanierungen gelten und nicht mehr nur für Neubauten.
In Niedersachsen bekommen wir die Auswirkungen der Dürre und der Hitze besonders zu spüren. Wir sind am stärksten betroffen vom drohenden Anstieg der Meeresspiegel und müssen 610 Kilometer Deichlinie aufstocken, um allein an der Küste mehr als eine Million Menschen und deren Eigentum zu schützen. Und wir steuern auf eine große Wasserkrise zu, weil wir in bestimmten Phasen zu wenig Wasser haben. Ich merke, dass sich ganz viele Bürgerinnen und Bürger bewusst sind, dass der Klimawandel längst spürbar mit erheblichen Folgen bei uns angekommen ist. Darum boomen Solaranlagen in Niedersachsen, weil sie eine gute Alternative zu steigenden Öl- und Gaspreisen sind. Und auch der Zuspruch zur kostengünstigen Windenergie wächst stetig. Da hat sich die Stimmungslage der Bevölkerung deutlich verändert.
Viele Menschen haben sich mit Blick auf das Heizungsgesetz jüngst noch fix eine neue Gasheizung einbauen lassen. Haben Sie Verständnis dafür?
Jeder weiß doch eigentlich, dass fossile Energien wie Gas und auch Öl immer teurer werden. Deshalb kann ich nur jedem raten, bei einer neuen Heizung auf erneuerbare Energien zu setzen und sich beispielsweise für den Einbau einer klimaneutralen Wärmepumpe oder Solarthermie zu entscheiden. Oder, daher ist die kommunale Wärmeplanung so wichtig, auf Fernwärme, Abwärme von Biogasanlagen oder gemeinsame Quartierslösungen zu setzen - immer mit dem Ziel, klimaneutral und am Ende auch kostengünstiger unterwegs zu sein.
Wie lebt eigentlich Niedersachsens Umweltminister privat? Mit Wärmepumpe und Solaranlage auf dem Dach?
Ich habe kein eigenes Haus und bin daher auf meinen Vermieter angewiesen. In meiner Zweitwohnung in Hannover ist aber kürzlich im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung der Stadt Hannover der Umstieg von fossilem Gas auf klimaneutrale Fernwärme erfolgt.
Dienstlich sind Sie per Elektroauto unterwegs. Und privat?
Ich habe ein 15 Jahre altes 3-Liter-Sparauto von VW. Das war damals eines der klimaschonendsten Fahrzeuge im Markt, und der kleine Polo ist gerade erst wieder durch den TÜV gekommen. Daher fahre ich ihn aus Nachhaltigkeitsgründen erst mal noch weiter. Mein nächstes Auto wird aber auf jeden Fall ein vollelektrisches sein. Zu Terminen fahre ich ohnehin oft mit der Bahn. Und wenn ich nach Berlin muss, steige ich auch in den Zug.
Niedersachsen will die Vorrangflächen für Windenergie bis 2026 mehr als verdoppeln. Wie soll das gehen, wenn Anträge auf Schwerlasttransporte für Windräder bei der Autobahngesellschaft des Bundesverkehrsministeriums einfach liegen bleiben?
Das hat mich in der Tat erschrocken und geärgert. Mittlerweile gibt es aber von Bundesverkehrsminister Wissing die Ansage, hier zu Sammelgenehmigungen zu kommen. Der Bund hat einen Vorrang für erneuerbare Energien und damit auch Windräder vorgeschrieben, dann muss das auch bei den Verkehrsbehörden des Bundes ankommen und entsprechend umgesetzt werden. Unsere Landesverkehrsbehörden jedenfalls haben solchen Transporten den Vorzug vor anderen Genehmigungen zu geben, das haben wir in unserem Klimagesetz festgeschrieben. Und es funktioniert bei uns viel besser als beim Bund. Niedersachsen hatte 2022 die meisten Genehmigungen für Windräder aller Bundesländer.