Wulsdorfer Gotteshaus auf Immobilienportal beworben

Die Martin-Luther-Kirche in Wulsdorf verkauft ihre Immobilie. Foto: ls
Restaurant im Gotteshaus. Altarraum als Sporthalle. Supermarkt. Bibliothek. Hostel. Sowas gibt es, europaweit. Immer mehr Kirchen stehen zum Verkauf, manche neue Nutzung ist dubios. Das will die Gemeinde Wulsdorf nicht. Doch verkaufen muss auch sie.
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Bremerhaven. „Kirchengebäude nebst Gemeindehaus zu verkaufen: Nutzfläche: 537 Quadratmeter. Kaufpreis: 349.000 Euro.“ Zwischen Exposés für Ein- und Mehrfamilienhäuser ploppt auf dem Immobilienportal der Weser Elbe Sparkasse ein Gotteshaus auf: Die evangelisch-lutherische Martin-Luther-Kirche. Blumenthaler Straße. Wulsdorf.
Es geht beschaulich zu, in diesem Viertel rings um den Wohn-Wasserturm: Ruhige Sträßchen, adrette Ein- und Mehrfamilienhäuser, Spielplatz, aus gepflegten Gärten duftet Flieder.
Gemeinde wartet seit fünf Jahren auf einen Verkauf
Unauffällig schmiegt sich die Kirche mit ihrem kleinen Glockenturm in die gutbürgerliche Umgebung. Strahlt Gediegenheit aus, mit bleiverglasten Fenstern, gerundeten Portalen, alles reiner 50er-Jahre-Stil.
All das hätte längst verkauft sein sollen. Schon 2019 hatte die Wulsdorfer Dionysius-/Luther-Doppelgemeinde entschieden, sich von Luther-Kirche mit integriertem Gemeindehaus zu trennen, um vom Kauferlös ein kleines, feines, energetisch sparsames Gemeindehaus zu bauen - am Jedutenberg.
Gemeindehaus ist marode und zu teuer
Die historische Dionysiuskirche dort ist kultureller und spiritueller Mittelpunkt. Das alte Dionysius-Gemeindehaus aber zu groß, zu marode, zu teuer im Unterhalt. Und seit langem geschlossen.
Die Wulsdorfer Gemeinde trifft sich seither an der Blumenthaler Straße. Noch. Solange, bis hier verkauft ist und am Jedutenberg ein neues Haus steht. Das erst gebaut wird, wenn das Luther-Zentrum veräußert ist.
Seriöser Interessent ist abgesprungen
„Wir hatten für die Luther vor einem Jahr noch einen ernst zu nehmenden Interessenten aus dem sozialen Bereich“, erzählt Annegret Warnecke vom Kirchenvorstand.
„Alles war in trockenen Tüchern, die Genehmigungen der Landeskirche für den Verkauf und die der Stadt für eine neue Nutzung lagen vor - und Ende 2023 sprang der Interessent ab, wegen explodierender Baukosten und Zinssteigerung.“
Außen vor stehen die derzeit nicht verkäuflichen Pfarrhäuser
Pro Quadratmeter Luther-Kirche - Baujahr 1956, teils modernisiert, mit Gasheizung von 1995 und barrierefreiem WC von 2018 - weist das Maklerportal als Kaufpreis 649,91 Euro aus. „Dazu kämen ja noch Umbaukosten.“ Wer könnte mit dem einstöckigen Haus mit 195 Quadratmeter großem Kirchensaal samt Empore und drei Tagungsräumen etwas anfangen?
„Es ist schwierig, weil es mitten im Wohngebiet nicht gewerblich genutzt werden kann“, sagt Warnecke. „Wir wünschen uns etwas Soziales, Kulturelles, vielleicht Kirchliches. Die jüdische Menorah-Gemeinde hatte mal wegen Miete angefragt, wir hätten das toll gefunden, aber es geht leider nicht.“
Nachfolger wird kein Sexshop oder Diskothek
Ausgeschlossen werden auf dem Wespa-Portfolio Diskothek, Spielhalle, Sexshop, Gastwirtschaft. Und alles, was Lärm macht. Ein Badminton-Trainingsraum mit Kunstrasen, wie in einer österreichischen, profanierten Kirche - vorstellbar?
Warnecke wiegt den Kopf. „Eine Tanzschule wäre ja auch denkbar. Ein Jugendtreffpunkt - den fordern Wulsdorfer schon lange, oder...“, sie stockt. Der Gedanke, sagt sie, tut weh. „Die Kirche abzureißen und zum Beispiel Wohnhäuser zu bauen. Aber wir hoffen noch auf eine andere Alternative. Die Bausubstanz des Gebäudes ist ja gut.“
Doch sie stehen unter Zeitdruck, denn: „Ehe wir den Erlös für die Luther nicht kennen, können wir keinen neuen Finanzierungsplan für den Neubau des Dionysius-Gemeindehauses aufstellen. Bis Jahresende muss alles geklärt sein.“