72-Jährige schleudert an roter Ampel mit Mercedes durch die Luft

Der Mercedes der 72-Jährigen landete mit den Hinterreifen auf dem Dach eines Renaults. Foto: JOTO
Drei Verletzte und fünf beschädigte Pkw - so lautet die Bilanz einer Schreckensfahrt einer Seniorin am Donnerstag nahe der B75 im Kreis Harburg. Der Unfall nährt die Debatte nach Fahrtauglichkeitsprüfungen bei Senioren.
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Tostedt/Landkreis. Update: Angaben der Polizei zur Unfallursache sowie zu Schadenshöhe
Eine Rentnerin hat am Donnerstagmittag in Tostedt im Landkreis Harburg einen Verkehrsunfall mit fünf Autos verursacht. Nach ersten Polizeiangaben war die 72-jährige Mercedes-Fahrerin zusammen mit ihrem 84-jährigen Ehemann gegen 12.40 Uhr in der Bahnhofstraße in Richtung Bundesstraße 75 unterwegs. Laut Polizei habe die Frau einen Schwächeanfall erlitten. Sie kam nach rechts von der Fahrbahn ab und schrammte an zwei geparkten Autos entlang.
Offenbar erschreckte sich die Frau so sehr, dass sie nach ersten Erkenntnissen der Polizei aufs Gaspedal trat. Die 72-Jährige fuhr mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Bundesstraße.
Dort warteten vier Pkws an einer roten Ampel. Der Mercedes prallte auf den hinten stehenden Skoda, wurde erst nach rechts gegen eine Laterne, dann gegen den Bordstein und entlang eines Fußgängerweges durch die Luft geschleudert.
Rentnerin verursacht Unfall mit fünf Autos und landet auf Pkw-Dach
Am Ende blieb der Mercedes mit den Hinterreifen auf einem Renault stehen, der ganz vorne an der Ampel stand.
Die beiden Rentner aus dem Mercedes wurden von Ersthelfern und dem Rettungsdienst aus dem Auto befreit. Sie wurden verletzt in Krankenhäuser gebracht. Auch die Skoda-Fahrerin erlitt leichte Verletzungen und kam in eine Klinik.
Die Polizei sicherte Spuren und befragte Zeugen. Durch einen glücklichen Umstand waren zum Unfallzeitpunkt keine Personen auf dem Gehweg und dem Eingangsbereich eines Supermarktes unterwegs. Außerdem hielt der Renault den Mercedes davon ab, über einen Fußgängerüberweg auf die vielbefahrene B75 zu rollen.
Für die Aufräumarbeiten blieb die Bahnhofstraße zwei Stunden voll gesperrt. Es entstand ein Sachschaden von rund 30.000 Euro.
EU will regelmäßige Arztchecks für Autofahrer
Beinahe zur selben Zeit hat sich der Verkehrsausschuss im EU-Parlament in Brüssel für regelmäßige medizinische Untersuchungen von Autofahrerinnen und Autofahrern ausgesprochen. Ziel des Vorhabens ist es, den Straßenverkehr sicherer zu machen. Sollte es umgesetzt werden, müssen Menschen unter Beweis stellen, dass sie körperlich und geistig in der Lage sind, sicher zu fahren. Wichtig: Der EU-Beschluss ist unabhängig vom Alter, nachdem zuvor über verpflichtende Fahrtauglichkeitsprüfungen ab einem Alter von 70 Jahren debattiert wurde.
Die Position des Ausschusses wird voraussichtlich noch im gesamten EU-Parlament abgestimmt, dabei können Änderungsanträge eingebracht werden. Im Anschluss wird das Vorhaben mit den EU-Staaten final ausgehandelt, auch hier sind Änderungen möglich.
Die EU-Länder hatten ihre Position bereits am Montag festgelegt und sich - anders als der Ausschuss - nicht für verpflichtende Untersuchungen ausgesprochen.
Unfallforscher widerspricht Wissing bei Aussage zu Senioren am Steuer
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) unterschätzt nach Ansicht eines Unfallforschers die Gefahr durch Senioren am Steuer. Zwar seien ältere Menschen mit Blick auf die absoluten Zahlen im Schnitt nicht öfter an Unfällen beteiligt, dies liege aber daran, dass sie deutlich weniger unterwegs seien, sagte der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann. Gemessen an der Fahrleistung sterben Brockmann zufolge bei Unfällen, an denen Menschen über 75 Jahren beteiligt sind, genauso viele Menschen wie bei Unfällen, an denen die Hochrisikogruppe der 18- bis 21-Jährigen beteiligt ist.
Wissing hatte jüngst erklärt: „Wir haben bei den älteren Autofahrern keine signifikanten Unfallzahlen und damit keinen Grund für einen Generalverdacht.“ Am Montag in Brüssel sprach er sich nun gegen verpflichtende Selbstauskünfte zur eigenen Gesundheit aus, die künftig bei der Verlängerung von Führerscheinen fällig werden könnten.
Brockmann schlägt als Maßnahme für mehr Verkehrssicherheit verpflichtende Fahrten für ältere Menschen mit Profis aus. Diese könnten dann eine Rückmeldung zu deren Fahrverhalten geben, ohne aber die Möglichkeit zu haben, Menschen den Führerschein wegzunehmen.
Wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden von Montag hervorgeht, haben ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld als jüngere, wenn sie an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Der Statistik zufolge waren Menschen ab 65 vergangenes Jahr in mehr als zwei Dritteln dieser Fälle (69 Prozent) die Hauptverursacher. (JOTO/dpa)