K.o.-Tropfen in Musikladen Heinbockel? – Gutachten liegt vor

Die Polizei Stade ermittelte wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Symbolfoto: Nicolas Armer/dpa
Im Januar waren drei Frauen nach wenigen Getränken in der Diskothek weggetreten und mussten ins Krankenhaus. Was die Polizei ermittelt hat.
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In der Nacht vom 21. auf den 22. Januar dieses Jahres hatten sich drei junge Frauen im Alter von 22, 25 und 34 Jahren nach wenigen Getränken mehrfach übergeben. Die Frauen aus Horneburg, Himmelporten und Drochtersen hatten im Musikladen Heinbockel gefeiert, mussten anschließend vom Rettungsdienst versorgt werden und waren ins Krankenhaus gebracht worden.
Verdacht auf K.o.-Tropfen in Musikladen Heinbockel nicht bestätigt
Die Polizei Stade leitete ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung mit K.o.-Tropfen ein. „Es ist nicht auszuschließen, dass Unbekannte den Frauen etwas in ihre Getränke gemischt haben“, sagte Polizeisprecher Rainer Bohmbach damals.
Nach nunmehr zweieinhalb Monaten liegt ein ausführliches medizinisches Gutachten vor, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Dabei habe sich der Verdacht auf K.o.-Tropfen nicht bestätigt. Im Blut und Urin der Frauen konnte keine entsprechende Substanz nachgewiesen werden. Das Ermittlungsverfahren ist laut Polizei eingestellt worden.
Allerdings gilt: Je nach Substanz ist die Nachweisbarkeitsdauer von K.o.-Tropfen unterschiedlich lang bis kurz. Meist handelt es sich dabei um wenige Stunden.
Weißer Ring: Riesige Dunkelziffer
Die Opferschutzorganisation Weißer Ring fordert mehr Aufklärung. „Wir wissen nicht, wie groß das Problem ist. Die Datenlage ist schlecht, wir haben ein riesiges Dunkelfeld“, sagte Céline Sturm, die bei der Organisation für Kriminalprävention zuständig ist. „Es muss mehr Licht ins Dunkle gebracht werden, indem mehr dazu geforscht wird.“ Nur so sei herauszufinden, wie groß das Problem sei.
Die Substanzen wirken wie Drogen. Täter schütten die meist geschmacks- und geruchlosen Chemikalien in die Getränke ihrer Opfer. Nach einigen Minuten wird den Opfern schwindelig, sie können nicht mehr klar denken und wirken und fühlen sich, als wären sie betrunken. Kurz darauf werden sie für Minuten oder auch mehrere Stunden bewusstlos.
Die Täter nutzen diese Zeit für Sexualdelikte oder zum Ausrauben. Die Opfer können sich hinterher meist nicht mehr richtig daran erinnern.
Es gebe bis zu 200 verschiedene Substanzen, die als K.-o.-Tropfen eingesetzt werden, sagte Sturm. Die Gefahr bestehe darin, dass diese Substanzen schwer zu erkennen seien. Zudem seien sie nicht lange im Körper nachzuweisen - im Blut sechs Stunden nach Verabreichung, im Urin bis zu zwölf Stunden. Sturm riet, bei Feiern Getränke nie unbeobachtet zu lassen und aufeinander aufzupassen, um nicht zum Opfer zu werden. „Bei Frauen sind es häufig Sexualdelikte, bei Männern auch Raubdelikte.“
Gefahr im Glas: Was Partygänger über K.o.-Tropfen wissen sollten
„Du hast plötzlich geschwitzt. Dir war übel. Du hast gezittert und warst nicht mehr ansprechbar.“ So beschreiben meist Freunde hinterher einen Zustand, an dem man sich selbst nicht erinnern kann. Man weiß nur noch, dass man vielleicht mit Kumpels in einer Bar war und einen Drink bestellt hat. Der Rest: ein einziger Filmriss.
„Man sollte aufmerksam werden, wenn sich das Verhalten einer Person plötzlich ändert und zum Beispiel ihre Stimmung nicht allmählich, sondern plötzlich umschwenkt“, sagt Petra Zahn, Direktorin der Zentralen Notaufnahme am Klinikum Fulda. Sie räumt aber ein, dass in solchen Fällen auch immer andere Ursachen vorliegen können: „Auch Alkohol wirkt als psychotrope Substanz, hat Einfluss auf das zentrale Nervensystem und kann im Vergiftungsfall die gleichen Symptome hervorrufen.“
Ein Anzeichen: Der Rausch tritt plötzlich auf
Woran merkt man also, ob eine Person einfach nur betrunken ist oder ob ihr jemand etwas ins Glas gemischt hat? „Auffällig ist, dass der Rausch bei K.o.-Tropfen schneller und stärker eintritt“, sagt Arwen Jäkel, die beim Caritas-Projekt „mindzone“. „K.o.-Tropfen wirken bereits innerhalb weniger Minuten“, erklärt die Sozialpädagogin. Wichtig sei, sich selbst und auch Personen aus seinem Umfeld dazu zu animieren, auf das eigene Getränk aufzupassen, damit es erst gar nicht zu einer solchen Situation kommt.
Der Tipp „Pass gut auf dein Getränk auf“ war der 25-jährigen Kim Eisenmann aus Waldbronn in Baden-Württemberg nach einem Vorfall mit K.o.-Tropfen in ihrem Bekanntenkreis jedoch nicht mehr genug. Das Armband, das sie deswegen gemeinsam mit ihrem Team entwickelte, gibt es heute sogar in Drogerie-Märkten zu kaufen. Man tupft etwas von seinem Getränk auf das Armband und bekommt dann angezeigt, ob es „sauber“ ist oder die betäubende Substanz GHB enthält, eine der am geläufigsten bei K.o.-Tropfen.
Auch wenn das Thema Eltern Angst macht: Reden Sie!
Auch wenn es Kritiker gibt, die sagen, dass nicht nur diese Substanz für Verbrechen genutzt werde, wirken die Armbänder präventiv, indem sie potenzielle Täter abschrecken können, erklärt Arwen Jäkel. Dass das Thema vielen Eltern Angst macht, kann sie gut verstehen. Dennoch sollte es auf den Tisch kommen: „Durch eine Tabuisierung oder ein striktes Verbot wird meist nur erreicht, dass sich Kinder bei Problemen oder im Notfall nicht melden“, erklärt die 30-Jährige. (tip/dpa)