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Labor-Ergebnis

14 von 19 Weihnachtsbäumen mit Pestiziden belastet

Oft steht er schon vor dem 24. Dezember in vielen Wohnzimmern - der Weihnachtsbaum. Der BUND hat jetzt 19 Exemplare von einem unabhängigen Labor auf Pestizide testen lassen.

Oft steht er schon vor dem 24. Dezember in vielen Wohnzimmern - der Weihnachtsbaum. Der BUND hat jetzt 19 Exemplare von einem unabhängigen Labor auf Pestizide testen lassen. Foto: Wüstneck/dpa

Der Weihnachtsbaum ist für viele unverzichtbar. Aber wie ist der Baum die vergangenen Jahre gewachsen? Der BUND schlägt nach einem Test Alarm.

Von Redaktion Dienstag, 19.12.2023, 16:28 Uhr

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Hannover/Landkreis. Das Ergebnis: Bei 14 von 19 getesteten Bäumen wurde das Labor fündig, teilen die Naturschützer mit. Insgesamt seien 15 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen worden. Die Bäume wurden unter anderem auch im Land Bremen und in Niedersachsen gekauft. In der Probe eines Weihnachtsbaums aus einem Bremer Supermarkt seien Pestizide wie Azoxystrobin, MCPA und Glyphosat festgestellt worden. Insbesondere Glyphosat gelte als „wahrscheinlich krebserregend und erbgutschädigend“. Der BUND fordert die Bundesregierung auf, zügig ein nationales Reduktionsprogramm für Pestizide vorzulegen.

Die Umweltschutzorganisation Robin Wood weist darauf hin, dass die meisten der in Deutschland verkauften Christbäume aus Plantagen stammen, die gedüngt und mit Pestiziden gespritzt werden - mit entsprechender Belastung für Böden, Gewässer und Tiere.

Eine unmittelbare Gefahr für den Nutzer durch Ausdünstungen in der Wohnung soll es einer Studie zufolge aber nicht geben.

„Leider keine Veränderung“ zum letzten Test vor drei Jahren

„Viele Menschen wollen sich mit einem Baum zu Weihnachten ein Stück unbelastete Natur ins Haus holen“, erklärt BUND-Pestizidexpertin Corinna Hölzel. „Doch unser Test zeigt: Beim Anbau von Weihnachtsbäumen auf Plantagen werden in großem Umfang Herbizide, Insektizide und Fungizide eingesetzt und ganz offenbar auch Wirkstoffe ohne Zulassung. Drei Jahre nach unserem letzten Test zeigt sich leider keine Veränderung hin zu mehr Biodiversitäts- und Umweltschutz.“

BUND: Gefundene Wirkstoffe sind hochgiftig

„Weihnachtsbäume landen oftmals nach wenigen Tagen schon wieder vor den Haustüren und im Müll. Die Gifte, die beim Aufwuchs eingesetzt werden, bleiben jedoch viel länger in der Umwelt zurück und sind ein großes Problem für die Artenvielfalt“, sagt Katja Muchow, stellvertretende BUND-Geschäftsführerin im Land Bremen. „Sie gelangen in Böden, Luft und Gewässer. Sie töten und schädigen Nützlinge.“ Sechs der gefundenen Wirkstoffe seien hochgiftig für Bienen, Vögel, Regenwürmer, Fische oder Wasserorganismen. Das gerade wieder in der EU zugelassene Totalherbizid Glyphosat habe laut weitreichende, negative Auswirkungen auf die Ökosysteme. In fünf Weihnachtsbäumen sei Glyphosat im BUND-Test nachgewiesen worden.

„Vier Nordmanntannen enthielten sogar Pestizide, die in der EU generell oder für den Weihnachtsbaumanbau gar keine Zulassung haben. Solche Bäume dürften nicht verkauft werden. Dieser illegalen Praxis müssen die Behörden jetzt nachgehen, der BUND wird die zuständigen Pflanzenschutzdienste in Bayern, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz informieren und Aufklärung einfordern.“

BUND empfiehlt Kauf von Bio-Weihnachtsbäumen

Der BUND empfiehlt den Kauf von Bio-Weihnachtsbäumen. „Auf diesen Plantagen werden keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt“, so Muchow. „Die nicht chemischen Alternativen sind bekannt und werden dort genutzt: Organischer Dünger und größere Baumabstände können den Einsatz von Fungiziden senken. Mit Landschaftselementen wie Blühstreifen, Hecken oder Steinhaufen werden Nützlinge angelockt, die Schädlinge im Griff halten. Und statt Glyphosat oder andere gefährliche Herbizide einzusetzen, kann gemäht werden. Auch eine Beweidung mit Schafen ist möglich.“

Etwa 0,7 Prozent der in Deutschland verkauften Bäume tragen nach Angaben des Experten von Robin Wood ein Bio- oder Öko-Siegel. „Noch muss man nach Anbietern suchen.“ Wer einen der Verkäufer mit Bio-Baum gefunden hat, den erwartet eine gute Nachricht: Teurer als herkömmliche Bäume sind sie nicht.

Im Landkreis Stade führt der Toom-Baumarkt in Stade bio-zertifizierte Nordmanntannen. Darüber hinaus weist Robin Hood in einer bundesweiten Liste auf die Bio-Angebote vom Obsthof Lefers in Jork (Demeter) sowie von Henry Jungclaus in Engelschoff (Naturland) hin.

Naturmaterialien beim Weihnachtsbaumschmuck als Alternative

Zu empfehlen seien laut BUND ebenfalls Bäume aus ökologischer Waldwirtschaft, zu erkennen am FSC-Siegel. Alternativ ließe sich auch auf einen echten Baum verzichten. Muchow: „Ökologischere Alternativen sind zum Beispiel Zweige von Nadelbäumen, Holzgestelle oder sonstige kreative Objekte aus Naturmaterialien, die geschmückt werden können.“ Beim Weihnachtsbaumschmuck sei die Verwendung von Naturmaterialien zu empfehlen. Der Plastikweihnachtsbaum sei keine Alternative.

Weihnachtsbaum-Umfrage: Wer kauft wo?

Jeder Fünfte will in diesem Jahr selbst zur Axt oder zur Säge greifen und einen frischen Weihnachtsbaum im Wald besorgen (22 Prozent). Das zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag des IT-Branchenverbandes Bitkom. Lediglich ein Prozent kann sich vorstellen, einen frischen Weihnachtsbaum online zu bestellen. Und etwa vier Prozent wollen in diesem Jahr einen Plastikbaum nutzen.

Die Mehrheit der Befragten mag den Baumkauf traditionell: 52 Prozent gaben an, dass sie in diesem Jahr einen frischen Weihnachtsbaum beim stationären Handel kaufen wollen, also etwa im Baumarkt, Gartencenter oder auf einem Weihnachtsmarkt. Knapp jeder Fünfte gab jedoch an, in diesem Jahr gar keinen Weihnachtsbaum aufzustellen (19 Prozent).

Kein zweites Leben für den Plastikbaum

Vor allem ältere Menschen entscheiden sich häufiger für Plastikbäume, das zeigt eine aktuelle Studie zum Kaufverhalten von Weihnachtsbäumen. Nach VNWB-Angaben haben Plastikbäume - vor allem im Niedrigpreissegment - jedoch nur eine Lebensdauer von wenigen Jahren, bevor sie weggeworfen werden.

Künstliche Weihnachtsbäume bestehen aus Verbundstoffen, die sich wirtschaftlich kaum trennen lassen, so der VNWB. So stellt die geringe Recyclingquote von Plastik ein zusätzliches Problem dar. Im Gegensatz dazu können Naturbäume problemlos kompostiert, energetisch genutzt oder für Heimwerkarbeiten verwendet werden.

Die Herstellung von Plastik aus Petrochemikalien ist nicht nur umweltschädlich, sondern birgt laut VNWB auch gesundheitliche Risiken. Studien der österreichischen Umweltschutzorganisation Global 2000 fanden 2019 in mehr als der Hälfte der in Deutschland und Österreich getesteten künstlichen Weihnachtsbäume „bedenkliche Stoffe“, die krebserregend, fortpflanzungsgefährdend oder hormonell wirksam sein können.

Mikro- und Nanoplastik stellen dem VNWB zufolge ebenfalls ein Risiko dar, da sie in das Herzgewebe und das Gehirn gelangen können. (pm/axt/dpa)

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