Betrunken am Steuer erwischt: Wird bald das Auto eingezogen?

Polizisten bei einer Kontrollstelle. Foto: Sebastian Willnow/dpa
Der Verkehrsgerichtstag nimmt den nächsten umstrittenen Punkt in den Blick. Es wird unter anderem darüber gesprochen, ob Autos nach Rauschfahrten eingezogen werden sollten.
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Goslar. Wer betrunken Auto fährt, kann dafür bis zu ein Jahr in Haft gehen - doch reicht das? Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar wollen Fachleute darüber sprechen, ob nach Rauschfahrten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss auch Täterfahrzeuge eingezogen werden sollten. Das ist bisher etwa bei illegalen Autorennen möglich.
Über 1700 Fachleute treffen sich zum Verkehrsgerichtstag, um über Haftungsfragen oder mögliche Gesetzeslücken zu sprechen, wie die Tagungssprecherin Maria Focken am Mittwoch bei einer Pressekonferenz sagte. Der Kongress, der zu den wichtigsten seiner Art in Deutschland zählt, geht am Freitag mit Empfehlungen an den Gesetzgeber zu Ende.
Anwälte gegen Einzug des Autos
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) ist dagegen. Bisher könnten Unfälle unter Alkoholeinfluss neben einer Geldstrafe auch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet werden. „Diese Sanktion ist so erheblich, dass es keiner weiteren Ausweitung auf der Rechtsfolgenseite bedarf“, meint Rechtsanwalt Thomas Noack von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Fraglich sei auch, wie damit umzugehen sei, wenn das Unfallfahrzeug ein Mietwagen ist.
Zudem könnten auf ein Auto auch mehrere Menschen wie etwa Familienmitglieder angewiesen sein, die bei einem Fahrzeugeinzug mitbestraft würden, ergänzt ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. Eine derartige Regelung könne möglicherweise für Wiederholungstäter angebracht sein, er spreche sich aber eher für eine Anpassung der Geldstrafe aus. Auch der Automobilclub von Deutschland (AvD) stellt sich gegen den Fahrzeugentzug als Strafe, unter anderem weil sich die Fallzahlen von Rauschfahrten in den vergangenen Jahren kaum zugenommen hätten.
In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Alkoholverstöße im Straßenverkehr kaum verändert, wie aus dem Fahreignungsregister des Kraftfahrt-Bundesamtes hervorgeht. 2019 gab es 116 000 Fälle, nach einer Delle in 2021 waren es 2022 dann 117.000 Fälle. Bei den Drogenverstößen ist die Zahl zuletzt leicht gestiegen. Von 45.000 in 2019 stieg sie beständig auf 50.000 in 2022.

Straftat kann schon bei 0,3 Promille vorliegen
Bei Trunkenheit im Verkehr liegt ab 0,5 Promille oder mehr eine Ordnungswidrigkeit vor. Ab 1,1 Promille sind höhere Geldstrafen und der Entzug der Fahrerlaubnis möglich. Allerdings könne auch schon bei 0,3 Promille eine Straftat vorliegen, etwa wenn es zu einem Unfall komme und der Fahrer Ausfallerscheinungen habe, die auf den Alkohol zurückzuführen sind, erklärte DAV-Anwalt Noack. So etwas könne auch leicht aus Versehen passieren, etwa wenn man nach einer Feier schon geschlafen habe aber noch Restalkohol im Blut habe.
Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) weist darauf hin, dass in mehreren europäischen Ländern seit einiger Zeit das Fahrzeug von Alkoholsündern eingezogen werden kann, etwa in Italien oder Dänemark. Dort sei eine positive Wirkung erkennbar, weshalb es auch in Deutschland ähnliche Möglichkeiten brauche. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hält das für denkbar, fordert aber zunächst empirische Forschungen zu dem Thema. Der Auto Club Europa (ACE) hält zudem auch sogenannte Alcolocks für sinnvoll. Diese könnten bei Wiederholungstätern im Auto installiert werden, so dass das Fahrzeug nur nach einer Alkoholkontrolle gestartet werden kann. Zudem seien immer auch verkehrspsychologische Programme sinnvoll, sind sich die Polizeigewerkschaften und der ACE einig.
Größtes Interesse für Versicherungsthema
Den größten Zulauf hat in diesem Jahr mit rund 500 Teilnehmern der sechste der acht Arbeitskreise. Dort geht es um den Umgang mit Vorschäden an Autos bei der Schadensregulierung nach einem Unfall. Die Fachleute wollen darüber sprechen, wie nach einem Unfall der dadurch entstandene Schaden von bereits vorher vorhandenen Schäden unterschieden werden kann, wie der Präsident des Verkehrsgerichtstages Ansgar Staudinger sagte. „Wenn sich die Schäden überlappen, ist das nicht immer so einfach.“
Letztlich gehe es darum, zu verhindern, dass Menschen sich nach einem Unfall bereichern und die Reparatur von Vorschäden an ihrem Auto von der Haftpflicht des Unfallgegners bezahlen lassen. Dafür müsse geklärt werden, wie die Rechtsprechung am besten umgesetzt wird.
Weitere Themen beim Verkehrsgerichtstag in diesem Jahr sind die Bestrafung der Unfallflucht oder die Haftungsfrage bei verpassten Anschlussverbindungen, wenn Menschen mit mehreren Verkehrsmitteln wie Bahn und Flugzeug reisen. Die Fachleute, die darüber sprechen wollen kommen in diesem Jahr neben Deutschland auch aus dem europäischen Ausland.
Justizministerium will Meldestelle für Unfälle
Nach Plänen des Bundesjustizministeriums sollen Unfälle bald online gemeldet werden können. Künftig müsse dann nicht mehr an der Unfallstelle gewartet werden, sagte eine Ministeriumssprecherin am Mittwochabend.
Einen Gesetzesentwurf zur Reform will das Ministerium noch in der ersten Jahreshälfte vorlegen. Um Unfallverursachern Wartezeit zu ersparen, sollen bei einem Unfall ohne Verletzte den aktuellen Plänen nach Daten und Fotos künftig an eine digitale Meldestelle geschickt werden können.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte im Zuge einer Reform des Strafrechts im vergangenen Jahr vorgeschlagen, dass Fahrerflucht künftig als Ordnungswidrigkeit statt als Straftat geahndet werden könnte. Nach kritischen Reaktionen von Bundesländern und Verbänden tauche diese Forderung allerdings in einem Eckpunktepapier bereits nicht mehr auf, sagte die Sprecherin. Derzeit kann eine Fahrerflucht als Straftat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Ulrich Lange, sieht eine Herabstufung ebenfalls kritisch. „Die Beschädigung etwa eines anderen Fahrzeugs ist keine Bagatelle, die auf einer Stufe mit einer geringfügigen Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr steht“, sagte er am Mittwochabend. Unfallopfer dürften nicht auf Reparaturkosten sitzen bleiben. Nur das Strafrecht sorge dafür, dass sich Täter nicht einfach aus dem Staub machen, in der Hoffnung ungesehen zu bleiben.